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In Peiting ist Hollywood ausgebrochen, und die Marktgemeinde ist gespalten: Die einen sehen sich schon als neue Stars, die anderen wettern gegen das dünne Filmchen und die dummen Bayernklischees. Dann wird Leo Lang, Mitglied beim Burschenverein und glühender Verehrer der Filmcrew, erwürgt aufgefunden. Er sollte das Equipment der Filmleute bewachen – doch die teuren Kameras sind weg. War es wirklich ein Raubmord? Kommissar Gerhard Weinzirl muss tief hinein – in einen geheimen Stollen im Ammertal, in die alten Zeiten der Hauer und Steiger im Peitinger Bergwerk und am tiefsten in den Sumpf fataler Affären in der so harmlos wirkenden Voralpen-Marktgemeinde. Mit dabei: die kühle Evi, die aufbrausende Jo und der ehemalige Kollege Baier im Unruhestand.

 

 

Autor: Nicola Förg
Verlag: Emons
Erschienen: 2010
ISBN: 978-3-89705-786-9
Seitenzahl: 205 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Während der Dreharbeiten zu einem Film wird der Nachtwächter Leo Lang erdrosselt. Für den an den Tatort gerufenen Kommissar Gerhard Weinzirl sieht alles nach Raubmord aus, da die Filmausrüstung, die der Tote bewachen sollte, verschwunden ist. In Peiting eher fremd, bedient er sich der Hilfe seines alten Kollegen Baier, der zwar im Ruhestand aber noch immer heiß auf Ermittlungen ist. Es gibt zwar einige Verdächtige, wie Miriam Keller, die von Leo bei wilden Sexspielchen auf dem Balkon beobachtet wurde, oder Socher, der als absoluter Gegner der Filmerei in Peiting Streit mit Leo hatte oder auch Rainer Bader bzw. dessen Frau Effi, die vielleicht wusste, das ihr Mann mit Miriam ein Verhältnis hat und von Leo erpresst wurde, doch so recht will keine Spur zu einem Ergebnis führen. Als sich Gerhard während der Ermittlungen in seine Verdächtige Miriam Keller verliebt, ist das Chaos der Gefühle perfekt. Gerhard ist hin- und hergerissen, kann ihr aber nicht widerstehen und so kommt es dazu, dass sie nach einer Befragung miteinander schlafen. Doch der Kommissar wird bereits am nächsten Tag aus seinen Träumen gerissen. Miri wird tot in ihrer Wohnung gefunden – eine Überdosis Schlaftabletten. Gerhard ist am Boden zerstört, scheint aber der einzige zu sein, der nicht an Selbstmord glaubt. Das Abschiedsschreiben mit dem Mordgeständnis wirkt auf ihn fingiert. Die Suche nach dem Warum ist aussichtslos und erst ein restaurierter Schrank führt ihn näher zum Ziel. Der eigentlich tote Peter Paulus, der offensichtlich als Piet Patterson in Südafrika weiterlebt und über seine Vergangenheit mit dem Fall verknüpft ist, könnte sein Verdächtiger sein. Gerhard geht das Risiko ein und fliegt als Urlauber getarnt zusammen mit Jo Kennerknecht in den Safariurlaub. Damit begibt er sich und Jo in große Gefahr und das, obwohl er nicht weiß, ob er übrhaupt auf der richtigen Spur ist.


Stil und Sprache
Nicola Förg ist bekannt für ihre tiefsinnigen, hintergründigen Kriminalromane. Und in eben dieser Kategorie hat sie mit ihrem neuesten Teil der Weinzirl Reihe ein Meisterwerk abgeliefert. Wenn man Teil 4 ‚Gottesfurcht’ mit Band 8 vergleicht, so liegen Welten zwischen den beiden Romanen. Doch fangen wir einfach von vorne an. Die Geschichte spielt im oberbayrischen Peiting, einer alten Bergarbeiterstadt. Der Fund eines Toten bringt eine Lawine ins Rollen, die am Ende einen Mord in den 60er Jahren sowie einen lebenden Toten zu Tage fördert. Dabei beschreibt die Autorin sehr eindringlich und mit viel Liebe zum Detail die Handlungsorte und Szenen. Die engen kurvigen Straßen durch die oberbayrische Landschaft, die kleinen Dorfkneipen als Treffpunkt der Bevölkerung, die auf Tradition bedachten Lebensweisen der Menschen, die nicht selten den Bergarbeiterhintergrund haben, werden sehr authentisch dargestellt. Mit viel Liebe zum Detail schafft Nicola Förg eine extreme Nähe zum Geschehen. Vor allem emotional ist das Buch sehr einnehmend, der Leser wird förmlich mit der Handlung mitgerissen.

Zusammen mit ihren Figuren schafft sie so eine wunderbare Atmosphäre, die einen das Buch in Rekordgeschwindigkeit durchfliegen lässt. Auch der Ortswechsel von Peiting nach Südafrika auf eine Safari Lodge ist sehr gut gelungen und zeigt, dass sich die Autorin nicht nur in ihrer Heimat perfekt auskennt. Die Hitze dort, die Tiere, die weite Landschaft, die besondere Atmosphäre Südafrikas kommt sehr gut beim Leser an und steht der oberbayrischen in nichts nach. Ihr Stil, zwei Hauptcharaktere, also Gerhard Weinzirl und Johanna Kennerknecht, zu führen hat sich ja bereit im 4. Fall geändert und ich muss nun sagen, was mich anfänglich noch störte, hat sich nun als vollkommen richtig bewährt. Der Leser kann sich voll auf die eine Person konzentrieren, was dem Lesefluss sehr zuträglich ist.


Figuren
Kommen wir zum für mich diesmal wichtigsten Punkt. Denn bei den Figuren zeigt sich, wie gut Nicola Förg wirklich ist. Zum einen hat sie Gerhard Weinzirl erwachsen werden lassen. Bisher war er immer sehr flatterhaft, konnte seine Gefühle nie richtig zeigen oder zum Ausdruck bringen und hat dadurch viele Gelegenheiten verpasst, seinen persönlichen Hafen zu finden. Vor allem bei Johanna Kennerknecht ist ihm dies nie gelungen, eher im Gegenteil, er hat sie während ihrer vielen Techtelmechtel eher vergrault. Doch Gerhard wird auch nicht jünger und als er bei seinem ehemaligen Kollegen Baier in die Augen einer Elfe blickt – Baier hat ein Bild seiner Cousine Miri in der Wohnung hängen - ist es um ihn geschehen. Er scheint sich diesmal wirklich verliebt zu haben, dumm nur, dass seine Auserwählte Miri oder Miriam Keller zu seinen Hauptverdächtigen im Fall Leo Lang zählt. Er ist von dieser Frau, die er ja eigentlich gar nicht kennt, dermaßen begeistert, dass er keinen klaren Gedanken mehr fassen kann. Das Ganze verschlimmert sich noch, als er ihr dann tatsächlich gegenübersteht.

Miriam Keller ist eine Frau, die das Leben in der oberbayrischen Provinz gezeichnet hat. Bis sie von ihrem Mann betrogen wurde, gab sie das treue, die Familie pflegende Frauchen, dem durch Gerede und gezielte Einflussnahme ihres Mannes und seiner Neuen der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Im erzkatholischen Bayern kann nicht sein, was nicht sein darf. Kurz: Miri wurde für die Verfehlung ihres Mannes verantwortlich gemacht. Dies ist, was Gerhard so fasziniert, die wachen Augen, die doch die verletzte Seele zu beschützen suchen und die Frau, die durch Übersprunghandlungen wie ihre Sexeskapaden ihr Seelenheil wiederzufinden versucht. Diese Gefühlswelt sowohl von Gerhard aber auch von Baier, der von Miri und sich enttäuscht ist, weil er ihr nicht helfen kann sowie dieses wahnhafte Verhalten von Miri werden von der Autorin sehr authentisch beschrieben. Fast schon philosophisch klingen die Selbstgespräche von Gerhard, wenn er über sich und seine Gefühle nachdenkt.

Der Gegenpart der Geschichte, der Bösewicht, ist lange Zeit ein Phantom. Unbekannt, ohne wirkliche Vergangenheit scheint er doch zu existieren. Zumindest glaubt Gerhard daran und nur durch kleine Fehler und Schwächen des Täters kommt er auf seine Spur. Ganz so einfach lässt es sich halt doch nicht verschwinden. Selten wurde ich von Charakteren so beeindruckt.


Aufmachung des Buches
Das Taschenbuch im Großformat kommt mit einem farbenfrohen Cover, welches eine in die Kamera blickende Kuh auf einer grünen Almwiese zeigt, daher. Titel und Verlag sind in Reliefschrift aufgebracht. Die typische Werbung am Ende des Buches darf natürlich nicht fehlen.


Fazit
Ein emotional tiefgehender und bis zum Schluss spannender Krimi, der sich klar vom Regionalkrimiklischee abhebt. Mit einem Kommissar Weinzirl, der erwachsen geworden ist und sein Innerstes entdeckt. Eine mehr als würdige Fortsetzung dieser Serie, bitte mehr davon.


5 Sterne


Hinweise
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Backlist:
Fall 1: Schussfahrt
Fall 2: Funkensonntag
Fall 3: Kuhhandel
Fall 4: Gottesfurcht
Fall 5: Eisenherz
Fall 6: Nachtpfade
Fall 7: Hundsleben

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