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Ein grausamer Mord. Ein blutiges Staatsgeheimnis. Ein Kommissar am Abgrund.

Winter in Helsinki, alles ist nass und grau, Inspektor Kari Vaara hat Migräne. Der Polizeichef gibt ihm zwei Fälle und die gewünschten Ergebnisse gleich dazu: da ist erstens der greise Kriegsheld, der nicht verstummenden Gerüchten zufolge als Wachmann in einem deutschen Straflager grausame Morde begangen hat. Und zweitens der russische Geschäftsmann, dessen Frau regelrecht abgeschlachtet wurde. Ihr Liebhaber soll es gewesen sein. Kari Vaara glaubt nicht daran. Und unter Druck setzen lässt Kari Vaara sich erst recht nicht.

 

Totenwinter 

Originaltitel: Lucifer's Tears
Autor: James Thompson
Übersetzer: Thomas Merk
Verlag: rowohlt
Erschienen: 10/2011
ISBN: 978-3499252822
Seitenzahl: 352 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Nach einem Debakel in seinem letzten großen Fall hat sich Kari Vaara – auch seiner amerikanischen Frau zuliebe – aus dem Norden Finnlands nach Helsinki versetzen lassen. Hier ist er neu bei der Mordkommission und die Kollegen begegnen ihm bestenfalls mit Misstrauen. Da hilft es auch nicht, dass er vom Polizeichef persönlich gleich zwei merkwürdige Fälle übertragen bekommt. Neben seinen Migräneanfällen muss er sich nämlich auch noch um seine hochschwangere Frau kümmern sowie um deren Geschwister, die zu Besuch aus Amerika sind. Zwar erkennt er schnell, dass die Lösung des Mordfalls nicht so einfach ist, wie sein Vorgesetzter es sich gedacht hat, allerdings muss er nicht nur gegen einen einflussreichen Gegner ankommen, sondern auch um seine eigene Zukunft kämpfen.

Der Fall an sich scheint relativ klar zu sein, so denkt man zumindest zu Beginn dieses Thrillers: Hier soll jemand für einen Mord büßen, den er nicht begangen hat. Alte Story, neue Umsetzung. Dermaßen kompliziert verschachtelt und ineinander verstrickt haben sich die Komponenten dieser Geschichte, dass man erst auf den letzten Seiten atemlos wieder auftaucht aus dem Strudel, in den man mehr und mehr hineingezogen wurde.


Stil und Sprache
James Thompson ist, wie der Name schon ahnen lässt, kein Finne, sondern Amerikaner, der aber seit Jahren in Finnland lebt und dort mit einer Finnin verheiratet ist. Im Buch hat er dies etwas umgedreht, sein Protagonist hat eine amerikanische Frau. Das ergibt die perfekte Möglichkeit, dem Leser Finnland nahe zu bringen, ohne belehrend zu wirken. Die in unseren Augen oft sehr schrulligen Eigenarten der Finnen, ihre klimatisch und gesellschaftlich bedingten Eigenheiten und natürlich die Verhältnisse im winterlichen Helsinki, das alles bringt James Thompson in wenigen Nebensätzen mit in seine Geschichte und schafft so eine authentische Atmosphäre. Dabei erzählt er ausschließlich in der Gegenwart aus der Ich-Perspektive von Kommissar Kari Vaara und erzeugt so eine eher Thriller-untypische Nähe zu seinem Protagonisten. Jede Empfindung, jeder Gedankengang wird protokolliert und in klaren, knappen Sätzen zu Papier gebracht, fast schon lakonisch muten die teilweise extrem kurzen Sätze manchmal an.

Der Spannungsbogen der Handlung ergibt sich gar nicht so sehr aus der Auflösung des Mordfalles an sich, sondern vielmehr aus dem enormen Spannungsfeld, in dem sich Kari Vaara selbst befindet. Und genau das macht diesen Thriller aus, der nicht fokussiert ist auf das unmittelbare Geschehen, sondern zeigt, welchen unterschiedlichen Belastungen ein Mensch gleichzeitig ausgesetzt sein kann. So gewinnt man ein sehr komplexes Bild, das es nicht immer leicht macht, der Handlung zu folgen, das aber Aspekte weit über den „normalen“ Thriller-Plot hinaus zeigt und so Lust macht auf mehr von diesem Autor. Einziger Kritikpunkt für mich: Direkt am Anfang wird zu viel aus dem ersten Teil der Serie verraten, wer diesen nicht kennt, muss ihn jetzt auch nicht mehr lesen.


Figuren
Kari Vaara ist Polizist mit Leib und Seele, hat ein überbordendes Gerechtigkeitsempfinden und sieht nur Schwarz oder Weiß. Das macht sein Leben nicht einfacher, besonders wenn es um seine Frau Kate geht. Denn die sieht die Welt mit ganz anderen Augen als der Kommissar, der schon einige Schicksalsschläge verkraften musste und auch in dieser Geschichte nicht geschont wird. Ein sehr komplexer Charakter, den der Autor außerordentlich plastisch zeichnet und den man einfach mögen muss, obwohl er Charakterzüge aufweist, die ihn eigentlich unsympathisch werden lassen müssten. Aber Kari ist durchaus in der Lage, sich selbst und auch andere zu reflektieren und das tut er besonders mit seinem direkten Kollegen Milo Nieminen.
Milo ist auch neu in der Abteilung, erst kürzlich zum Kommissar befördert worden und genauso unbeliebt wie Kari. Aber anstatt sich zu verbrüdern, mögen sich die beiden nicht besonders, allerdings hat Milo auch einige schräge Gewohnheiten und Hobbies, die ihn schon etwas abgedreht erscheinen lassen. Er ist ein guter Kontrast zum gerechtigkeitsliebenden Kari, entwickelt sich im Laufe des Buches auch glaubwürdig weiter und wirkt ebenso lebendig wie dieser.

Auch die zahlreichen anderen Figuren sind durchweg sorgfältig ausgedacht und ihrer jeweiligen Bedeutung entsprechend ausgeführt. Sie alle angemessen zu würdigen, würde allerdings den Rahmen dieser Rezension sprengen, daher beschränke ich mich auf die Erwähnung einer speziellen Person, nämlich des schon erwähnten Kriegshelden Arvid Lahtinen, bei dem Kari hin- und hergerissen ist zwischen Bewunderung für den Mann, der seinem eigenen Großvater so ähnlich ist, und Abscheu gegen das, was dieser im Krieg möglicherweise getan hat. Die schwelende Frage, ob Verbrechen durch puren Zeitablauf irgendwann gesühnt und vergessen werden können, gehört zu den Besonderheiten, die diesen Thriller aus der Masse hervorheben.


Aufmachung des Buches
Das Taschenbuch zeigt auf dem Cover … ja, was genau? Schwer zu erkennen ist das Motiv, es könnte sich um eine von Schlittschuhen zerkratzte Eisfläche handeln. In einigen Rillen hat sich frisches Blut verteilt und die eisblaue Farbe verströmt ein Gefühl von Kälte. Titel und Autorenname sind ganz schlicht in Schwarz gedruckt und damit hebt sich das Cover wohltuend von der üblichen Aufmachung nordischer Krimis ab, die ja sonst gern ziemlich austauschbare schneebedeckte Idyllen zeigen. Innen gibt es 48 recht kurze Kapitel, über deren Beginn jeweils auch ein Streifen verkratzte Eis- oder Glasfläche zu sehen ist.


Fazit
James Thompson ist mit seinem zweiten Roman um Kari Vaara ein ganz außergewöhnlicher Thriller gelungen, der sowohl inhaltlich als auch sprachlich absolut zu überzeugen weiß. Für alle, die einen anspruchsvolleren Thriller der etwas anderen Art zu schätzen wissen, aber trotzdem gut unterhalten werden wollen.


4 5 Sterne


Hinweise

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Backlist:
Band 1: Eisengel

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