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Kategorie: Mythen und Historik

Deutschland im Jahre 1522. Seit Wochen auf einer Festung im Badischen eingeschlossen, erwartet die Besatzung verzweifelt Hilfe. Uneins über die Fortsetzung des Kampfes, sehen sich ihre Hauptleute Veit und Raven jedoch bald einer viel größeren Bedrohung gegenüber - da eskaliert die Situation ...

Vor dem Hintergrund des ausgehenden Mittelalters und der damit einhergehenden Reformationszeit erzählt die Saga um den Hauptmann Veit die Geschichte seiner Familie, die in die Wirren des Deutschen Bauernkrieges hineingezogen wird.

 

Hauptmann_Veit_01 

Autor: Lutz Nosofsky aka Nofi
Illustration: Lutz Nosofsky aka Nofi
Verlag: ars tempus ltd.
Erschienen: Dezember 2010
ISBN: 978-3-00-032435-2
Seitenzahl: 68 Seiten
Altersgruppe: ab 15 Jahre (Empfehlung der Rezensentin)

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Die Grundidee der Handlung
Veit, der Held der Geschichte, erlebt mit seinem Freund Raven, der wie er den Rang eines Hauptmanns inne hat, die Belagerung der badischen Festung Mannstein, für deren Fürst er arbeitet. Die brutale Realität des Kampfes wird noch dramatischer, als sich ein Konflikt zwischen Raven und Veit abzeichnet. So beginnt Veits Kampf für Gerechtigkeit und Rache in den Wirren der damaligen Zeit.
Um nicht zu viel der Handlung zu verraten, ist es nur möglich, diese knapp anzureißen.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Der deutsche Zeichner, der eher für seine Cartoons und politischen Satiren bekannt ist, wagt sich hier an ein Mammutprojekt, das - wie aus dem Interview im Anhang, das auch auf der Homepage zu finden ist, ersichtlich wird - seit Jahrzehnten bereits in Arbeit ist.

Der komplett in Farbe gehaltene Band lädt den Leser durch eine zweiseitige Einführung in die damalige Geschichte ein, die durch Flusstext erzählt und durch verschiedene Bilder und eine sehr hilfreiche Landkarte des damaligen Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation ergänzt wird. Danach geht die Geschichte sofort auf Festung Mannstein los, die in einem beeindruckenden doppelseitigen Bild eingeführt wird. Die Beschreibungen der Handlung finden ab da als Flusstext neben bzw. auch mitunter in den Panels statt, die nicht durch schwarze Linien voneinander getrennt werden, aber stellenweise durch weiße Stege. Die Bilder überlappen sich dabei, was darauf schließen lässt, dass Nofi die Seiten im Computer zusammengesetzt hat. Interessant ist dabei, dass er bei den Hintergründen teilweise Zeichnungen und teilweise Fotoausschnitte wie Farne oder Zweige benutzt, die er fast unmerklich in die selbst gefertigten Umgebungen einsetzt. Die Burgen und einige Steine werden so ebenfalls mit realistischen Strukturen versehen.

Die Grausamkeit des Kampfes wird bereits ab den nächsten Seiten klar gemacht, auf denen die Helden durch den Geschützboden der Burg gehen und an den Lazaretten vorbeikommen, in denen die Verstümmelten zu sehen sind, sowie drei "Ärzte", die mit einer Säge über einen Patienten gebeugt dargestellt werden. Die düstere und bedrückende Stimmung kommt durch die gräuliche Farbgebung perfekt zur Geltung. Die Kleidung und die Waffen wurden dank der hervorragenden Recherche Nofis sehr realistisch gezeichnet und mit den historisch korrekten Verzierungen und Einzelheiten versehen. Die Begriffe der Waffen und dabei vor allem der Kanonen (z.B. Feldschlangen) werden sich Neulingen, die sich auf diesem Gebiet der Geschichte bisher nicht gut auskannten, nur durch das anschließende Studium des im Anhang enthaltenen Abschnittes zur "Entwicklung der Waffentechnik" (Seite 63) erschließen. Bis dahin bleibt die Unkenntnis, die das Leseerlebnis ein wenig trübt.
Faszinierend sind die großformatigen Darstellungen von Angriffen, mit denen Nofi immer wieder punkten kann, wie die im vollen Galopp heranreitende Panzerreitergruppe auf Seite 14 und 15. Hier zeigen sich seine Stärken, die er sich wahrscheinlich im Studium des Zeitalters angeeignet hat: Detailreiche Bilder, funkelnde Rüstungen, gefährlich wirkende Lanzen, schnaubende Pferde, die auf die brennende und bröckelnde Burg zureiten. Die Verletzungen werden genauso brutal dargestellt, wie sie vermutlich waren, was nichts für Zartbesaitete ist. Wer eine "saubere" Darstellung erwartet, wird hier nicht fündig werden, denn der Krieg wird in all seinen Abscheulichkeiten ausgemalt. Seltsamerweise gibt es aber auch Bilder, in denen einschlagende Kugeln und ihr Schaden, den sie unter den Angreifern ausrichten, nicht besonders detailliert gezeichnet werden, oder über einen Ermordeten dezent ein herabfallendes Tuch fällt, das die Leiche verbirgt. Die Frage stellt sich, wieso der Zeichner einige Male zu genauen Ausarbeitungen neigt, bei anderen Malen nicht, denn letzteres ist mitunter spannender für den Leser, der sich so sein eigenes Bild machen kann.

Die Charaktere sind das Manko der Geschichte: Veit fällt durch seine blonden Haare zwar in jeder Szene auf und auch Raven erhält durch die Glatze und die dramatische schwarze Rüstung einen großen Wiedererkennungswert, allerdings wirken beide nicht besonders attraktiv auf ein weibliches Publikum - auch wenn Potential da ist, das vielleicht in weiteren Bänden ausgeschöpft werden könnte. Männliche Leser könnten sich daran nicht weiter stören, da für sie wahrscheinlich andere Inhalte wichtiger sind, mir persönlich hat es jedoch gefehlt, einen bewundernswerten Helden als Identifikationsfigur zu haben, dessen Schicksal mir nahe geht. Die Proportionen sind manches Mal nicht richtig (zu kurze Beine oder zu lange Arme; zu große Köpfe), was besonders im Hinblick auf die historische Detailgenauigkeit befremdlich und wie ein Bruch wirkt. Die bisher einzige agierende weibliche Figur der Handlung, Tora, wurde ebenfalls nicht besonders attraktiv gezeichnet - obwohl ihre schwarzen Haare und ihr resolutes Handeln durchaus Möglichkeiten bieten würden. Dagegen sind - so witzig es klingen mag - die Pferde sehr schön gezeichnet, mit vielen Einzelheiten und interessanten Farbgebungen. Zwischendurch gelingen Nofi Panels, in denen die Figuren und ihre Haltung äußerst elegant wirken, wie das behände Bücken von Lennart nach einem heruntergefallenen Pfeil (Seite 35), wo der Fellumhang, das Schwert, und die Drehung des Charakters komplett die Bewegung unterstreichen.

Die Panels werden zwar oft mit weißen Seiten im Hintergrund gezeigt, zwischendurch sind die Seiten aber auch grau oder schwarz, was keinem erkennbaren Muster folgt und ein wenig verwirrend wirkt. Auch gibt es in diesem Band eine Seite, bei der der Verlauf der Panels erst nicht erkennbar ist (Seite 39).
Speedlines kommen zum Einsatz, um rasche Bewegungen anzuzeigen, die auch durch Geräusche untermalt werden.

Als Zugabe gibt es in der "Collector's Edition" Erklärungen zum Reichsrittertum, Landsknechten, der Waffentechnik, Franz von Sickingen, der im nächsten Teil eine größere Rolle spielen soll, und das bereits erwähnte Interview mit Nofi.


Aufmachung des Comics
Auf dem Cover des gebundenen Comics befindet sich ein Panel von Seite 16, das einen heranstürmenden Ritter mit Lanze zeigt, der auf seinem Pferd einen Graben überspringt. Der Titel wurde in dickeren Lettern gedruckt, während der Untertitel "Blutbruder" wie mit Hand geschrieben ein wenig versetzt dazu angebracht wurde. Auf der Rückseite befindet sich unter der Inhaltsangabe ein ausführlicher Einblick in verschiedene Panels und in das Zusatzmaterial, so dass der Leser gleich weiß, worauf er sich einlässt.


Fazit
Während der Detailreichtum in vielen Zeichnungen fasziniert, besitzen vor allem die Charaktere weniger Charme, bieten aber Potential für die weiteren Bände. Die Geschichte liefert momentan noch nicht besonders viele Informationen zum Bauernkrieg, legt aber einen soliden Grund für die folgenden Abenteuer von Veit. Geschichtsinteressierte werden hier ein Stück Historie finden, das bisher nicht durch eine grafische Umsetzung gewürdigt wurde.


3 5 Sterne


Hinweise
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