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Kategorie: Ab 10 Jahre

Hallo, mein Name ist Kai! Und das in dem Müllcontainer, das bin ich. Wie es kommt, dass ich in so einem Ding sitze? Das ist eine lange Geschichte und eigentlich nur eine von den vielen katastrophalen Katastrophen in meinem Leben. Schuld daran ist COOLMAN. Das ist dieser komische Typ, und jetzt wird’s kompliziert. Aber vielleicht fange ich lieber am Anfang an ...

 

Coolman und ich 

Autor: Rüdiger Bertram
Zeichnungen: Heribert Schulmeyer
Verlag: Oetinger Verlag
Erschienen: 2011
ISBN: 978-3-7891-3185-1
Seitenzahl: 188 Seiten


Die Grundidee der Handlung

Dieses Buch ist etwas ungewöhnlich, schon allein deshalb, weil es sich um einen Comic-Roman handelt. Das heißt, es gibt mitten in der Geschichte immer wieder Stellen, die als Comic weitererzählt werden. Mal ist es nur ein Bild, manchmal eine ganze Seite. Ebenfalls ungewöhnlich ist die Geschichte von Kai. Eigentlich ist er ein ganz normaler Junge um die 10 Jahre, wäre da nicht sein allgegenwärtiger Begleiter „Coolman“. Denn „Coolman“ ist eine nur für ihn existente und sichtbare Comicfigur! Das allein ist aber noch nicht genug, denn diese Figur macht nur dummes Zeug und erteilt die schlechtesten Ratschläge, die man sich nur wünschen kann. Kurz gesagt, wer so einen Freund hat, braucht eigentlich keine Feinde mehr. Trotzdem scheinen die beiden einander zu brauchen ...

Die Geschichte legt sofort richtig los, denn Kai saust gleich auf den ersten Seiten in einem Müllcontainer voller Joghurtbecher einen Berg hinunter, überholt dabei seine Lehrerin und landet mit Container und Bechern im Parkteich. Katastrophen dieser Art sind bei ihm an der Tagesordnung. Seine Eltern, beide Schauspieler, treten nackt öffentlich auf der Bühne auf – das ist richtig peinlich. Seine 16jährige Schwester - mit dem klangvollen Namen Antigone, genannt Anti (der Name ist Programm) - fährt heimlich Auto, versucht im Supermarkt zu klauen und feiert bei Elternabwesenheit wilde Partys. Kai verliert beim Schulschwimmen die Badehose, wird von der Polizei mitgenommen, landet in einer zwielichtigen Kneipe und kämpft mit der Zuneigung einer Mitschülerin. Und das ist nur ein Bruchteil dessen, was in dieser rasanten Geschichte alles passiert. Dieses Buch ist voll von kleinen und größeren Katastrophen, die Kai erfahren muss. Zum Glück kriegt er immer kurz vor knapp doch noch die Kurve und das Schlimmste kann verhindert werden.
Mitten drin in diesem Chaos ist Coolman, der Kai mit dummen Sprüchen und verrückten Ideen das Leben noch schwerer macht, als er es ohnehin schon hat. Das Ganze ist eine Mischung aus klassischem Slapstick, Roger Rabbit und Mein Freund Harvey. Es ist verrückt und zum Todlachen, denn Kai nimmt das alles mit staubtrockenem Humor und ganz viel Selbstironie auf sich. Und in der einen oder andern peinlichen Situation kann sich jeder Leser durchaus wieder finden.


Stil und Sprache

Der Roman ist für sehr gute Selbstleser gedacht. Die Schrift ist gut lesbar und sieht ein bisschen so aus, als hätte jemand den Text von Hand geschrieben, was diesen noch authentischer macht. Die Sätze sind teilweise verschachtelt und etwas länger, weshalb es schon ein wenig Leseübung braucht. Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von Kai in der ich-Form; Unterhaltungen sind in wörtlicher Rede geschrieben. Dadurch bekommt der Leser das Gefühl, er hocke bei Kai auf der Schulter und erlebe alles hautnah mit. Der Sprachstil ist sehr umgangssprachlich, auch das setzt ein Lesealter ab 10 Jahren voraus, da jüngere Kinder die Ausdrücke und Situationen teilweise nicht verstehen werden. „Echt cool, Deine Eltern ... Hätte ich Deinen Alten gar nicht zugetraut.“ (Seite 56) oder „Das erinnert mich daran, dass ich dringend pinkeln muss.“ (Seite 45). Zu dem Thema hat Coolman übrigens eine ganz tolle Idee – Kai könnte doch mitten im Theater in die leere Colaflasche pinkeln! Ja, genau so hilfreich ist er immer ...!
Der ganze Tonfall in diesem Buch ist sehr locker, die Leute reden so, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Einige Figuren haben einen ziemlichen „Slang“ drauf. „Wir versuchen schon die ganze Zeit die Mucke da rein zu kriegen.“ (Seite 90) „Wie geht’s, Alter?“...“Geht nicht, Alter.“ (Seite 51). Es wird nicht die ganze Zeit so geredet, aber Kai hat es schon häufiger mit nicht so intelligenten Leuten zu tun. Damit das gut zum Ausdruck kommt, benehmen diese sich auch entsprechend. Sie haben beispielsweise „eine Kippe im Mundwinkel“ und trinken Bier. Langweilig wird die Geschichte eigentlich nie. Es geht immer „mit Vollgas“ in die nächste Katastrophe. Dank Coolmans tollen Tipps, fragt Kai den Bürgermeister, ob er Probleme mit Kopfläusen hat, weil der Comicmann denkt „Small-Talk“ bedeute über „kleine Dinge“ zu sprechen. Auch hat Kai seinem imaginären Freund zu verdanken, dass die Frau vom Bürgermeister ohnmächtig wird, weil er eine ungelenke Verbeugung macht. Diese trifft leider die Dame – und zwar genau am Kopf. Ja, Kai hat es nicht leicht ... Das klingt teilweise ziemlich dramatisch, ist aber unglaublich witzig, weil es immer durch lustige Dinge aufgelockert wird. Zum Beispiel rutschen dem Bürgermeister dabei seine falschen Haare auf die Schultern. Die Kinder lachen sich kaputt über diese Art Missgeschick. Aber es passieren auch positive Dinge. Kai lernt einen renitenten Rentner kennen, der sich dann plötzlich als nett und hilfsbereit heraus stellt, und – auch er hat einen Comicmann „neben sich herlaufen“!

Die Comics sind schwarz-weiße skizzenhafte Tuschezeichnungen mit Sprechblasen. Das ist immer Coolmans Part. Dort kann er sich und seine dummen Ideen präsentieren. Dargestellt wird er mit Maske, Cape und einem großen „C“ auf der Brust, was ziemlich an Superman erinnert. Leider ist das ein trügerischer Eindruck, denn er ist so gar nicht heldenhaft ...

Die Mischung aus Comic und Roman ist genau aufgeteilt. Im Romantext erzählt Kai und in den Comics kann sich Coolman „produzieren“. Dadurch ist es auch absolut etwas für Lesemuffel, denn die schrägen Bilder peppen die ohnehin schräge Geschichte noch mal zusätzlich auf. Auch der trockene Humor macht es sehr leicht dieses Buch zu lesen. Durch das hohe Tempo in der Handlung merkt man gar nicht wie viel man schon gelesen hat. Die Missgeschickte, die Kai passieren, sind entweder total überzogen, dass sie nur noch lustig sind, oder absolut nachfühlbar. Kombiniert mit der lockeren Sprache hat alles einen sehr hohen Identifikationswert. Welches Kind in dem Alter kennt es nicht, dass man sich ständig bis auf die Knochen blamiert und versucht, möglichst heil wieder heraus zu kommen. Da wünscht man sich einen imaginären Freund, auf den man die Peinlichkeiten abwälzen kann. Außerdem bekommt die Geschichte durch den Comic-Einfluss so eine Art „Tom-und-Jerry-Charakter“, da lachen die Kinder auch über die heftigen Attacken, das passiert hier genau so.


Figuren

An erster Stelle haben wir die beiden Protagonisten Kai und Coolman. Kai hat es wirklich nicht leicht. Er hat eine pubertierende 16jährige Schwester, zwei nicht alltägliche, schauspielernde, super verständnisvolle Eltern und natürlich – Coolman. Einen Freund, den es eigentlich gar nicht gibt, den auch deshalb außer ihm niemand sieht und hört. Ansonsten kämpft Kai mit den üblichen Problemen eines Jungen seines Alters. Er schwärmt für ein Mädchen, aber es ist ihm unendlich peinlich, weshalb er sich ihr gegenüber anfangs ziemlich schlecht benimmt. Als er sie endlich hat, küsst er aus Versehen eine Andere und ist seine neue Freundin wieder los. Er wird von großen Jungs geärgert und von Gang-Mitgliedern aus seiner Schule malträtiert. Und er leidet unter den Missetaten seiner Schwester. Eigentlich ist er ein anständiger, netter Junge. Er versucht sogar andauernd die Fehler seiner Schwester wieder gerade zu biegen, wäre da nur nicht Coolman, der ihm immer wieder Tipps gibt, wenn Kai mal wieder nicht weiter kommt. Wenn er seine Ratschläge befolgt, kommt nichts Gutes dabei raus. Trotzdem braucht Kai Coolman irgendwie. Er ist quasi seine „Badbank“. Alle schlechten oder schlimmen Gedanken und Eigenschaften landen bei dem Comicmann. Er darf alles ungestraft denken, sagen und tun. Er ist ja nicht echt. Das ist natürlich praktisch. Er darf alles ausleben, was Kai nicht darf. So einen Freund hätte sicher jeder gerne mal.
In Kai kann sich, glaube ich, jedes Kind wieder finden. Das eine oder andere Problem - wie peinliche Eltern, eine nervende Schwester, Stress in der Schule, erstes Verliebt sein-  dürfte jedes Kind in dem Alter kennen. Kai hat einen absoluten Identifikationswert.

In der Nebenrolle, die 16jährige „große Schwester“ Anti. Nach ihrem Outfit zu urteilen würde ich sagen, sie ist ein Gruftie. Immer desinteressiert und auf Kollisionskurs zu den Eltern tut Anti alles, was sie eigentlich nicht darf. Sie feiert wilde Partys, fährt Auto und versucht im Supermarkt mit dem Einkauf zu türmen. Aber sie stellt sich auch beschützend vor ihren „kleinen Bruder“. Wenn es brenzlig wird „haut Anti ihn da raus“. Auch sie wirkt, trotz der etwas überzogenen Aktionen, sehr authentisch.


Aufmachung des Buches

Das Buch ist im A5-Format als Hardcover gebunden. Der Titel ist bunt, frech und lustig gestaltet. Es zeigt Kai und Coolman auf ihrer Irrfahrt im Müllcontainer. Aus dem Schriftzug schauen einen zwei Comic-Augen an – so bekommt man direkt ein Gefühl für den verrückten Inhalt des Buchs. Auf der Rückseite stellt Kai sich persönlich vor und gibt einen kleinen Einblick ins Buch. Wie schon erwähnt, sind auf fast jeder Seite schwarz-weiße Strichzeichnungen im Comic-Stil zu finden. Das Buch endet mit einer Comicstrecke, in der Coolman noch mal alle“ Highlights“ zusammenfasst und zu dem Schluss kommt „Es hätte ja alles noch schlimmer kommen können.“


Fazit
Ein sehr empfehlenswertes Buch für Kinder (besonders Jungen) ab 10 Jahre – rasant, lustig und ausgefallen. Damit begeistert man auch den größten Lesemuffel. Die perfekte Ferienlektüre. So macht Lesen richtig Spaß!


5 Sterne


Hinweise
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