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Nomen sind klein. Im Großen und Ganzen leben kleine Geschöpfe nicht lange, aber vielleicht leben sie schnell. Hier mag eine Erklärung nötig sein.
Eins der kurzlebigsten Geschöpfe auf dem Planeten Erde ist die gewöhnliche Eintagsfliege. Ihre Lebenserwartung beträgt genau einen Tag. Andererseits gibt es Mammutbäume, die über viertausend Jahre alt sind und sich noch immer bester Gesundheit erfreuen. Eintagsfliegen halten das vielleicht für ungerecht, aber wichtig ist nicht die Länge des Lebens, sondern wie lang es zu sein scheint.

Für eine Eintagsfliege haben sechzig Minuten vielleicht die Länge eines Jahrhunderts. Man stelle sich vor, wie alte Eintagsfliegen beieinandersitzen und darüber klagen, das Leben in dieser Minute sei nicht mehr so wie in den guten alten Minuten vor langer Zeit, als die Welt jung war, als die Sonne heller schien und Larven noch Respekt zeigten. Bäume hingegen sind nicht wegen ihrer schnellen Reaktionen bekannt; möglicherweise bemerken sie das seltsame Flackern des Himmels, bevor sie von Trockenfäule und Holzwürmern heimgesucht werden.
Alles ist relativ. Je schneller man lebt, desto mehr dehnt sich die Zeit. Für einen Nomen-Wicht dauert ein Jahr ebenso lange wie zehn Jahre für einen Menschen. Denken Sie daran. ohne deshalb betrübt zu sein. Die Nomen kümmert es nicht. Sie haben überhaupt keine Ahnung davon.

 

  Autor: Terry Pratchett
Verlag: Heyne
Erschienen: 1993
ISBN: 3-453-06263-9
Seitenzahl: 207 Seiten 


Die Grundidee der Handlung
Nomen sind ca. 10cm große Geschöpfe, vom Aussehen her den Menschen nicht unähnlich, was Nomen natürlich niemals zugeben würden. Sie leben eher Schlecht als Recht in einer kleinen Gruppe in der Nähe einer Autobahnrastanlage. Tod und Geburt kommen und gehen und als Masklin merkt, dass die Gruppe zum Überleben zu alt und klein geworden ist, beschließt er, dass es Zeit wird für eine Veränderung, Zeit, die Gruppe fortzuführen. Der Plan klingt einfach: ‚wir werden mit einem Lastwagen in ein neues Leben fahren’, doch Nomen haben keine Ahnung was ein neues Leben sein soll. Die Flucht endet im Lastwagennest, das sich als Garage eines großen Kaufhauses herausstellt. Masklin und die anderen treffen hier auf die Kaufhausnomen, eine Gruppe von über 1000 Wichten, die sich nach den einzelnen Kaufhausabteilungen organisiert haben. Terry Pratchett lässt den Leser von ‚oben’ auf die Menschheitsgeschichte, die Evolution im Zeitraffer der Nomen, blicken. Die Gruppe der Draussenler um Masklin steht hierbei für die Steinzeit, die im Kaufhaus auf das Mittelalter trifft. Die Sicht- und Denkweisen, die uns aus den einzelnen Zeitaltern von den darin lebenden Menschen bekannt sind, werden von ihm in die kleine Welt der Nomen projiziert. Im Kaufhaus will man erstmal gar nicht dran glauben das es Draussen etwas geben kann, die kleine Gruppe wird von der Mehrheit regelrecht übersehen. Erst durch eine unerklärliche Veränderung im Leben der Kaufhausnomen kommt Bewegung in die eingefahrene Denkweise der Bewohner. Das Kaufhaus soll abgerissen werden und als die Nomen verstehen, was das rege Treiben des ‚Alles muss raus’ bedeutet, ist es schon fast zu spät. Es gibt nur eine Rettung, an die aber praktisch keiner glauben möchte: Die Nomen müssen ins Draußen. Es beginnt die hektische Vorbereitung für die Flucht, allen voran steht Masklin, der Jäger aus dem Draussen, wieder soll er die nun große Gruppe führen. Doch er weiß nicht wie und wohin. Durch Dorkas, einem alten technikbegeisterten Nom, sozusagen dem Da Vinci unter den Nomen, schafft es Masklin, eine Gruppe von Nomen fürs Lasterfahren auszubilden. Eine waghalsige Flucht beginnt. Die Fahrt endet an einem verlassenen Steinbruch, doch kann dies die neue Heimat der Nomen werden?


Stil und Sprache
Die Nomen-Trilogie ist in Pratchetts bekanntem lockerem Stil geschrieben. Er geht sehr humorvoll an Themen wie die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau heran. Hier wird z.B. die Vermutung aufgestellt, das beim Lesen von Büchern das Gehirn der Frauen überhitzt werden könnte. Selbstverständlich nur eine Vermutung. Da die Nomen einen eher begrenzten Horizont besitzen, hat Terry Pratchett kindliche, einfache, teils aber auch skurrile Worte gewählt. Man fühlt sich oft als Entdecker oder Begleiter der Nomen und erarbeitet sich so die Welt der kleinen Wichte. Der stringente Verlauf der Handlung hilft dem Leser, sich in das einfache Gemüt der Wichte hineinzuversetzen. Die Geschichte lässt sich dadurch einfach lesen und durch den Wortwitz und die dargestellte Naivität der Nomen kommt man nicht umhin, an der einen oder anderen Stelle zu schmunzeln.


Figuren
Seine Akteure hat er an den Rahmen der Geschichte angepasst. Ähnlich wie er die Nomen-Gruppen an den Zeitaltern ausrichtet, gibt es bei seinen Figuren alles was das Herz begehrt. Masklin, der unerschrockene Jäger, der durch eine Vorsehung und seine fehlende Angst zum Anführer wird. Immer wird von ihm erwartet das Richtige zu tun. Obwohl er sich selbst fehl am Platz sieht, meistert er jede seiner Herausforderungen - was ihm im weiteren Verlauf jedoch immer wieder neue Aufgaben und Erwartungen beschert. Grimma, seine Freundin, die dem Typus der wissbegierigen, auf dem Weg zur emanzipierten jungen Frau befindlichen, entspricht. Sie glaubt erstmal prinzipiell nichts und will alles selbst machen und überprüfen. Was sie natürlich oft übers Ziel hinausschießen lässt. Gurder, dem Nachfolger des Abts, der an etwas glauben muss, an das er eigentlich nicht mehr glauben kann, verkauft dieses Wissen mit der Sicherheit eines Politikers. Oder auch Dorkas, der sich wie Leonardo Da Vinci für alles Technische seiner Zeit interessiert und ständig am Tüfteln ist und dadurch als Eigentümlich und Verschroben abgestempelt wird.

Die Charaktere sind durchweg glaubwürdig dargestellt und in ihrer Funktion den menschlichen Ebenbildern sehr nahe. Nur allzu oft findet man parallelen im heutigen Umfeld.


Aufmachung des Buches
Die mir vorliegende Erstausgabe im Taschenbuchformat ist im typischen Pratchett-Design aufgemacht. Vorder- und Rückseite sind von einer Grafik im Comic-Stil bedruckt. Es werden die Figuren der Geschichte in bunten Farben dargestellt.


Fazit
Eine wunderschöne Geschichte, die unsere eigene Entwicklung im Zeitraffer und mit viel Humor wiedergibt. Einfacher zu lesen als die Scheibenwelt-Romane, kann die Nomen-Trilogie allen Nicht-Pratchett-Kennern als Einstieg dienen. Wer gerne über sich und das ‚menschliche’ Verhalten lachen möchte, sollte an der Trilogie nicht vorbei gehen.


4 5 Sterne


Hinweise
Das rezensierte Buch ist einzeln nicht mehr erhältlich. Allerdings gibt es einen Sammelband, der alle Teile der Nomen-Trilogie enthält: amazon.de

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