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Der pensionierte Psychologieprofessor Adrian Thomas bekommt von seinem Arzt eine niederschmetternde Diagnose: Demenz. Noch immer unter dem Eindruck der bestürzenden Nachricht blickt der alte Mann auf die Straße und sieht ein etwa sechzehnjähriges Mädchen vorübereilen. Gleichzeitig rollt ein Lieferwagen heran, bremst ab und beschleunigt wieder: Das Mädchen ist verschwunden. Der Professor ist verwirrt. Täuscht er sich, oder hat er gerade eine Entführung beobachtet?

 

 

Originaltitel: What comes next
Autor: John Katzenbach
Übersetzer: Anke und Eberhard Kreutzer
Verlag: Droemer
Erschienen: 28.10.2010
ISBN: 9783426198247
Seitenzahl: 555 Seiten

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Die Grundidee der Handlung

Der von einer beginnenden Demenz gezeichnete Psychologieprofessor Adrian Thomas möchte seinem Leben ein Ende setzen. Alles für seinen Selbstmord bereitgelegt, sieht er durch sein Fenster, wie ein Mädchen mitten auf der Strasse in einen Lieferwagen gezerrt und entführt wird. War dies wieder einer seiner Halluzinationen oder Realität? Es lässt ihm keine Ruhe und getrieben von den inneren Stimmen seiner verstorbenen Angehörigen, seiner Frau Cassie, dem Bruder Brian und seinem Sohn Tommy, die er neben sich als reale Personen wahrnimmt und mit ihnen Dialoge führt, beginnt er mit seinen ganz eigenen Ermittlungen. Von Detective Terri Collins eher argwöhnisch beäugt, nimmt er Kontakt zu einem verurteilten Triebtäter auf, der ihn in die schockierenden Abgründe des Internets einweist und dabei tatsächlich auf das entführte Mädchen stösst. Doch die Zeit läuft ab. Wird er sie noch vor dem Unausweichlichen retten können?

Neben der spannenden und unglaublich subtil beschriebenen Entführungssituation der 16-jährigen Jennifer, die genaue Beschreibung ihrer auf ein kleines Zimmer mit Kameras ausgestatteten, reduzierten Erlebniswelt, 24 Stunden live im Internet eingestellt und von ihren Kidnappern entwürdigt, psychisch wie körperlich misshandelt, vergewaltigt und am Ende auf ihren Tod wartend, steht die Situation des unrettbar erkrankten Professors, der immer mehr den Bezug zur Realität verliert, in eine Scheinwelt versinkt und doch noch das eine Ziel verfolgt, nämlich gerade dieses Mädchen vor ihrem sicheren Tod zu bewahren.


Stil und Sprache

John Katzenbach hat eine ausgesprochen ausdrucksstarke, sehr fesselnde und genau beschreibende Erzählweise. Jede noch so alltägliche, zunächst wenig aussagekräftig erscheinende Situation tritt in den Mittelpunkt, wird psychologisch beleuchtet und plötzlich sehr wichtig. Nichts erscheint mehr ohne Bedeutung und sehr bald blickt man auch als Leser sehr viel genauer auf die verschiedenen Schauplätze und die Personen darin. So führt der Autor den Leser sehr überzeugend und fesselnd in die Welt eines Demenzkranken ein. Er beschreibt in seinem Protagonisten, dem Psychologieprofessor Adrian Thomas, sehr detailliert die sich langsam verändernde Erlebniswelt des Erkrankten, seine Halluzinationen, seine Dialoge mit seinen verstorbenen Angehörigen. Dabei gelingt es ihm, den Leser sehr direkt und unmittelbar an dessen sich immer weiter von der Realität entfernenden Gemütswelt teilhaben zu lassen.

Man ist mittendrin, aber ebenso auch in der Gefühlswelt der Entführten. Auch hier zieht der Autor den Leser in Jennifers ausweglose Situation, in ihre Gefühle, ihre Verzweiflung, Angst und Aufbegehren unmittelbar hinein. Wie den Voyeuren im Internet, den Perversen, die sich nicht mehr vom Bildschirm entfernen können und gebannt auf „Nummer 4“ blicken, ergeht es auch dem Leser. Die Spannung hält sich von der ersten Seite bis zum Höhepunkt am Ende, bei dem sich sowohl die Situation der Entführten als auch die des Professors immer mehr zuspitzt und regelrecht nach Auflösung schreit. Ein Buch, dessen Faszination und Spannung in der sehr genauen Beobachtung und Beschreibung der Gefühle und Beweggründe der einzelnen Agierenden liegt, sei es der Entführten, der Ermittelnden, der Entführer selbst. Absolut fesselnd ist hierbei der Aufbau verschiedener Parallelwelten. Die Welt des Demenzkranken, der „realen Welt“ der ermittelnden Polizei, der Familie des entführten Mädchens, dann aber auch die Welt des Sexualstraftäters, der dem Professor Einblick in die Abgründe des Internets verschafft, die Welt des Internets selbst, die Beschreibung der Wirkung der Liveshow auf ihre Voyeure.


Figuren
Jede in diesem Thriller vorkommende Figur und sei es auch nur eine, die eher am Rande erscheint, wird dem Leser direkt und faszinierend, auf den Punkt genau beschrieben.

An erster Stelle steht der Psychologie-Professor Adrian Thomas. Er erscheint von Anfang an durch seine Krankheit gezeichnet, zerbrechlich und hilfebedürftig, andererseits aber auch sehr willensstark und handlungsfreudig. Er treibt die Geschichte an, lässt nicht locker, begibt sich in Abgründe, vor denen man selbst als Leser zurückweichen möchte. Dabei wirkt er sehr sympathisch und uneigennützig.

Das entführte Mädchen, Jennifer, 16 Jahre alt und noch mehr Kind als Frau, wird in eine Ausnahmesituation gestoßen, die den Leser absolut schockiert und mitreisst. Dabei wirkt sie sehr glaubwürdig in ihrer Angst und Gelähmtheit, ihrer Verzweiflung und gleichzeitigem Festhalten an Gewohntem, an einem Rest von Würde und dem Versuch, das Erlebte von ihrem eigenen Ich abzuspalten. Sie nimmt eine psychologisch sehr faszinierende und unglaublich nahegehende Rolle ein.

Das Entführerpaar, Linda und Michael, schockiert den Leser im Verlaufe der Handlung mehr und mehr. Ihre abartigen, krankhaften Neigungen, den daraus resultierenden Handlungen gegenüber der Entführten, gepaart mit ihrer Kaltblütigkeit und dem wirtschaftlichen Gedanken dahinter, wirken auf den Leser immer abstoßender, führen ihn aber immer mehr auf den Höhepunkt zu, da kein Zweifel mehr bleibt, welches Ende sie planen.


Aufmachung des Buches
Das mit 555 Seiten recht umfassende, gebundene Buch zeigt auf dem Umschlag vorne zwei gefesselte Hände, auf der Rückseite einen völlig abgenutzten Stuhl mit einem an der Lehne befestigten weißen Schal. Wirklich interessant ist aber die Innengestaltung des Umschlages, denn hier ist der Autor zu sehen und ein kurzer Ausschnitt aus einem Interview mit ihm, bei dem er zum Inhalt des Buches Stellung nimmt und zu den beiden Figuren, dem Professor als auch der entführten Jennifer. Das Buch ist in 45 Kapitel unterteilt und dadurch auch in kürzeren Abschnitten gut zu lesen.


Fazit
Dies war das erste Buch, das ich von John Katzenbach gelesen habe und es hat mich fasziniert. Seine detaillierte und sehr genau beobachtende Erzählweise und die psychologisch unglaublich durchdachte und faszinierende Geschichte haben mich wirklich begeistert. Der mehr an Action orientierte Leser wird eventuell an manchen Stellen ungeduldig auf die nächste Handlungssequenz warten, ich für meinen Teil habe jede genau geschilderte und bis ins kleinste herausgearbeitete Gefühlssituation genossen.


4 5 Sterne


Hinweise
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