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Die schöne junge Cécile, Frau des Gardeoberst Pierre von St. Arnauld, lebt in einer unglücklichen Ehe. Als sie bei einem Kuraufenthalt den ungestümen Zivilingenieur Robert von Gordon kennenlernt, scheint sich das Blatt zu wenden. Doch ihr Vorleben holt sie ein. 

 

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Autor: Theodor Fontane
Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag
Erschienen: 1. Juni 2011
ISBN: 978-3423140003
Seitenzahl: 272 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Wie schon „Effi Briest“ oder „Irrungen und Wirrungen“, ist auch „Cécile“ ein Sittengemälde, eine Wiedergabe des Gesellschaftslebens und dessen scheinheiliger Moralvorstellungen im späten 19. Jahrhundert. Was früher gesellschaftliche Missachtung hervorrief, würde heute kaum jemanden interessieren. Fontane gibt – wieder einmal – Einblick in das Leben der Frauen in seiner Zeit, die nicht nur tatsächlich, sondern auch gesellschaftlich eng in ein Korsett gepresst wurden. Mit Cécile, die eine unglückliche Ehe führt und durch den jungen Robert von Gordon endlich wieder ein positives Lebensgefühl erhält, zeigt Fontane, dass es für die Frau damals nicht so einfach war, ein glückliches und vor allem selbstbestimmtes Leben zu führen, wenn sie gesellschaftlich "gebranndmarkt" waren.


Stil und Sprache
Fontane ist ein Zeichner und Maler mit Worten. Der Großteil von „Cécile“ spielt im Harz und dass Fontane eine besondere Liebe zu diesem Gebiet hat, wird in diesem Buch nur all zu deutlich. Mit „Cécile“ hat Fontane, ähnlich wie in „Effi Briest“ oder auch „Frau Jenny Treibel“ die soziale Stellung der (Ehe)Frau und deren vorausgesetztes Verhalten genau analysiert und sehr treffend wiedergegeben.
Im Hotel Zehnpfund im Harz beginnt das Schauspiel, deren Hauptakteure das renommierte Ehepaar St. Arnaud und der Zivilingenieur Robert von Gordon sind. Mit viel Fingerspitzengefühl umschreibt der Autor die sich anbahnenden Gefühle zwischen Gordon und Cécile. Niemals beschreibt er direkt Liebesszenen, ja, erwähnt diese nicht einmal, sondern packt alles geschickt und dennoch für den Leser kristallklar zwischen die Zeilen – typisch Fontane eben. Der Leser, außenstehender Beobachter der Szenerie in der auktorialen Erzählung, bekommt das Gefühl, um über 100 Jahre zurückversetzt worden zu sein, so greifbar werden die Schauplätze. Die Stimmung, die zwischen melancholisch depressiv und erheiternd entspannt schwankt, bekommt der Leser schier körperlich zu spüren und wähnt sich mitten unter den Figuren.

Die wirklich sehr empathisch und glaubhaft geschilderten Begebenheiten dieses Dramas kommen aber erst im letzten Drittel so richtig in Schwung. Ist Fontane zwar bekannt für seine akribischen Beschreibungen von Umgebung und Umfeld, so hat er sich selbigen in diesem Werk in der ersten Hälfte doch etwas zu ausgiebig hingegeben. Die ersten beiden Drittel sind mehr Geplänkel und ausführlichste Landschaftsbeschreibungen, die zwar äußerst interessant, aber bremsend für das Vorwärtskommen der Ereignisse sind. Man vermisst etwas Schwung und so entwickelt sich die Geschichte etwas träge und verlangt vom Leser Geduld und Ausdauer. Als der Schauplatz vom Harz nach Berlin wechselt, wechseln aber Spannung und Tempo mit und bilden den Auftakt zu einem dramatischen Finale.


Figuren
Fontanes Figuren sind stets mit viel Feingefühl und sehr facettenreich ins Leben gerufen. Verhaltensweisen oder Tätigkeiten, die heute als banal und nicht einmal erwähnenswert gelten, wurden im 19. Jahrhundert entrüstet und mit Missbilligung zur Kenntnis genommen. Nebendarsteller gibt es genug bei Fontane und diese spielen - wenn auch nicht vordergründig, sondern nur um des besseren Verständnis willen - oft eine nicht unerhebliche Rolle bei der Charakterisierung der Protagonisten.
Cécile, die junge schöne Frau des alternden Gardeoberst St. Arnauld, hat eine Vergangenheit, die damals nicht selten zu einem Eklat führte. Durch ihre Heirat jedoch ist sie eine angesehene Frau, wenngleich nicht gerade glücklich. Dies wirkt sich bei Cécile auch körperlich aus, denn sie hat Probleme mit ihren Nerven, weshalb ihr Gatte mit ihr zur Erholung in den Harz fährt. So zurückhaltend und still Cécile ist, so dominant und von sich selbst überzeugt ist Pierre von St. Arnauld, der seine Frau mehr wie ein zartes naives Püppchen als eine erwachsene Frau behandelt. Und Robert von Gordon? Er ist von Cécile schon von der ersten Begegnung an fasziniert, weiß aber nicht recht, wie er mit ihrer „Vergangenheit“ umgehen soll, als er davon erfährt. So spitzt sich mit diesen so konträren Charakteren die Lage richtiggehend zu und endet furios.

Auch wenn Fontane sich stets lange in Nebensächlichkeiten zu verheddern scheint, so ist die Zeichnung seiner Charaktere auf höchstem Niveau und perfekt umgesetzt. Niemals braucht Fontane lange und beschreibende Erklärungen für Aussehen und Darstellung einer Figur. Dies geschieht scheinbar ganz nebenbei und ist doch so klar, als würde man einen Psychologen um eine Analyse bitten.


Aufmachung des Buches
Leider nur ein Taschenbuch. Die Neuauflagen von Autoren der klassischen Literatur kommen bestimmt zu 90% als Taschenbücher auf den Markt, was für einen Liebhaber und Sammler natürlich nicht ideal ist. Gerade Fontane ist ein Schriftsteller, dessen Bücher eine schöne gebundene Ausgabe verdienen, aber höchstwahrscheinlich werden die meisten Leser zu den günstigeren Varianten greifen.
Dennoch ist dieses Buch geschmackvoll aufbereitet und das impressionistische Landschaftsmotiv am zart mintfarbenen Umschlag passt auch ideal in die Zeit, in der das Buch spielt. Hat das Buch insgesamt gut 270 Seiten, so sind davon lediglich 180  mit Fontanes Geschichte bedruckt, auf den restlichen Seiten finden sich ein sehr ausführliches Nachwort und äußerst hilfreiche Erklärungen zu Anspielungen im Buch oder heute unbekannten Ausdrücken.


Fazit
Ein typischer Fontane. Eindringlich und auf den Punkt gebracht, spiegelt er auch mit „Cécile“ das gesellschaftliche Leben und deren engstirnigen moralischen Gesetze im späten 19. Jahrhundert wieder. Leider hat dieses Buch durch die Verirrung des Autors in der Landschaft des Harz' auch einige Längen und reicht so nicht an seine besten Werke heran. Dennoch ein sprachlich und erzählerisch wunderbares Werk, das nicht nur für Fontane-Fans ein „Muss“ ist.


4 Sterne


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