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Ohne Erinnerung sind wir nichts.

Stell dir vor, du verlierst sie immer wieder, sobald du einschläfst. Dein Name, deine Identität, die Menschen, die du liebst – alles über Nacht ausradiert. Es gibt nur eine Person, der du vertraust. Aber erzählt sie dir die ganze Wahrheit?

 

Ich darf_nicht_schlafen 

Originaltitel: Before I go to sleep
Autor: S.J. Watson
Übersetzer: Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
Verlag: Scherz
Erschienen: 25. August 2011
ISBN: 9783651000087
Seitenzahl: 397 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Christine Lucas wacht nach einem Unfall jeden Morgen auf und weiß nichts mehr, weder wer sie ist, noch in welchem Raum sie sich befindet, kennt den Mann nicht, der neben ihr im Bett liegt. Jeden Morgen ist sie komplett verwirrt, kann nur aus den Schilderungen ihres Mannes ein schwaches Bild von sich und ihrer Vergangenheit aufbauen. Doch Dr. Nash, ein Neurologe an ihrer Seite, der ihre Amnesie zu Forschungszwecken mit verfolgt, hilft ihr in kleinen Stücken weiter. Er bittet sie, Tagebuch zu führen, ruft sie jeden Tag an, versucht ihr zu helfen. Von alledem soll ihr Mann Ben aber nichts wissen und langsam wird ihr auch klar, dass er ihr nicht die Wahrheit sagt. Je mehr sie sich erinnert, je mehr Puzzleteile ihres bisherigen Lebens sie zusammenfügt, desto verworrener und lebensbedrohlicher wird es für sie. Keiner ahnt, was sie mit ihren Recherchen auslöst. Ein Thriller, der wirklich unter die Haut geht.


Stil und Sprache

S. J. Watsons Sicht ist die seiner Protagonistin Christine Lucas. Er schreibt aus ihrer Ich-Perspektive im Präsens und auch in der Vergangenheit. Damit gibt es auch nur eine stetige Handlungsebene, allerdings raffiniert in den Zeitebenen wechselnd. So erzählt Christine aus der Gegenwart heraus, dem Hier und Jetzt, das sie ja auch nur kennt, wird aber durch Erinnerungs-Flashbacks, dem Lesen des Tagebuches und den Gesprächen mit den wenigen Kontaktpersonen um sie herum immer wieder auch in die Vergangenheit zurückversetzt. Dieser Wechsel ist sehr interessant und spannend gestaltet. Es tauchen Fotos von ihrem Mann und Sohn auf, ein Zeitungsartikel, ein Brief, vor langer Zeit an sie geschrieben. Langsam kann Christine sich mehr und mehr zurecht finden und sich Stück für Stück durch das Erkennen der Vergangenheit eine eigene Identität jeden Tag wieder neu aufbauen.

Watson gelingt es so gut, diese Gefühlslage der Protagonistin zu vermitteln, dass der Leser sich selbst irgendwann in dieser Gemütslage befindet und so in der Mitte des Buches nicht mehr wirklich hochmotiviert ist, wieder und wieder neu einen solchen Tag Christines mit zu verfolgen. Doch dann baut der Autor wieder Spannung auf, es ergeben sich neue Hinweise durch den Kontakt zu Claire, einer wortwörtlich vergessenen Freundin. Die Situation kippt, Christine und auch Claire sehen, dass etwas nicht stimmt und die Zeit drängt. Nach einem etwas langatmigen Mittelteil ist der letzte Teil des Thrillers dann sehr spannend und mitreißend, das Ende bewegend.


Figuren

Sehr überzeugend und bis ins Detail herausgearbeitet wirkt die Protagonistin Christine Lucas auf den Leser unglaublich faszinierend. Ihre Gefühle, ihre tagtägliche Situation, nicht zu wissen, wer sie ist und woher sie kommt, was ihre Zukunft ist, das ist sehr realistisch und beeindruckend dargestellt. Christine lebt aus der Situation heraus, beobachtet sehr genau und nimmt jede noch so subtile Veränderung, Gefühlsschwankung um sich herum wahr. Sie kann sich kaum an etwas der letzten 20 Jahre erinnern, doch nach und nach wird ihr vieles wieder bewusster, beginnt sie ein Gefühl für sich selbst zu entwickeln.

Ihr Verhältnis zu ihrem Mann Ben, zu Dr. Nash, dann später zu ihrer Freundin Claire und nicht zu vergessen zu ihrem Sohn Adam ist etwas ganz Besonderes. Sie erkennt diese Leute zunächst nicht und erst aufgrund des erneuten Kontaktes, der Erinnerung im Tagebuch, werden diese Figuren wieder wach und für sie bedeutend. Der Leser sieht diese Menschen nur durch ihre Brille, ihre Vorstellung. So bleiben sie auch für ihn nur bruchstückhaft. Ihre Zweifel und Fragen an sie bleiben auch für den Leser präsent.

Ihr Mann Ben wirkt einerseits bewundernswert in seiner Haltung ihr gegenüber, dass er sie jeden Tag aufs Neue in ihrer Verwirrtheit annimmt und ihr die Welt zu erklären versucht. Andererseits ist es erschütternd zu sehen, in welcher Abhängigkeit sich Christine ihm gegenüber befindet und wie sehr ihr Misstrauen immer mehr Bestätigung findet. Interessant wird es ab dem Moment, an dem der Leser dann doch deutlich mehr im Thema ist als sie und nichts Gutes ahnt. 


Aufmachung des Buches
Das Hardcoverbuch mit eingeschlagenem Umschlag hat ein etwas größeres Format und das Cover ist auffallend gestaltet. Es zeigt den Titel und den Autor in einer sehr großen, nach unten hin immer größer werdenden schwarzen Schrift, jedes einzelne Wort in separater Reihe und mit einem Abschlusspunkt versehen. In der Mitte ist eine weniger schöne Motte abgebildet, das ganze mit hellblauem Hintergrund. Das Buch ist in drei Teile eingeteilt, Teil eins und drei schlicht mit dem Titel "Heute", der dazwischen geschobene Teil zwei trägt die Bezeichnung "Das Tagebuch der Christine Lucas". Für mich ist dies ein sehr passender Hinweis auf die Veränderung des "Heute" von Christine, nachdem sie begonnen hat, Tagebuch zu schreiben und ihr Bewusstein damit zu verändern.


Fazit

Ein Psychothriller mit sehr interessantem Inhalt, dem Erleben und dem Fühlen eines Amnesie-Patienten, der nach einem Unfall bzw. Trauma sein Erinnerungsvermögen verliert und jeden Tag aufs Neue bei null anfängt. Sehr spannend geschrieben und trotz einiger Längen im Mittelteil zu empfehlen.


4 Sterne


Hinweise

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