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Kategorie: Fantasy, Mystery, Vampire

Nobody Owens ist noch ein Baby, trotzdem entkommt er als einziger aus seiner Familie einem brutalen Mörder. Zuflucht findet er ausgerechnet auf einem Friedhof, die Geister und Untoten nehmen ihn bei sich auf und ziehen ihn groß. Doch der Feind wartet auf den Tag, an dem Nobody zu den Lebenden zurückkehren wird.

 

  Autor: Neil Gaiman
Verlag: Arena Verlag
Erschienen: 01/2009
ISBN: 978-3401063560
Seitenzahl: 312 Seiten 


Die Grundidee der Handlung
„Das Graveyard Buch“ - den Originaltitel nur halb ins Deutsche zu übersetzen ist natürlich etwas unglücklich, trotzdem mag ein aufmerksamer Betrachter noch erkennen, welches klassische Kinderbuch als Inspiration diente für Gaimans schaurigen Adoleszenzroman: „Das Dschungelbuch“ nämlich vom britischen Autor Rudyard Kipling. Während zu diesem Werk, das vor allem durch die Disney-Verfilmung bekannt ist, durchaus Parallelen bestehen, kann man „Das Graveyard Buch“ doch keineswegs als schlechte Kopie bezeichnen. Neil Gaiman hat es wieder einmal geschafft, etwas völlig Eigenes, Neues und Mitreißendes zu schaffen.
Statt wie Mowgli in einem Dschungel von wilden Tieren wird der kleine Nobody, von allen kurz Bod genannt, auf einem Friedhof von Geistern erzogen. Dabei lernt er von den Toten wichtige Lektionen für das ganze Leben, findet in einem betagten Geisterpärchen liebevolle, wenn auch manchmal strenge, Eltern und hat natürlich auch eine Menge Spaß mit Ghulen, Wolfsmenschen, Hexen und anderen Wesen. Der abenteuerlustige Bod deckt viele Geheimnisse des Friedhofs auf und oft zieht es ihn weg von der heimischen Sicherheit in die Welt der Lebenden, wo er eigentlich auch hingehört. Doch er muss vorsichtig sein – ein heimtückischer Mörder hat es auf den unschuldigen Jungen abgesehen und wird nicht eher ruhen, bis er ihn ermordet hat ...


Stil und Sprache
Neil Gaiman ist der geborene Geschichtenerzähler. Liest man seine Bücher, entfalten sie unweigerlich einen besonderen Zauber, der einen Seite um Seite umblättern lässt, ohne dass man aufhören könnte. Mit „Das Graveyard Buch“ hat er wieder ein Buch geschrieben, das an jugendliche Leser adressiert ist, weshalb Stil und Sprache relativ einfach und flüssig gehalten sind. Aber auch erwachsene Leser können ihren Spaß mit dem Roman haben, der sich durch sprachliches Können, feinsinnige Ironie und die sehr gelungene, für Gaiman fast schon typische Verknüpfung von Alltäglichem mit dem Magisch-Makaberen auszeichnet. Einziger Kritikpunkt ist die deutsche Übersetzung, die per se nicht schlecht ist, aber auch nicht ganz den Erzählduktus Gaimans trifft.
Jedes Kapitel erzählt eine kleine, abgeschlossene Geschichte, die primär natürlich einen phantastischen Inhalt hat, aber auch immer ein bisschen das Erwachsenwerden von Bod verdeutlicht. Was die Kapitel verknüpft sind mehrere rote Fäden, sodass man nie das Gefühl hat, der Roman würde zu sehr in Episoden zerfallen und unzusammenhängend sein. Da jede der kleinen Geschichten ihren eigenen Spannungsbogen hat, gestaltet sich das Lesen als kurzweiliges Vergnügen, Langeweile kommt dabei nie auf.


Figuren
Wer denkt, dass ein Buch über Geister und Monster nichts für Kinder ist, der irrt! Die Toten und Untoten, die Gaiman erschaffen hat, wirken nur selten erschreckend, wenn sie auch makaber sind. Die meisten sind sogar recht amüsante Gesellen, manche sogar sehr sympathisch. Auch Jack, der Mörder, ist aufgrund seiner eher karikierten Charakterzeichnung nicht sonderlich beängstigend.
Bod bietet für junge Leser viel Identifikationspotential und auch die älteren werden sich in ihm wiederfinden können. Er ist ein Junge wie jeder andere: verspielt, abenteuerlustig, manchmal mutig, manchmal ängstlich. Bod macht natürlich auch Fehler, er ist nicht perfekt – und deshalb umso sympathischer und glaubhafter. Die Entwicklung, die er durchmacht und die der Leser begleitet, vollzieht sich ebenso glaubwürdig, weshalb hier nicht nur ein phantasievoller Fantasy-Roman, sondern eine wundervolle Metapher über das Erwachsenwerden und die Schwierigkeiten, die damit einhergehen, vorliegt.


Aufmachung
Nicht nur der Inhalt des Buches ist ein besonderer, sondern auch die Aufmachung. „Das Graveyard Buch“ kommt in einer farbigen, verschließbaren Metalldose daher, die einen efeubewachsenen Grabstein darstellen soll. In dieser Dose findet sich dann ein Hardcover-Buch mit einem Cover des Zeichners Chris Riddell, das Bod und seinen vampirischen Vormund Silas auf dem Friedhof zeigt. An sich eine wunderbare Idee, meiner Meinung nach ist es aber sehr bedauerlich, dass das Buch keine weiteren Illustrationen von Riddell enthält - wie die englische Originalausgabe.


Fazit
„Das Graveyard Buch“ ist ein etwas anderer Adoleszenzroman: Witzig, spannend und phantasievoll kommt die Geschichte um den Jungen daher, der auf einem Friedhof aufwächst. Dabei ist das kreative Kleinod nicht nur jungen Lesern zu empfehlen, sondern auch Erwachsenen Fantasy-Liebhabern, ganz besonders wegen der herausragenden Erzählkunst Gaimans und der treffenden Metaphorik und Hintergründigkeit der Geschichten.


4 5 Sterne


Hinweise
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