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Kategorie: Geisteswissenschaften, Kunst und Musik

Die Analyse von Erzählungen ist eine der handwerklichen Anforderungen, die alle Studierenden der Literaturwissenschaften bewältigen müssen. Jochen Vogt schöpft in diesem hilfreichen Leitfaden aus seiner langjährigen Erfahrung als akademischer Lehrer: Nach einer Einführung, die die theoretischen und begrifflichen Grundlagen der Narrativik darstellt, demonstriert er anhand ausgewählter Texte – vom Kindervers bis zur aktuellen Romanliteratur – wie die grundlegenden und analysetauglichen Kategorien der neueren literaturwissenschaftlichen Erzähltheorie konkret angewendet werden können.

 

 


Autor: Jochen Vogt
Verlag: UTB Verlag
Erschienen: 19. Januar 2011
ISBN: 978-3825224660
Seitenzahl: 160 Seiten


Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe
Wie detailliert kann eine systematische Untersuchung einer Erzählung sein? Dass diese Frage nicht leicht zu beantworten ist, zeigt Jochen Vogt anhand des Kinderreims „Hänschen Klein“. Der Reim, den ein jeder als Kinderlied kennt, besteht nur aus zehn Zeilen und ist bei genauer Betrachtung eine Erzählung, dessen erzählte Zeit sich frappierend von der Erzählzeit unterscheidet. Auch die Frage, ob ein Lied eine Erzählung sein kann, wird erörtert. Menschen illuminieren erzählend die Welt, machen sie transparent und geben ihr eine Bedeutung; die Wissenschaft hingegen durchschaut eine Erzählung durch ihre analytische Methodik und erläutert, dass jede Erzählung kontrolliert und modifiziert werden könnte. Im Fall von „Hänschen Klein“ entfaltet der Germanistiker Vogt die verschiedenen Betrachtungsweisen, die Entstehungszeit des Liedes, weitere Fassungen, sowie mögliche Interpretationen.

Darauf aufbauend schließen sich drei Modellanalysen aus dem Genre des Kriminalromans an. Da dürfen weder Sherlock Holmes noch Friedrich Schiller mit seiner bedeutenden Erzählung „Verbrecher aus verlorener Ehre“ fehlen. Die in diesem Fall überwiegend kulturwissenschaftliche Analyse zeigt auf, wie weit das Feld der Zergliederung einer Erzählung reicht. Schiller erreicht mit seiner individuellen Darstellung eine Perspektiverweiterung nicht nur in den Wissenschaften, sondern auch in der gesellschaftlichen und kulturellen Wirklichkeit seiner Zeit.

Jochen Vogt spricht in seiner Einführung verschiedene Ansätze der Erzählanalyse an. Genette, der einflussreichste Narratologe unserer Zeit, dessen Termini jedem Studierenden geläufig sein sollten, Lämmert, dem das Buch gewidmet ist und der gemeinsam mit Stanzel und Hamburger eine strukturale Analyse im Gegensatz zur werkimmanenten Interpretation entwickelt hat. Propp und Petersen sind neben weiteren wichtige Vertreter der Erzähltextanalyse. Trotz der Vielzahl an Methodiken verzichtet Vogt auf eine zu starke Theoretisierung des Sujets und stützt seine empirischen Analysen auf einen exemplarischen Kanon der deutschen Literatur.

Das Buch eignet sich, auch wegen seines leicht verständlichen Stils, für Bachelorstudenten des ersten Semesters zur Einführung oder für interessierte Literaten mit geringen Vorkenntnissen der Erzähltextanalyse. Die nachvollziehbaren und logisch aufgebauten Untersuchungen der diversen Texte sind nur zur Einführung konzipiert, tiefgreifendere Analysen müssen in der entsprechenden Fachliteratur nachgelesen werden.


Aufmachung des Buches
Hierbei handelt es sich um ein Taschenbuch in der UTB-üblichen Aufmachung.


Fazit

Dieses Buch ist eine erste Annäherung an die Erzählanalyse und sei für angehende Studenten der Literaturwissenschaften empfohlen. Für Nicht-Germanisten lässt sich dieses Buch jedoch mit Gewinn lesen, denn es vermittelt einen kulturwissenschaftlichen Hintergrund und nicht alltägliche Perspektiven auf die Architektonik erzählender Literatur.
Einziges Ärgernis sind die Rechtschreibfehler, die den Lesefluss gelegentlich unterbrechen.


3 5 Sterne


Hinweise
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