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Kategorie: Romane

Tarziana, die als Journalistin dieses Pseudonym verwendet, fragt sich, als sie das “Muttermuseum” besichtigt, wie kann es sein, dass eine Mutter ihr Kind in einem Heim während der Flucht 1945 zurücklässt? Warum hat Herr Stachkowski, den Tarziana im „Muttermuseum“ kennenlernt, eine so enge Beziehung zu seiner Mutter auch über deren Tod hinaus? Tarziana stößt bald auf ein Familiengeheimnis. Sie verliebt sich in Herrn Stachkowski, obwohl sie vom Alter her seine Tochter sein könnte. Kann das auf Dauer gut gehen? Warum spürt sie diese Anziehungskraft zu ihm, die nicht nur eine Verliebtheit ist? Sie hat eine Vision, dass sie ihn aus einem früheren Leben her kennt. Tarziana verliert ihren Job als Journalistin und schlägt sich mit verschiedenen Arbeiten durch. Dabei macht sie aus der Not eine Tugend und wählt sich Wallraff als Vorbild. Nach einer Reise mit Erich-August Stachkowski auf den Spuren seiner Mutter ins ehemalige Westpreußen geht es nach Mexiko, denn Tarziana verehrt Frida Kahlo und will sie malen. Wieder in Berlin lernt sie Pedro, den Kunstmaler, kennen, der in ihrem Alter ist, und verliebt sich in ihn. Für wen entscheidet sich Tarziana?

 

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Autor: Reinhild Paarmann
Verlag: Wolfgang Hager Verlag
Erschienen: 2011
ISBN: 978-3900578-19-0
Seitenzahl: 359 Seiten

 

Die Grundidee der Handlung
„Muttermuseum“ ist laut Klappentext als Liebesroman konzipiert, obwohl die Liebe und die Entscheidung der Heldin des Buches zwischen dem viel älteren Herrn Stachkowski und dem jungen Kunstmaler Pedro nicht das Hauptthema des Romanes ist, sondern eher den Schluss markiert. Tarziana, die eigentlich Jane heißt und sich als Journalistin mehr schlecht als recht durchschlägt, wittert in dem „Muttermuseum“, das Herr Stachkowski zum Andenken an seine Mutter in deren Haus betreibt, eine Story für ihre Zeitung. Sie taucht tief in die Geschichte Herrn Stachkowskis ein und verliebt sich dabei in ihn. Herr Stachkowski, der auf Anraten Tarzianas professionelle Hilfe aufgrund seines Mutterkomplexes sucht, möchte eine Reise auf den Spuren der Mutter in Westpreußen unternehmen, auf der Tarziana ihn begleitet. Beide treibt die Neugier, um herauszufinden, warum die Mutter ihr Kind im Krieg zurückgelassen hat und allein aus Westpreußen flüchtete. Nach dieser Reise, will sich auch Tarziana einen Lebenstraum erfüllen und wandelt mit Erich-August Stachkowski in Mexiko auf den Spuren Frida Kahlos. Zurück in Berlin beginnt sie Kunstunterricht zu nehmen und kommt dem jungen Pedro, der sie unterrichtet, näher.

Thematisch ist das Buch sehr breit angelegt: neben einer Liebesgeschichte erzählt die Autorin das Leben einer im Krieg Vertriebenen. Hinzu kommen Ausflüge in andere Zeiten und Länder, die Frau Paarmann in den Reinkarnationsgeschichten angelegt hat. Allerdings wäre hier weniger mehr gewesen, wie im folgenden erläutert wird:


Stil und Sprache
Das Buch Reinhild Paarmanns bietet wie gesagt thematisch ein großes Potential. Allein die Geschichte der Vertreibung der Mutter und deren Schicksal in den Kriegs- und Nachkriegsjahren, die aus der Perspektive der Mutter geschildert sind, gepaart mit dem heutigen Leben des Sohnes hätte eine kompakte Handlung abgegeben. Durch die zusätzliche Kombination mit Tarzianas Vergangenheit und ihren Reinkarnationen sowie zahlreichen Nebenhandlungen und Einschüben, die sich um die Geschichten der weiteren Verwandschaft Herrn Stachkowskis ranken, sowie einem lebhaften Wechsel der Erzählebenen und Perspektiven, hat die Autorin leider den roten Faden des Romans fallen gelassen. Der Leser muss sich sehr konzentrieren, auf welcher Erzählebene er sich gerade befindet. Besonders die Erlebnisse in den Nebenhandlungen der Reinkarnation der Hauptprotagonistin stören die Handlung mehr, als dass sie diese spannend und ereignisreich machen, da die Erlebnisse aus früheren Leben keine direkten Auswirkungen auf die eigentliche Geschichte haben und somit kaum oder nicht nachvollziehbar die Motivation der Figuren beeinflussen. Daher bleibt das Buch stilistisch weit hinter seinen Möglichkeiten zurück.

In Passagen, in denen es der Autorin gelingt, einen roten Faden zu spinnen und eine zusammenhängende Erzählweise durchzuhalten, wird auch Spannung erzeugt. Dies ist vor allen Dingen in der „Vertreibungsgeschichte“ der Mutter der Fall. Andere Phasen des Buches langweilen durch langwierige Beschreibungen (wie z.B. seitenweise Dialoge über Bilder, die sich Herr Stachkowski und Tarziana gemeinsam im "Muttermuseum" anschauen, zu denen der Leser allerdings keinen Bezug aufbauen kann). Mitunter ist der Leser auch verwirrt, so dass es ihm zunehmend schwerer fällt, der Geschichte zu folgen. Wie bereits angedeutet, tragen auch die Dialoge zur Verwirrung bei, da der Leser sich ständig überlegen muss, wer spricht. Das liegt vor allen Dingen daran, dass die direkte Rede oft nicht mit Verben ein- oder ausgeleitet wird.
Ein weiteres stilistisches Merkmal des Buches, das aus meiner Sicht eher unglücklich gewählt ist, ist die Zeit. Die Geschichte ist überwiegend im Präsens geschrieben, wohl um Unmittelbarkeit zu erzielen und den Leser von Anfang an in die Geschichte zu "ziehen". Dies misslingt aber überwiegend, vielmehr entsteht der Eindruck, dass Ereignisse einfach aneinander gereiht sind. Dies wird auch dadurch verstärkt, dass Dialoge und Sätze oft holprig formuliert sind oder direkt hintereinander stehen und keinen unmittelbaren Bezug zueinander haben.

Anhand der doch reichlich gestreuten Druck- oder Schreibfehlern lässt sich erahnen, dass ein Lektorat oder ein Korrekturlesen nicht stattgefunden hat.


Figuren

Besonders auffallend ist, dass das Buch von Nebenfiguren nur so wimmelt. Die drei Hauptprotagonisten Tarziana, Erich-August und dessen Mutter lassen sich zwar eindeutig ausmachen, aber der Leser fragt sich zwischendurch, warum alle Cousinen, Brüder, Onkel und Tanten notwendig sein sollen, da sie eigentlich recht wenig mit der Geschichte zu tun haben. Auch die Hauptfiguren selbst bleiben über weite Strecken der Erzählung zu blass. Man erwartet von einem guten Roman zumindest, dass man sich emotional involviert fühlt und Gefühle nicht einfach nur mitgeteilt werden. Betrachtet man z.B. die Liebe zwischen Tarziana und Erich-August, so wird diese vermittelt, indem sich die Hauptfigur fragt, warum er eine solche Anziehungskraft hat, „die nicht nur eine Verliebtheit ist?“ Das ist „tell not show“, denn von einer Verliebtheit zwischen beiden ist zwischen den Zeilen nichts zu spüren.
Auch die eigentliche Konzeption der Figuren wirft mehrere Fragen auf. In die Hauptfigur sind Konfliktpotentiale hineingelegt, die aber nicht zu Ende gedacht oder in dem Buch einfach nicht behandelt werden. Die Tatsache, dass Tarziana als Kind von ihrem eigenen Vater missbraucht worden ist, hätte ja als Konfliktpotential zwischen ihr und dem viel älteren Partner dienen können. Stattdessen wird die Beendigung der Beziehung lapidar mit dem großen Altersunterschied erklärt, obwohl dies vorher in der Partnerschaft nicht zu erkennbaren Konflikten geführt hatte. Man fragt sich auch, ob der Missbrauch durch den Vater zu dem Selbstmordversuch der Heldin geführt hat, der am Anfang des Buches beschrieben wird.

Die Motivation der Figuren bleibt immer ein bisschen im Dunkeln, was sie platt und eindimensional erscheinen lässt. Zeitweilig verlieren sie sogar an Glaubwürdigkeit, besonders, wenn es um die Deutung der früheren Leben geht. Eine Reinkarnationsgeschichte beginnt z.B. damit, dass Tarziana in einem Müncher Hotel übernachtet und dabei träumt, sie habe in einem früheren Leben in einem Münchner Bordell gearbeitet. Zwei Seiten weiter heißt es: „Jetzt weiß sie auch, dass dies im 17./18. Jahrhundert gewesen sein muss.“ Woher weiß sie das plötzlich? Hat sie das an der Traum-Umgebung erkannt? Oder an der Kleidung? Da sich die Motivation der Figuren dem Leser nicht aufdrängt, führt dies leider dazu, dass sich der Leser mit der Hauptfigur weder identifizieren kann noch einen Bezug zu ihr aufbaut. Man hat über weite Teile des Buches eher das Gefühl sich an einer Zusammenstellung von Klischees abzuarbeiten: als Kind misshandelte, linke Aktivistin verliert ihren Job und schlägt sich als Wallraff-Autorin durch, bis sie die große Liebe findet.


Aufmachung des Buches

Das Buch ist als Taschenbuch erschienen. Beim Cover hat der Verlag ein etwas glücklicheres Händchen bewiesen, als in der sprachlichen und inhaltlichen Betreuung des Buches. Auf dem Einband, der in unterschiedlichen Brauntönen wie eine alte Tapete wirkt, ist ein altes Schwarz-Weiss-Foto aufgedruckt, das eine Familie in der typischen Nachkriegsaufstellung im Kreise der fünf Kinder zeigt. Das Bild ist vierfach dupliziert und übereinanderlappend angeordnet. Der Titel des Romans ist in einer Handschrift-ähnlichen Schrift gedruckt, was wiederum gut zum Titel „Muttermuseum“ und dem nostalgischen Gesamtbild passt. Auf der Rückseite ist neben dem Klappentext ein Foto der Autorin abgedruckt, wohl von einer Urlaubsreise. Hier hätte man eine etwas professionellere Gestaltung wählen können, zumal auch der Klappentext zwei Druckfehler enthält, die einfach überklebt sind. Das hätte sicher durch eine Korrektur vor Drucklegung vermieden werden können.


Fazit

Wie bereits eingangs erwähnt, wäre im Buch „Muttermuseum" weniger mehr gewesen. Schade, dass der Autorin keine stringentere Konzeption der Geschichte gelungen ist. Weniger, aber dafür sauber erzählte Konflikte, die zu einer nachvollziehbaren Motivation der Firguren geführt hätten, hätten sicher viel bewirkt, zumal ein Großteil der Story dafür durchaus Potential besessen hätte. Auch sprachlich und stilistisch ist das Buch leider nicht zu empfehlen.


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Hinweise

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