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In den Fängen der Berliner Vietnam-Mafia

Dezember 1989. Die Grenzen sind gefallen. Auf der Suche nach seiner Tochter fährt Peter Stösser nach Ostberlin. Sie ist in der Hand eines Mannes, den man den »Sampan« nennt. Der Name weckt Erinnerungen an eine Vergangenheit, die Stösser gern vergessen möchte und die ihn doch nicht loslässt. Denn seine Tochter ist Halb-Vietnamesin. Sie wurde geboren in einem der grausamsten Kriege, den es je gegeben hat. Und aus jener Zeit sind noch einige Rechnungen offen.

Helf Buthe war selbst Reporter in Vietnam und Gefangener des Vietcong. 

 

 

Autor: Hef Buthe
Verlag: Bastei Lübbe
Erschienen: 13.11.2010
ISBN: 9783404165148
Seitenzahl: 461 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Das Schicksalsdatum der 26. Dezember: Am 26. Dezember 1989 begibt sich der ehemalige Kriegsjournalist Peter Stösser über die seit kurzem geöffnete Grenze Ostberlins, auf der Suche nach seiner Tochter The-Maria, Halb-Vietnamesin, geboren im Dezember 1969, 20 Jahre alt. Ein anonymer Anrufer hatte Stösser mitgeeilt, dass seine Tochter in Lebensgefahr sei. Er wird erpresst und als Drogekurier über die Grenze eingesetzt. Die Vergangenheit scheint ihn einzuholen. Was am 26. Dezember 1968 auf den Kriegsschauplätzen in Vietnam begann, findet in Berlin und Köln seinen Fort- und Ausgang.

Hef Buthe beschreibt aus Sicht des Journalisten in Rückblenden dessen grausame Erfahrungen im Vietnamkrieg, seine Verzweiflung, Verwirrtheit und sein Kampf ums Überleben. Nur langsam begreift der Leser die Zusammenhänge, bis erst ganz zum Ende die Auflösung erfolgt. Ein Buch, das durch die detailreiche und sehr präzise Beschreibung der geschichtlichen Hintergründe fasziniert, einmal den Mauerfall in Berlin, dann, mehr als 20 Jahre zuvor, der Vietnamkrieg im fernen Asien. Ein Buch, das den Leser fordert, Zusammenhänge nur langsam preisgibt, dabei aber unheimlich aufwühlend und spannend geschrieben ist. Dass große Teile der geschilderten Szenen in Vietnam tatsächlich autobiographisch sind, der Autor sie genau so erlebt hat, macht die Geschichte insgesamt noch viel interessanter. 


Stil und Sprache
Hef Buthe schreibt aus der Sicht seines Protagonisten Peter Stösser in der Ich-Form. Die Kapitel wechseln zwischen den Jahren 89/90 in Berlin und Köln und den Jahren 68/69 in Vietnam. Am Ende folgt der Ausblick auf den 26. Dezember 1995. Dabei sind die unterschiedlichen Handlungs- und Zeitebenen für den Leser sehr gut trenn- und nachvollziehbar.

Unglaublich scharf beobachtet der Autor die Geschehnisse. Faszinierend und wirklich sehr detailgetreu beschreibt er die Situation Ostberlins nach dem Mauerfall. Man fühlt sich direkt in diese Zeit zurückversetzt. Die Umstände und das Besondere dieser Zeit des Umbruchs, die Ungewissheit und Unsicherheit der Leute, ihr Versuch, noch an Altbewährtem festzuhalten oder sich ins Neue hinüberzuretten, wird sehr plastisch und mitreißend erzält. Genauso beeindruckend, wenn nicht noch spannender und aufreibender, stellt sich dann die Welt des Vietnamkrieges dar, die Verstrickungen der Journalisten in die Geheimdienste, die Drogenmafia. Es eröffnet sich dem Leser eine ganz andere Welt und Kultur, faszinierend und schockierend zugleich. Dabei gelingt es dem Autor den Leser durchweg zu fesseln und trotz aller Verwirrtheit und Komplexität der Handlungen, ihn bis zum Ende nicht wieder loszulassen. Seine Sprache ist der Situation angepasst, sehr realtitätsnah und verständlich. Er bleibt dicht am Geschehen, in der Handlung selbst und öffnet dem Leser ganz neue Welten. Ein wirklich herausragendes und auch nachdenklich machendes Werk.


Figuren

Die Figuren dieses Thrillers sind ähnlich komplex und teilweise verwirrend wie die Geschichte selbst. Sie werden aus der Sicht des Protagonisten beschrieben und aufgebaut, daher bleiben einige Rollen im Dunkeln oder klären sich erst zum Ende hin auf.

Der Protagonist Peter Stösser, 22 Jahre jung und unerfahren, wird als Kriegsjournalist in das ferne Vietnam geschickt und kämpft sich dort durch. Nicht unsympathisch, menschlich und recht authentisch, wird die Situation aus seiner Sicht beschrieben. Seine Hilflosigkeit und Unwissenheit, in der er auch den Leser, da die Geschichte aus seiner Sicht beschrieben wird, über lange Strecken belässt, wirkt ab und an recht nervend. Und dies setzt sich 20 Jahre später in Berlin eins zu eins fort. Dennoch erscheint mir Peter Stösser glaubhaft, in sich schlüssig und auch ein wenig bedauernswert.

Kleiner Drache, Tochter eines Reisbauern in Vietnam, Wasserpuppenspielerin, Khmer, wird in Saigon Stössers stark bewaffnete Beschützerin und spätere Frau und Mutter seiner kleinen Tochter. In ihrer Figur stoßen Welten aufeinander, absolute Brutalität, kriegerische Gewalt, Kampf ums Überleben mit allen Mitteln, Familienzusammenhalt und das eingebettet im nicht enden wollenden Horror des Krieges. Sie kämpft um ihre Familie, die sie nicht retten kann. Sie wird zur Hure, Mörderin, Verräterin, eine Figur, die den Leser an seine Grenzen führt. Es ist kaum fassbar, dass diese auch nur ansatzweise der Realität entspricht. 

The-Maria ist die Tochter von Stösser, genannt Großer Drache, und seiner Frau, Kleiner Drache. Sie tritt erst in Ostberlin richtig in Erscheinung, scheint die Rolle der kampfeswütigen Mutter eins zu eins zu übernehmen und schlachtet ihre Gegner regelrecht danieder. Ansonsten erfährt man sehr wenig von ihr, sie bleibt insgesamt sehr blass und eher unnahbar.

Stössers journalistische Kollegen in Vietnam: Ronald, Vesuv, Fjodor, spielen verdeckte Rollen, sind offiziell von ihren Verlagen und Zeitungen eingesetzte Journalisten, scheinen aber mit den unterschiedlichsten Geheimdiensten und auch der Drogenmafia zu kooperieren, was sie am Ende auch das Leben kostet. Ähnlich sieht es mit den Anführern Ali und Brian aus. Sie sind schwer für den Leser einzuordnen, scheinen dem französischen Geheimdienst als auch dem CIA zuzuarbeiten. Und nicht zu vergessen, La Troux, "Sampan" genannt, an der Spitze der vietnamesischen Mafia, später auch im Drogenhandel Ostberlins. Er bleibt undurchsichtig, nicht einschätzbar, ist überall und nirgends, zieht die Fäden und bestimmt im Hintergrund. Auch hier bleibt die Frage, wie authentisch diese Figuren sind, ob Journalismus sich in einem Kriegsland tatsächlich so gestaltet?


Aufmachung des Buches
Das 461 Seiten umfassende Taschenbuch ist klar in Prolog, neun Kapitel und Epilog untergliedert. Die Einteilung folgt den zeitlich vorgegebenen Handlungssträngen, sodass man sich als Leser gut zurechtfindet. Das Cover zeigt über der Skyline Berlins den in roten Lettern geschriebenen Titel, darüber wiederum der Gesichtsausschnitt einer Frau und deren fixierenden Blick auf den Betrachter. Es wirkt auf mich sehr ansprechend und weckt Interesse.


Fazit

Ein eher ungewöhnlicher Thriller mit viel historischem Hintergrund und geschichtlicher Raffinesse. Er fordert vom Leser einiges ab an Geduld und Konzentration, belohnt ihn dann aber auch mit viel Spannung, Action und Wissen.


4 Sterne


Hinweise

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