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Christiane_Gref_klein


Hallo Christiane! Vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst, uns ein paar Fragen zu beantworten. Wovon lenken wir dich denn gerade ab?


Aber gerne doch. Ihr sorgt dafür, dass meine Bratkartoffeln, die ich auf dem Herd habe, schön cross werden. So mag ich sie am liebsten [lacht]


Erzähl uns doch von deinen Schreibanfängen: Wie hat es angefangen und wann begann die Phase, in der du ernsthaft daran gedacht hast, zu veröffentlichen?

Angefangen hat alles damit, dass ein Freund mich eine Kurzgeschichte lesen ließ, mit der er an einem Wettbewerb teilnehmen wollte. Das Thema fand ich so spannend, dass sich sofort eine eigene Geschichte entwickelte und in die Anthologie aufgenommen wurde. Das war 2005, glaube ich. Danach suchte ich nach geeigneten Plattformen im Web und fand die Schreib-Lust-Seite. Das System, dass Autoren gegenseitig ihre Geschichten bewerten, half mir enorm. Ans Veröffentlichen dachte ich nie explizit - es war der Prozess des Schreibens, der mich faszinierte.
Ein Jahr später schrieb ich meinen ersten Roman. Er wurde nie veröffentlicht, dafür aber mittlerweile um die zwanzig Kurzgeschichten. Über ein Schreibforum lernte ich Helmut Marischka, John Poulsen und Carsten Steenbergen kennen, mit denen ich die Autorengruppe „Drachenkinder“ gründete. Wir schrieben zusammen, betätigten uns aber auch als Herausgeber. Als Soloprojekte veröffentlichte ich einen historischen Roman, danach „Im Bann der Engel“ und schließlich einen Heftroman mit dem Titel „Kabuki“. Dann gibt es noch die „Autorengruppe ZwanzigZehn e.V.“, zu deren Vorstand ich gehöre. Das alles ist innerhalb von sechs Jahren passiert. Und ich denke nicht daran, mit dem Schreiben aufzuhören [lacht]


Gibt es einen typischen Schreibtag, von dem du uns berichten kannst?

Schreibtag trifft es gut - im Gegensatz zu einigen Kollegen schreibe ich tatsächlich am Tag. Meist beginne ich mittags, checke meine Mails und schaue nach, was ich mir für den Tag vorgenommen habe. Das kann eine neue Szene für den Roman sein oder ein Update meiner Homepage, ein Brainstorming für eine Kurzgeschichte, Lektoratsarbeit für befreundete Autoren oder Lesungsvorbereitungen. Doch nicht alles kann am Rechner erledigt werden; Ideen kommen plötzlich. Das kann im Wartezimmer vom Arzt geschehen oder unter der Dusche. Ich könnte nur die Wände hochgehen, wenn ich dann mein Notizbuch nicht greifbar habe.


Du hast zwei Kinder. Wie bekommst du alles unter einen Hut und wieviel Zeit nimmt das Schreiben in deinem Leben ein?

Das Schreiben hat sich Stück für Stück mehr Raum in meinem Leben ergaunert. Vor zwei Jahren gab es durchaus pro Woche drei bis vier komplett schreibfreie Tage. Heute schreibe ich täglich. Wie ich das unter einen Hut kriege? Irgendwie geht es! Ohne meinen Mann und meine Schwiegereltern wäre das allerdings nicht möglich. Sie unterstützen mich sehr.


Deine Webseite heißt 'Autorenkrise' – ein Name aus Erfahrung, wie du auf der Seite verrätst. Was sind deine Methoden, um eine Schreibblockade zu überwinden oder gar zu verhindern?

Ich saß an meinem ersten Roman, hatte eine Szene im Kopf und bekam sie nicht hin. Alles, was ich schrieb, war so schlecht, dass ich es umgehend in den virtuellen Reißwolf schob. Irgendwas wollte ich schreiben, also waren es die Texte für die Webseite.
Zum Glück gibt es ein gutes Rezept gegen Schreibblockaden: Man muss wissen, was genau man schreiben will. Es gibt Genies, die schütteln sich einen Roman aus dem Ärmel, ohne ihn vorzubereiten. Zu denen zähle ich keineswegs. Ein langer Text braucht eine Struktur. Für meinen Roman „Das Meisterstück“ schrieb ich die Grundidee in drei Sätzen auf, formulierte sie aus und unterteilte in Kapitel, die ich in zwei bis drei Sätzen zusammenfasste. Abschließend füllte ich hundert Karteikarten, auf denen ich nochmals die Handlung für etwa je drei Seiten notierte. Der Nachteil dieses starren Gerüsts ist, dass die Figuren sehr gut ausgearbeitet sein müssen, sie können sich nicht mehr während des Schreibens verändern. Platz für Einschübe fehlt ebenfalls. Aber für Autoren, die sich das erste Mal an einen langen Text setzen, ist dies die ultimative Möglichkeit, Blockaden zu umgehen.


Bei deinem Debüt 'Das Meisterstück' handelt es sich um einen historischen Roman, der in deiner Heimat Hanau spielt. Was hat dich angetrieben – die Liebe zur Geschichte allgemein oder die Faszination für die Lokalgeschichte?

Meine Schwiegermutter erzählte mir die Geschichte vom Hanauer Ratspokal, der 1880 verkauft wurde und dann verschwand. In den 1980er Jahren tauchte er bei einer Versteigerung auf. Hanauer Unternehmen und Bürger spendeten Geld, damit der Pokal nach Hanau zurückkehren durfte. Die Geschichte ließ mich nicht mehr los - es war geradezu, als wollte sie geschrieben werden. Einige Figuren in meinem Roman haben tatsächlich gelebt, andere erfand ich. Für Geschichte habe ich mich allerdings nie interessiert. In der Schule zählte der Geschichtsunterricht für mich zu den langweiligsten Fächern ... doch mein Ehrgeiz hinderte mich daran, das Projekt ad acta zu legen. Inklusive Recherche habe ich eineinhalb Jahre an dem Roman gearbeitet.


Der Protagonist ist ein Silberschmiedegeselle, dessen tägliche Arbeit du detailliert beschreibst. Hat er tatsächlich gelebt und wer hat dir bei der Recherche zu den Goldschmiedearbeiten geholfen?

Nein, der Hauptcharakter ist frei erfunden. Sein Meister, Hanns Rappolt, allerdings nicht – der war für die Erschaffung des Pokals verantwortlich. Für die Beschreibung der Schmiedekunst zog ich Fachbücher zu Rate und wenn ich nicht weiter wusste, half mir eine befreundete Goldschmiedin weiter.


Wie kam das Buch bei den Hanauern an? Schließlich beschreibst du ja einen Teil ihrer Lokalgeschichte – und es sind nicht immer die Schokoladenseiten, die du aufgreifst.

Die Hanauer freuen sich über das Buch. Ich erhalte sehr viel positives Feedback von Lesern, die aus der Region kommen. Da die Handlung im Dreißigjährigen Krieg angesiedelt ist, war klar, dass nicht nur Eitel Sonnenschein herrschte. Es war die Zeit, in der Niederländer und Wallonen sich in der Stadt niederließen. Sie bauten prächtige Häuser in der Neustadt, während im alten Teil die Gebäude sehr eng standen. Dann gab es noch das Judenviertel. Dieser Völkermix führte zu einigen Streitigkeiten.


War es schwierig, sich in die Zeit von 1621 hineinzuversetzen?

Anfangs schon, während des Schreibens ging es allerdings immer besser. Man muss sich das mal vorstellen: Es gab keine Toiletten, der Unrat wurde auf die Straße gekippt. Die Kinzig floss um die Altstadt herum, das muss im Sommer ganz schön gestunken haben. Auch der Bildungsgrad der Menschen und ihre Weltanschauung unterschieden sich gravierend von der Moderne.


Nach 'Das Meisterstück' hast du einen kurzen Ausflug in die japanische Fantasy gemacht und danach einen Steampunk-Roman veröffentlicht. Legst du dich nicht gerne auf ein bestimmtes Genre fest? In welchem Bereich ist dir das Schreiben leichter gefallen?

Das stimmt, ich lege mich nicht gerne fest – demnächst möchte ich auch ein Kinderbuch schreiben. Neugier und Fantasie locken mich in viele Bereiche. Doch egal ob Fantasy, Horror oder Historisches, die Grundprinzipien des Schreibens muss ich stets beherzigen. Die Charaktere müssen schlüssig handeln, der Aufbau der Welt – egal ob fiktiv oder real – muss mir bekannt sein, die Geschichte muss interessant genug sein, um die Leser zu unterhalten. Daher fallen mir alle Genres gleich schwer oder gleich leicht. Nur Sachbücher könnte ich nicht schreiben, die lese ich lieber.


In 'Im Bann der Engel' geht es um ein geheimes Forschungslabor und mechanische Engel, gewürzt mit einem gehörigen Schuss Erotik – eine ungewöhnliche Zusammenstellung. Wie bist du auf diese Geschichte gekommen? Was gefällt dir am Steampunk-Genre, das sich ja stark auf dem Vormarsch befindet?

Die Geschichte hat sich aus einigen Telefonaten mit meiner Verlegerin Jennifer Schreiner ergeben.
Das mit dem Steampunk war ihre Idee. Da bei Elysion-Books Bücher mit erotischem Inhalt verlegt werden, war von Anfang an klar, dass Erotik auch in meinem Roman eine wichtige Rolle spielen sollte.
Ich liebe Filme, wie „Sky Captain and the World of Tomorrow“ oder „Hellboy“. Gerade die Mischung aus Technik und verschnörkelten Elementen, die den Steampunk ausmacht, finde ich spannend.


Einige der Charaktere aus dem Buch sind sehr bösartig, beispielsweise Madame Hazard oder der Engel Marcellus. Geht dir das persönlich gegen den Strich?

Generell finde ich Bösewichte in Filmen und Büchern sehr interessant. Es macht auch mal Spaß, sich in dieser Hinsicht als Autor auszutoben. Allerdings knirschte ich schon mal mit den Zähnen, wenn die Handlung des Protagonisten eine Racheaktion des Antagonisten verlangte. Da taten mir meine Helden schon leid.


Die Guten kriegen sich am Ende zwar, aber es ist ein bittersüßes Finale. Wolltest du keine Hochzeitsglocken à la Hollywood?

Das wäre völlig unrealistisch gewesen. Nach der Hölle, durch die ich Elena und Amenatos habe gehen lassen, kämen sich die Leser veräppelt vor, wenn ich ihnen ein Hollywood-Ende beschert hätte.


Das Ende lässt Raum für Spekulationen, einige Dinge werden außerdem im ersten Band nicht eindeutig geklärt. Ist eine Fortsetzung geplant?

Ja, ich bin gerade dabei, das Exposé für einen Folgeband auszuarbeiten.


Wie eng ist die Bindung, die du mit deinen Figuren eingehst? Bist du jemand, der schon mal Tränen vergießt, wenn er jemanden sterben lässt?

Von manchen Menschen verabschiede ich mich leicht und einige möchte ich um nichts in der Welt ziehen lassen. So ist das mit meinen Figuren auch. Als ich einen geliebten Charakter in „Das Meisterstück“ habe sterben lassen, da kullerten schon die Tränen.


Momentan arbeitest du zusammen mit einer Co-Autorin an deinem nächsten Projekt. Wie ist es für dich, mit jemandem zusammen zu arbeiten?

Ich liebe die Zusammenarbeit mit anderen Autoren. Es ist kein Neuland für mich, da ich ja mit den Drachenkindern bereits einen Gruppenroman geschrieben und nur gute Erfahrungen aus dem Projekt mitgenommen habe.
Zum neuesten Projekt kann ich nur sagen: Meike Schwagmann ist wirklich ein Schatz. Wir sind beide gleichermaßen fasziniert von unserer Idee und die Kommunikation klappt hervorragend. Wir können uns ehrlich die Meinung zu unseren Texten sagen, was immens wichtig ist.


Wie sehen deine weiteren Schreibpläne aus – in welches Genre werden sie dich führen?

Zuerst einmal wollen Meike und ich unseren historischen Roman bis Mitte dieses Jahres fertig schreiben – er spielt in Weimar im Jahr 1805. Als nächstes knöpfe ich mir wieder mechanische Engel vor. Und danach möchte ich das Kinderbuch schreiben, für das die Idee schon fix und fertig niedergeschrieben ist.
Am 11.07. gibt es bei Fangtasya.de eine Leserunde mit mir zu „Im Bann der Engel“. Im Rahmen unseres Schreibvereins „Autorengruppe ZwanzigZehn e.V.“ wird es wieder eine Horrorlesung geben, die unter dem Titel „Sleepy Hanau“ stehen wird.


Wenn du eine Figur in einem Roman sein könntest – welche und warum?

Im Moment wäre ich gerne Bridget Jones. Sie ist die Oberchaotin, leidet unter chronischem Zeitmangel, schreibt sich ihren Frust von der Seele, aber irgendwie hat sie ihr Leben doch im Griff.


Vielen Dank für das Interview – und noch viel Erfolg weiterhin!

Ich danke ebenfalls. Die Bratkartoffeln sind übrigens fertig und äußerst lecker.

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