„Manchmal wünschte ich, ein Hackbraten wäre wieder ein Hackbraten, ein Grillfest ein großes Vergnügen und ich könnte in eine Bratwurst beißen, ohne dass dafür an finsteren Orten wochen- und monatelang gelitten wird.“
Schonungslos und mit knochentrockenem Humor hat sich Karen Duve der Frage gestellt: Wie viel gönne ich mir auf Kosten anderer?
Autor: Karen Duve |
Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe
Karen Duve kenne und schätze ich eigentlich als Romanautorin. Diesmal hat sie ein Sachbuch geschrieben - und zwar ein sehr persönliches. Ich war schon gespannt auf ihr neues Buch, weil ich bisher fast alles von ihr gelesen habe, mich das Thema „Ethik und Ernährung“ sehr interessiert und ich in letzter Zeit einiges dazu gelesen habe.
Ich muss zugeben, dass mich das Buch am Anfang ziemlich genervt hat. Karen Duve erzählt ihre ganz persönliche Geschichte, was einerseits natürlich besonders interessant ist, andererseits war sie mir – zumindest zu Beginn – nicht gerade sympathisch. Nörgerlig und verjammert, besserwisserisch und einfältig. Sie liefert sich mit ihrer (auch nicht gerade sympathisch gezeichneten Mitbewohnerin) einen moralischen Wettstreit, in dem es darum geht, politisch korrekt zu essen. So fängt eigentlich auch die ganze Geschichte an: Duve möchte sich im Supermarkt mal wieder die 2,99 Euro Grillpfanne kaufen und ihre Mitbewohnerin weist sie darauf hin, unter welchen Bedingungen das Huhn wohl gelebt haben muss, wenn es für 2,99 Euro zu haben ist. Duve beginnt damit, sich Gedanken zu diesem Thema zu machen. Zunächst nur widerwillig, denn immerhin geht es um liebgewonnene Gewohnheiten, und die sind bekanntlich am schwersten zu ändern. Die Autorin nimmt sich dann aber schließlich doch vor, einen Selbstversuch zu starten: Zwei Monate lang möchte sie verschiedene Ernährungsformen ausprobieren und sich mit den jeweiligen „Philosophien“ dahinter beschäftigen. Zunächst bio, dann vegetarisch, dann vegan und schließlich fruktarisch. Sie überzeugt ihren Verleger davon, dass ein Buch zum Thema von großem Interesse ist und beginnt im Januar 2010 mit der Umsetzung ihres Experimentes. Sie kauft nur noch Bio-Produkte, was heutzutage kein allzu großes Problem mehr ist. Leider bemüht sie hier gerne Klischeevorstellungen von Naturkostläden – was längst nicht mehr der Realität entspricht. Bio-Läden sind heutzutage nichts anderes als Supermärkte, die nicht zwangsläufig sehr viel teurer sind als andere Lebensmittelgeschäfte. Duve berichtet von persönlichen Erfahrungen, stellt fest, dass Bio-Tomaten auch nicht besser schmecken als konventionelle (wen wundert's im Januar? Da ist nun mal nicht Tomatensaison) und bewertet verschiedene Produkte. Zum Beispiel findet sie eine bestimmte Bio-Cola furchtbar. Hier scheiden sich natürlich die Geister, denn Geschmäcker sind nun mal sehr verschieden! Die vegane Ernährungsform testet die Autorin sogar 4 Monate lang. Und als Fruktarierin ernährt sie sich nur von Pflanzen, die für ihre Ernährung nicht sterben müssen (z.B. Erbsen, Kokosnüsse, Äpfel usw. im Gegensatz zu einem Salat, der ja für den Verzehr umgebracht werden muss).
Duve berichtet von ihrem Alltag, von ihren Erfahrungen, den Reaktionen in ihrem Umfeld und von Begegnungen mit verschiedenen Menschen, die sich alternativ ernähren oder mit dem Thema zu tun haben. Ihr eigener Schwager ist zum Beispiel Landwirtschaftminister und möchte ihr auf keinen Fall Auskunft hinsichtlich der Massentierhaltung geben.
Im Buch lernt man Karen Duve recht gut kennen. Man erfährt, dass sie sehr tierlieb ist und mit verschiedenen Haustieren (u.a. dem Huhn Piepsi, das sie bei einer Tierbefreiung mitgenommen hat) zusammenlebt. Man liest, dass Karen Duve sich vor einigen Jahren eine Art Kuriositätenkabinett ersteigert hat, das verschiedene ausgestopfte Tiere umfasst (das ausgestopfte Krokodil hat sie leider nicht ersteigern können). Und man bekommt mit, dass Karen Duve sich enorm entwickelt. Ein Denkprozess setzt ein, der es der Autorin unmöglich macht, ihr gewohntes Leben wieder aufzunehmen. Das Buch endet mit fünf Vorsätzen, die Duve als Konsequenz aus den Erfahrungen ihres Selbstversuches gefasst hat. So möchte sie zum Beispiel konsequent auf Fleisch aus Massentierhaltung verzichten – möglichst auf Fleisch im Allgemeinen. Auch ihren Milchkonsum möchte sie einschränken und einmal jährlich eine fruktarische Woche einlegen (immerhin hat sie in ihrer Zeit als Fruktarierin einen enormen Energieschub erfahren).
Das Buch ist sehr persönlich und allgemeinverständlich geschrieben. Durch den persönlichen Aspekt bleibt es auch immer interessant. Der verjammerte Ton, der mich am Anfang genervt hat, war später nicht mehr ganz so schlimm. Ich habe meine Meinung im Verlauf der Lektüre auch stark geändert: Es ist weitaus spannender ein ehrliches Buch zu lesen, das auch aufzeigt, wie es nun mal wirklich ist. Der Mensch ist eben kein Heiliger, der auf liebgewonnene Gewohnheiten einfach so verzichten kann, weil er erfährt, dass man so das Leid in der Welt vermindern kann.
Das Buch ist für alle Menschen geeignet, die sich mit ihren Gewohnheiten und dem Thema Ernährung beschäftigen möchten. Eigentlich sollten das ja alle sein!
Aufmachung des Buches
Das Buch ist fest gebunden und mit einem Schutzumschlag versehen. Auf dem Cover sieht man ein Bild von einem hellbraunen, lebendigen Kaninchen, das dem Betrachter von einem Teller aus entgegenblickt. Hinter dem Kaninchen sitzt eine essbereite Frau mit Messer und Gabel. Das Cover finde ich gelungen. Es spielt bewusst mit dem Motiv der Verdrängung und dem Wunsch einerseits niedliche Haustiere zu haben und andererseits genussvoll Fleisch essen zu können.
Fazit
Wenngleich ich mich mit dem recht „rotzigen“ Ton erst anfreunden musste, bin ich dann doch sehr gut in die Lektüre eingestiegen. Das Thema ist auch einfach unglaublich spannend, weil es uns alle betrifft. Trotz kleinerer Abstriche: Absolut zu empfehlen!
Hinweise
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