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Kategorie: Thriller

Das Böse schläft direkt nebenan …

Eine junge Frau verschwindet mitten in der Nacht – ohne jede Spur. Hübsch, blond, liebevolle Ehefrau und Mutter, Lehrerin, beliebt bei ihren Schülern. Als Detective Sergeant Warren das Haus in der idyllischen Vorstadtsiedlung Bostons betritt, scheint der Fall klar: intakte Schlösser, keine Spuren eines Kampfes oder Einbruchs – Sandra Jones hat ihre Familie verlassen. Die Medien stürzen sich auf den Fall. Und schon bald sieht alles anders aus: Der Ehemann benimmt sich höchst verdächtig, die Tochter hütet ein Geheimnis, Nachbarn und Bekannte verstricken sich in Widersprüche. Und auch Sandra Jones‘ Fassade bröckelt …

 

Ohne_jede_Spur 

Originaltitel: The Neighbor
Autor: Lisa Gardner
Übersetzer: Michael Windgassen
Verlag: rowohlt
Erschienen: 08/2011
ISBN: 978-3499255571
Seitenzahl: 544 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Der Rückentext gibt den Inhalt dieses Thrillers ziemlich umfassend wieder, so dass an dieser Stelle auf weitere Details verzichtet werden kann. Lisa Gardner hat es geschafft, mit einer simplen Grundidee ihr Leser über mehr als 500 Seiten hinweg in ihren Bann zu ziehen. Durch immer neue Wendungen wird der Leser zum Miträtseln angeregt, trotz wenig echter Handlung bleibt die Geschichte spannend bis zum Schluss. Leider ist gerade dieser mit einer ebenso banalen wie konstruiert wirkenden Auflösung der große Schwachpunkt des Romans und verhindert eine bessere Wertung.


Stil und Sprache
Lisa Gardners Romane zeichnen sich trotz ihrer spannenden Handlung durch einen leichten, zügig zu lesenden Stil aus. So rutscht man direkt auf den ersten Seiten mitten ins Geschehen hinein und kann abwechselnd Detective Sergeant D.D. Warren, den trauernden Ehemann Jason Jones oder aber auch den verurteilten Sexualverbrecher Aidan Brewster beobachten, die alle sehr detailliert aus ihrer Sicht die Lage schildern. Dazwischen gibt es außerdem immer wieder in kursiver Schrift gedruckte Abschnitte, in denen Sandra Jones ein bisschen wie aus dem Reich der Toten über den Dingen schwebend ihr Leben erzählt. So kommt auch ohne große Action ein straffes Tempo in die Handlung, so dass man sich irgendwann dabei ertappt, die Seiten immer schneller umzublättern, nur um zu wissen, wie das Ganze nun ausgeht.
Und genau hier liegt dann der Knackpunkt: Das Ende und die Auflösung des so kunstvoll gewobenen Netzes ist derart dick aufgetragen, dass man sich von jetzt auf gleich in eine Seifenoper versetzt fühlt. Hat sich Lisa Gardner bis hierhin viel Zeit genommen, sehr detailliert erzählt und vor allem gut recherchiert (beeindruckend: die Befragung der kleinen Ree), so handelt sie nun alle Erklärungen dazu auf wenigen Seiten ab, wichtige Details gehen in Nebensätzen unter und plötzlich ist es vorbei. Da sitzt man dann mit einem Buch, das so vielversprechend angefangen hat, und auf einmal ist es doch nur Thriller-Fastfood. Schade.


Figuren
Auch hier zeigt uns die Autorin zwei Extreme: Einige Figuren wirken authentisch, lebendig und echt, andere wiederum wie Abziehbilder ihrer selbst. Sandra Jones etwa kommt in der real geschilderten Handlung nur sehr begrenzt vor, trotzdem hat man als Leser aufgrund ihrer Schilderungen der Umstände, die zu ihrem Verschwinden führten, ein recht deutliches Bild von ihr vor Augen. Auch ihr Mann Jason ist – so geheimnisvoll dargestellt er auch sein mag – stets präsent und wunderbar spannend. Er behält seine Geheimnisse bis zum Schluss und übt damit eine große Anziehungskraft aus. Auch seine kleine Tochter Ree hat ihren ganz eigenen Kopf und ist für ihre vier Jahre ausgesprochen frühreif, aber trotzdem wirkt sie echt und in ihren Reaktionen nachvollziehbar.

Dagegen ist Detective Sergeant D.D. Warren so klischeebehaftet dargestellt, dass sie fast als Karikatur einer amerikanischen Polizistin durchgehen würde. Blond, groß und gutaussehend, unfreiwillig solo und mit allen gängigen Vorurteilen ausgestattet, stolpert sie ziemlich unbedarft und ruppig, aber dennoch selbstbewusst bis zum Anschlag durch das Szenario, ohne wirklich etwas zu erreichen. Sie wirkt auf mich wie ein schmückendes Beiwerk zu einem Fall, der sich am Ende eher selbst löst, als dass sie etwas dazu beigetragen hätte.

Aidan Brewster hingegen ist zwar gut dargestellt, seine Rolle in diesem Fall aber so durchschaubar, dass man ihn getrost unter „ferner liefen“ abhaken kann. Auch ein paar weitere Randfiguren sind zwar für die Handlung erforderlich, aber offenbar auch von der Autorin etwas vernachlässigt worden.


Aufmachung des Buches
Das Taschenbuch zeigt auf dem Cover das in einen schwarzen Rahmen gefasste Gesicht einer jungen Frau, von dem fast nur die Augen sichtbar sind. Farblich verfremdet sticht es in verschiedenen Gelbtönen hervor. Titel und Autorenname sind in fetten, schwarzen Lettern ausgeführt. Innen gibt es 37 nummerierte Kapitel von unterschiedlicher Länge.


Fazit
Wer sich an einem etwas platten Ende mit schwerfällig konstruierter Auflösung nicht stört, kann mit diesem Thriller durchaus ein paar unterhaltsame Stunden verbringen. Lisa Gardner hat jedoch schon deutlich Besseres abgeliefert und kommt hier kaum über eine Durchschnittsbewertung hinaus. Als Zwischendurch-Thriller-Häppchen ist „Ohne jede Spur“ aber durchaus genießbar.


3 5 Sterne


Hinweise
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Backlist:
Band 1: Lauf, wenn du kannst
Band 2: Kühles Grab