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Eine Abrissparty in Barcelonas Armenhaus, dem Poble Sec. Die gesamte Nachbarschaft versammelt sich, um die alten Zeiten ein letztes Mal aufleben zu lassen. Doch ein grausiger Fund sprengt das Fest, denn die ersten Gäste stolpern über eine Leiche. Das Motiv für den Mord liegt tief in der Vergangenheit: Vor dreißig Jahren starb ein Kind bei einem Banküberfall. Der Haupttäter konnte damals fliehen – und liegt nun tot vor aller Augen. Für Inspector Méndez ist klar, dass der Vater des kleinen Jungen späte Rache genommen hat. Nun muss er Beweise finden und außerdem weiteres Blutvergießen verhindern. Denn das Opfer hatte Komplizen …


Der_Tod_wohnt_nebenan 

Originaltitel: Una novela de Barrio
Autor: Francisco González Ledesma
Übersetzer: Sabine Giersberg
Verlag: Bastei Lübbe
Erschienen: September 2011
ISBN: 9783404160754 
Seitenzahl: 317 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Omedes wird 30 Jahre nach seinem Überfall auf eine Bank, bei dem zwei Unschuldige, ein Sicherheitsbeamter und ein dreijähriger Junge, ums Leben kommen, mit einem Genickschuss aus nächster Nähe regelrecht hingerichtet. Kommissar Méndez, kurz vor seiner Pensionierung, übernimmt den Fall. Bald schon ist klar, wer der Täter nur sein kann: der Vater des kleinen Jungen, Miralles, das Motiv Rache. Doch dann verdrehen sich die Seiten. Méndez sucht nicht nach dem Mörder, er sucht nach dem erst vor kurzem aus der Haft entlassenen Komplizen, der ebenfalls am Überfall beteiligt war und seine Strafe abgesessen hat, Leonidas Perez. Er ist sich sicher, dass er bei ihm auch auf Miralles stoßen wird, dass er sein nächstes Opfer sein soll. Doch auch Perez bleibt nicht untätig. Statt auf Miralles zu warten, sucht er ihn und versucht ihm zuvorzukommen. Das Ganze geschieht in einem Barcelona, das sich so ganz anders präsentiert. Bis auf die Franco-Zeit zurückgreifend entsteht ein Bild, das wenig mit dem touristischen Barcelona von heute zu tun zu haben scheint.


Stil und Sprache
Der Autor hat eine unglaublich bildhafte, genau beschreibende und jede Szene auskostende Schreibweise. Für ihn stehen nicht die Aktion, die Morde selbst, im Mittelpunkt, vielmehr geht es ihm um ein Gesamtbild, ein Einblick und Rundblick auf ein Barcelona, das sich nicht von seiner besten Seite zeigt. Es geht um die unterste Schicht. Erzählt wird das Schicksal eines Bordells und deren Frauen. Die Gründerin, Madame Ruth, holt junge Mädchen von der Straße und rettet sie so vor dem Hungertod. Jetzt, Jahrzehnte später, wird über ihre letzten Tage berichtet, wie sie vom Krebs zerfressen, ihren Hausarzt um einen erlösenden Tod anfleht. Sie wird von einer ihrer ersten Huren, Mabel, betreut, die sie damals als 15-Jährige von der Straße aufnahm und die inzwischen nur noch Hass für Ruth empfindet und sie dies auch tagtäglich spüren lässt.

Ledesma arbeitet auf verschiedenen Handlungsebenen, springt zwischen den Agierenden, den Schauplätzen. Einmal ist er bei dem ermittelnden Mendez, dann bei Miralles, Madame Ruth, der ehemaligen Bordellbesitzerin, Leondias Perez, dem zweiten Bankräuber und immer schreibt er dann in der dritten Person aus deren direkten Perspektive. Hinzu kommen seine glänzenden Dialoge, sein markanter Witz und Humor, seine tiefgreifenden Analysen und Spitzen die Situation Barcelonas betreffend. Es wird deutlich, wie sehr der Autor sein Land liebt und wieviel es ihm bedeutet, wie sehr er darin verwurzelt sein muss. Es ist ein literarisches Werk mit viel Hintergrundinformation und es geht weit über einen üblichen Kriminalroman hinaus.


Figuren
Ledesma lässt seine Figuren aus den Dialogen heraus entstehen. Sie wirken allesamt sehr markant, stehen dem Leser deutlich vor Augen und sind dann doch auch wieder schwer zu fassen. Sie haben immer auch eine Vor-und Nachgeschichte, fesseln in der Situation und werfen gleichzeitig wieder Fragen auf.

Der ermittelnde Kommissar Mendez, kurz vor der Pensionierung, nimmt es mit seinen Dienstvorschriften wirklich nicht so ernst. Er hat seine eigene Art zu ermitteln und auch für Gerechtigkeit zu sorgen. Im schlimmsten Fall greift er selbst zur Waffe oder hilft deutlich nach. Er wirkt verschroben, auch eigensinnig, aber trotzdem mitfühlend und den Leuten sehr nahe stehend. Er steht nicht außen vor, er ist vielmehr Teil des Geschehens.

Miralles, der Vater des mit drei Jahren getöteten Jungen, lebt aus der Vergangenheit heraus. Sein einziges Ziel, das er verfolgt, scheint die Rache an den Mördern seines Jungen zu sein. Er ist über dessen Tod nicht hinweg, hütet die wenigen Dinge, die ihm von seinem Sohn geblieben sind, wie einen Schrein. Selbst die Scherben einer Tasse, die der kleine Juan zerbrochen hatte, bewahrt er noch auf. Und er geht zu einer Schule, spricht mit der Direktorin, zeichnet den Lebensweg des Sohnes nach, wie er hätte sein können, wäre es nicht zu dieser Katastrophe gekommen.

Leondias Perez, der zweite Bankräuber, der sich selbst Erasmus nennt, wird vom Gejagten zum Jäger. Er wartet nicht darauf, dass Miralles ihn findet, sondern dreht es um. Doch seine Handlanger scheitern und am Ende stehen sich die beiden direkt gegenüber. Madame Ruth, die ehemalige Bordellbesitzerin, vom Tod gezeichnet und „ihre“ Mädchen, Mabel und Eva Exposito, die mit 15 Jahren zu Huren wurden und jetzt mit 50 auf ein wenig erfreuliches Leben zurückblicken, erscheinen dennoch als starke Persönlichkeiten, sehr beeindruckend für den Leser dargestellt.   


Aufmachung des Buches
Das Taschenbuch hat ein sehr interessant gewähltes Cover. Es zeigt eine verschmutze, verrostete Klingelleiste mit dem Titel als Namenseintrag. Der Titel ist sehr gut gewählt und passt wirklich zur Geschichte. Die insgesamt 45 eher kurz gehaltenen Kapitel werden durch eine einfache Ziffer gekennzeichnet, sind fortlaufend in den Text integriert und beginnen meist nicht auf einer extra Seite. Auch inhaltlich sind sie nicht immer ein klarer Trennpunkt. Ansprechend finde ich gleich auf der ersten Seite das Photo des Autors und seine kurze Vorstellung. 


Fazit

Ein Kriminalroman, der zu empfehlen ist, nicht nur wegen der sehr spannenden und aus verdrehter Perspektive geschriebenen Handlung, sondern vor allem auch aufgrund der faszinierenden, literarisch wirklich beeindruckenden Erzählweise. Sicherlich kein oberflächlich zu lesendes Werk, aber einmal sich darauf eingelassen, wird der Leser doppelt belohnt.


5_Sterne


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