Du glaubst, du kennst mich. Tust du nicht. Ich blute für dich.
Der Psychologe Joe O’Loughlin ist sich nicht sicher, ob er sich ausgerechnet Sienna Hegarty als beste Freundin für seine Tochter Charlie wünscht. Denn die frühreife Sienna ist nicht immer ein guter Umgang. Doch als sie eines Abends blutüberströmt bei den O’Loughlins auftaucht, nimmt Joe sich ihrer an. Denn im Haus der Hegartys ist etwas Schreckliches passiert: Siennas Vater liegt tot in ihrem Zimmer – jemand hat ihm die Halsschlagader durchtrennt. Sienna kann sich an nichts erinnern. Auf ihrer Kleidung klebt das Blut des Toten, und das Mädchen hat außerdem ein starkes Motiv für die Tat, wie Joe mit Hilfe seines Freundes, dem Ex-Polizisten Vincent Ruiz, herausfindet. Sienna wird des Mordes an ihrem Vater angeklagt, aber Joe ist von ihrer Unschuld überzeugt. Und er soll eine Wahrheit zu Tage fördern, die schwerer wiegt als alles, was er für möglich gehalten hätte …
Originaltitel: Bleed or Me |
Die Grundidee der Handlung
Eigentlich sieht es ziemlich eindeutig aus: Sienna Hegarty taucht blutüberströmt bei den O’Loughlins auf, ihr Vater liegt tot in ihrem Zimmer und dann wird auch noch Siennas Messer gefunden und als Mordwaffe identifiziert. Einzig Psychologe Joe O’Loughlin glaubt nicht an Siennas Schuld und versucht, den wahren Mörder zu finden. Er sticht in ein Wespennest, denn um Sienna herum gibt es mehr Geheimnisse als Wahrheiten, alle Beteiligten lügen wie gedruckt und der an Parkinson erkrankte Joe muss auch körperlich alles geben, um diesen Fall zu lösen.
Dabei spielt dann auch noch seine inzwischen getrennt von ihm lebende Frau eine nicht unwesentliche Rolle und Joes private Situation spitzt sich immer mehr zu. Aber zum Glück hat er Freunde, die ihm beistehen, etwa der Ex-Polizist Vincent Ruiz, dessen unkonventionelle Methoden und gute Kontakte so einige überraschende Ergebnisse zu Tage fördern. Also alles in allem ein hochkomplizierter, viele Ebenen umfassender Fall für Joe O’Loughlin, der eine würdige Fortsetzung der Serie darstellt.
Stil und Sprache
Nach einem ziemlich verstörenden Epilog aus Sienna Hegartys Tagebuch beginnt die eigentliche Handlung direkt mit dem Abend, als Sienna bei Joe O’Loughlin vor der Tür steht. In der Gegenwart und ausschließlich aus Joes Sicht in der dritten Person geschrieben, entwickelt die Story damit sofort ein hohes Tempo, welches auch bis zum Schluss nicht nachlässt. Selbstironische Bemerkungen Joes und flotte Dialoge würzen eine wirklich abgründige Geschichte und sorgen dafür, dass es nicht zu schlimm wird. Denn was Joe im Laufe der rund 500 Seiten aufdeckt, würde auch locker für drei Durchschnittskrimis reichen. Hier ist es aber nur eine - sehr dichte und eindringliche - Geschichte, die trotzdem durch den sehr eingängigen Schreibstil flüssig und angenehm zu lesen ist.
Joes Gedanken und Gefühle nehmen einen großen Raum ein, werden aber benötigt, um Motive zu verstehen, Hintergründe zu erfassen und das Menschliche nicht zu verdrängen. Und auch wenn Joe oft sehr an sich selbst verzweifelt, wirkt seine Art doch nie langweilig oder depressiv. So wie er in die Gedanken anderer einzudringen versteht, so kann auch der Leser mit ihm mitfühlen, seine Handlungen nachvollziehen und ganz in die Atmosphäre der Geschichte eintauchen. Da fällt es wirklich schwer, das Buch zwischendurch zur Seite zu legen, und man ist beinahe gezwungen, es am Stück zu Ende zu lesen.
Figuren
Joe O’Loughlin ist der Protagonist dieser Serie und trägt sie praktisch allein, so echt wirkt er. Als Psychologe hat er beruflich eigentlich alles im Griff, leider läuft es aber privat gerade ziemlich schief. Seine Frau hat sich von ihm getrennt, ohne dass er genau weiß, warum, seine 14-jährige Tochter steckt mitten in der Pubertät und macht, was sie will, und körperlich macht ihm seine Parkinson-Erkrankung immer mehr zu schaffen. Sehr authentisch hat Michael Robotham Joes „Leben“ fortgeführt, ihm eine glaubwürdige Geschichte gegeben und ihn so zu einem der sympathischsten Ermittler gemacht, die mir in der Literatur bisher untergekommen sind.
Auch die anderen Figuren bekommen unter den Händen des Autors ein eigenes Leben, selbst Randfiguren wie die in Siennnas Fall ermittelnde Polizistin Ronnie Cray sind dreidimensional dargestellt, so dass sie absolut glaubwürdig ankommen. Das gilt in diesem Roman auch für den Ex-Polizisten Vincent Ruiz; war er zuletzt doch etwas klischeehaft gezeichnet und so in eine Schublade gesteckt worden. Dieses Mal bekommt er mehr Raum, kann seinen Charakter entfalten und fast zum Sympathieträger werden. Auch die schwierige Gemütslage von Charlie, Joes Tochter, sowie ihrer Freundin Sienna versteht der Autor perfekt zu erfassen, hier hat sich jemand wirklich in seine Figuren hineinversetzt. So machen Thriller Spaß!
Aufmachung des Buches
Das gebundene Buch zeigt auf dem Schutzumschlag vor weißem Hintergrund einen durchsichtigen Stoffschal, der von einer Stecknadel durchstochen wird. Darunter ist der Titel in dunkelroten, etwas krakeligen Buchstaben geprägt gedruckt, so als ob sie jemand mit Blut auf eine Wand geschmiert hätte. Sehr gruselig und passend …
Innen gibt es neben einem Prolog und einem Epilog insgesamt 52 recht kurze Kapitel.
Fazit
Erneut hat sich Michael Robotham einen sehr komplexen, von Anfang bis Ende spannenden Fall ausgedacht, in dem Joe O’Loughlin alles geben muss, um die Wahrheit herauszufinden. Das Warten hat sich gelohnt, wer gut konstruierte Geschichten mit viel Hintergrund und starken Charakteren mag, ist hier gut aufgehoben.
Hinweise
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Backlist:
Band 1: Adrenalin
Band 2: Amnesie
Band 3: Todeskampf
Band 4: Dein Wille geschehe