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Kategorie: Kinder- und Jugendsachbücher

Politik muss nicht staubtrocken und langweilig sein. Im Gegenteil: Versteht man erst mal die Zusammenhänge und erkennt die Hintergründe, kann es sogar richtig spannend werden. Man braucht nur jemanden, der einem Grundlagen und Spielregeln einleuchtend erklärt. Marietta Slomka, Frontfrau des ZDF heute journals, macht das so geistreich und unterhaltsam, dass in Zukunft jeder mitreden möchte, wenn es heißt:

Ein umfassendes und kurzweiliges Buch, das mit Sicherheit Lust macht auf mehr ... mehr Politik!

 

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Autor: Marietta Slomka/ Daniel Westland
Verlag: cbj
Erschienen: 2009
ISBN: 978-3-570-13555-6
Seitenzahl: 288 Seiten
Altersempfehlung: 12 – 15 Jahre


Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe
Die Autoren haben den Anspruch Kindern und Jugendlichen Politik und wie sie funktioniert zu erklären, aber kann man das für die angegebene Altersgruppe überhaupt? So, dass sich alle angesprochen fühlen? Sind da die Unterschiede nicht doch zu groß? Also eine ganze Menge Fragen, die sich mir stellten, ehe ich anfing zu lesen. Um es vorwegzunehmen: es gelingt nicht ganz, denn der Text richtet sich mehr an ältere Leser, ist für 12-jährige zu komplex und umfangfreich, außerdem wird einiges an Wissen bereits vorausgesetzt. Für die Jüngeren also nur geeignet bei ausgeprägtem politischen Interesse.
Das Inhaltsverzeichnis allein ist schon sehr ausführlich und es gibt vier große Themenbereiche:

Alle sind nochmals stark untergliedert. Sucht man ein bestimmtes Schlagwort, so ist das Inhaltsverzeichnis sehr hilfreich und obwohl das Buch kein Lexikon ist, kann es doch ein wenig wie ein solches benutzt werden.

Wer der beiden Autoren nun welchen Artikel verfasst hat, lässt sich nicht sagen, stilistisch ähneln sie sich alle, wobei auffällt, dass zu Beginn der Stil arg angestrengt wirkt und deshalb auch anstrengend zu lesen ist. Wer auch immer diesen Teil verfasst hat, bemüht sich sehr, für die Zielgruppe verständlich zu schreiben. Man beugt sich zu den Lesern hinab, erklärt Fachjargon bewusst umgangssprachlich, möchte locker und cool daher kommen, kumpelhaft ("Hey, ich weiß auch nicht viel mehr als du"). Wer von den Kindern und Jugendlichen nimmt ihnen das ab? Vor allem liest man ja das Buch, um etwas zu erfahren, im besten Sinne dazu zu lernen. Lehrer, die sich so anbiedern, haben selten die Chance den Respekt der Klasse zu erhalten.
Wie man's richtig macht zeigt Richard von Weizsäcker in einem der immer wieder eingestreuten Interviews. Da spricht einer auf Augenhöhe mit seinen Lesern - und so verrückt das auch scheint, danach reden auch die Autoren anders mit ihrem Publikum.

Um die Leser bei der Stange zu halten wird der Text immer wieder durch Anekdoten, farbig unterlegte Infokästen, besondere Themen (als "Exklusiv" gekennzeichnet) und viele Fotos aufgebrochen. Der Informationsgehalt lässt, was die ersten beiden Kapitel anbelangt, nichts zu wünschen übrig: Basiswissen, Begriffsklärung, Hintergründe und Insiderkenntnisse werden in umfassender Weise ausgebreitet und gut verständlich erklärt. Auch das "Wie" kommt nicht zu kurz – was tun Lobbyisten, was hat es mit Parteispenden auf sich und wie ist das eine mit dem anderen verknüpft, und vor allem wieso?
Die Europapolitik wird dagegen schon schneller abgehandelt. Allerdings wird gerade in diesem Kapitel klar, weshalb so viele Menschen in Europa europamüde geworden sind. Es gibt allein drei Gremien, die (vereinfacht) Europarat genannt werden- "Europäischer Rat", "Rat der Europäischen Union" und eben der "Europarat" - da soll sich noch einer auskennen. Allerdings muss ich hier an dieser Stelle schon anfangen etwas zu meckern, denn es wird einfach von den Autoren vorausgesetzt, dass die Leser wissen was der "Vertrag von Lissabon" ist. Das wissen selbst viele Erwachsene nicht so ganz genau. Hier werden die Autoren ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht.

Im abschließenden Kapitel widmen sich die beiden Autoren der Weltpolitik. Das ist natürlich ein sehr weites Feld. Zunächst wird wieder genau wie zuvor erläutert welche Institutionen weltweit Geltung haben, also UNO, G8 usw. So weit so gut, aber dann wird es arg oberflächlich. "Warum gibt es eigentlich immer noch Kriege?" - ein Thema, das ein ganzes Buch füllen könnte, wird  hier auf ein paar Seiten abgehandelt, einschließlich des Nah-Ost- Konflikts.

Nach der Vorstellung der fünf drängendsten aktuellen Probleme, bricht das Buch sozusagen "mittendrin" ab. Ich war ziemlich überrascht, dass da nichts mehr kam, kein Fazit, einfach nichts. Hier haben Slomka und Westland die Kinder und Jugendlichen einfach alleine stehen lassen und die im Klappentext versprochenen Lösungsvorschläge fehlen. Das hat mich nun doch geärgert, so macht man den Lesern keine Lust auf Politik, auch wenn man selbst noch so begeistert davon ist.
Wie wenig ausgefeilt das Kapitel Weltpolitik ist, merkt man auch an den sich häufenden Grammatikfehlern und Wortdopplungen. Auch hier die Frage wie zu Beginn bei Weizsäcker-Interview: Was bewirkt was? Ich finde es schade, dass sich die Macher gegen Ende des Buches weniger Mühe gegeben haben, als in den voran gegangenen Kapiteln.


Aufmachung des Buches
Das in blauer Farbe eingebundene Buch verfügt über einen Schutzumschlag mit einem etwas schwer zu beschreibenden Cover. Ins Auge fallen der Titel und das Foto von Marietta Slomka; dahinter eine Collage von Aufnahmen aus dem Bundestag, Spitzenpolitikern und der Europafahne, nicht zu vergessen die 3 Euromünzen an der Grenze zum unteren Drittel des Covers.
Mit dem Register und Bildnachweisen schließt das Buch.


Fazit
Für viele Menschen ist Politik ein Buch mit sieben Siegeln und Politiker schon fast ein Schimpfwort, dieses Buch räumt damit auf und schafft es, trotz der oben angeführten Mängel (vornehmlich in den letzten beiden Kapiteln) Politik verständlicher und durchschaubarer zu machen, Vorurteilen Fakten entgegen zu setzen. Deshalb sollten nicht nur Kinder und Jugendliche das Buch lesen, sondern auch Erwachsene. Ich verbinde damit die Hoffnung, dass es der sich ausbreitenden Demokratiemüdigkeit entgegen wirkt und sich wieder mehr Menschen bewusst werden, welch kostbares, schützenswertes Gut unsere Demokratie darstellt.


3 5 Sterne


Hinweise
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