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Mathea Martinsen lebt am Stadtrand von Oslo und hat gerade ihren geliebten Mann verloren. Für wen soll die alte Dame nach dem Tod des schrulligen Statistikers jetzt ihre Ohrenwärmer stricken? Mit wem kann sie fortan über das Dasein philosophieren? Matheas Versuche, ins Leben zurückzufinden, rühren und amüsieren zu Tränen.

 

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Originaltitel: Jo fortere jeg gár, jo mindre er jeg
Autor: Kjersti A. Skomsvold
Übersetzer:  Ursel Allenstein
Verlag: Hoffmann und Campe
Erschienen:  16. August 2011
ISBN: 978-3455400946
Seitenzahl: 144 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Mathea ist eine alte und auch sehr einsame Frau. Ihren Mann, den sie nicht nur innig geliebt hat, sondern um den sich auch ihr ganzes Leben drehte, ist gestorben. Was soll sie nun noch alleine auf der Welt? Sie beginnt, sich Gedanken über allerlei Dinge zu machen, über ihre Ehe, ihre Wünsche und nun auch über ihren Tod. Was bleibt von ihr, wenn sie gestorben ist? Dies ist für sie eine der zentralen Fragen.


Stil und Sprache
Ein Debütroman mit gerade mal 144 Seiten über das Leben einer alten Dame, die so manche Episode ihres Lebens nochmal Revue passieren lässt. Kjersti A. Skomsvold, Jahrgang 1979, muss über ein enormes Potential an Empathie verfügen, um sich in die Figur eines weit über doppelt so alten Menschen als sie selbst hineindenken zu können.
Die Erzählung beginnt leise und mit feinem und subtilem Humor. Sätze wie „Ich wünschte, ich könnte den kleinen Rest vom Leben aufsparen, bis ich weiß, was ich damit anfangen soll. Aber das geht nicht, dafür müsste ich mich schon einfrieren und wir haben nur eines dieser kleinen Gefrierfächer im Kühlschrank…“ finden sich ständig und lassen den Leser immer wieder schmunzeln, wenn nicht sogar lachen. Je weiter man jedoch das Büchlein liest, desto drückender legt sich dieser vermeintliche Humor einem aufs Gemüt, beschwert durch die Tragik und die unterschwelligen Ängste der Protagonistin. Sehr schnell spürt man, dass Mathea, die alte Dame, die selbst ihre Geschichte erzählt, große Angst vor Leuten hat und nun, nach dem Tode ihres Mannes, mit dem Leben so gar nicht mehr zurechtkommt. Scheinbar übergangslos verfolgt man Matheas Gedanken um ihre Nachbarn, ihre Überlegung zum Tod und man begleitet sie auch zum Supermarkt, nur um plötzlich wieder eine Episode aus der Vergangenheit miterleben zu dürfen. Leicht und locker erzählt Skomsvold und dennoch ist die Sprache von bemerkenswert hohem Niveau.


Figuren
Kleine Pointen erheitern den im Grunde sehr traurigen Text einer einsamen alten Dame, die dem Leben zwar weiterhin tapfer ins Gesicht blickt, in Wirklichkeit jedoch schon damit abgeschlossen hat. Figuren gibt es nicht viele in diesem Roman: Mathea, die Erzählerin, und Epsilon, ihren Mann. Bis auf das Fragen nach der Uhrzeit kommen andere Leute kaum zu Wort, sie werden von Mathea nur beobachtet und analysiert.
Epsilon dominierte Matheas Leben, war für sie da, versuchte ihr ihre extreme Scheu vor Menschen zu nehmen, nahm ihr alle Bürden ab und fungierte als Schutzwall, hinter dem sie sich verstecken konnte. Dieser Schutz ist nun nicht mehr da und auch wenn Mathea so tut, als käme sie mit allem allein zurecht, so liest man aus ihren mit oft so unbewusst trockenem Humor erzählten Leben zwischen den Zeilen doch ihre großen Ängste heraus. Man fühlt mit ihr und sieht das Leben der älteren Menschen plötzlich aus einer anderen Perspektive. Skomsvold setzt den Leser in das Innerste der Protagonistin und erlaubt ihm, ihre Gefühle und Ängste so hautnah mitzuerleben – lebensnah, sozusagen. Das Buch ist die Analyse eines einsamen alten Menschen, der mit der restlichen Lebenszeit nichts mehr anzufangen weiß, aber auch keine Ahnung hat, wie er sich daraus befreien soll.


Aufmachung des Buches
Ein sehr schönes gebundenes Buch in leuchtend rotem Umschlag, Der Schutzumschlag ist grau und darauf, wohlüberlegt und zum Inhalt passend, prangt im selben Rot wie der kartonierte Umschlag, ein Wollknäuel, dessen Anfangsfaden sich gelöst hat. Nüchtern, aber absolut passend ist auch die innere Aufmachung. Ist das Büchlein zwar in übersichtliche Kapitel gegliedert, so sind diese aber weder nummeriert noch sonst irgendwie gekennzeichnet. Es finden sich auch kein Prolog, kein Nachwort, nur eine hervorragend erzählte Geschichte.


Fazit
Ein Debütroman, wie man ihn leider viel zu selten in den Händen hält. Alles ist stimmig, perfekt; Sprache und Erzählstil passen hervorragend zur Person Matheas, sodass der Leser das Bedürfnis hat, die alte Dame aufzusuchen, um sie zu unterstützen. Ein Buch, das ein kleines Einod ist. Lebendig, tiefgründig und leicht melancholisch, aber ebenso voller Leichtigkeit, Unbeschwertheit und feinem Übermut. Empfehlenswert für alle, die das Feinsinnige lieben und schätzen!


5 Sterne


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