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Kategorie: Krimis

An einem düsteren Novembertag finden Bauarbeiter auf dem stillgelegten Flugplatz der US-Armee in Eschborn ein menschliches Skelett, nur wenig später wird eine Frau von einer Brücke auf die Straße gestoßen. Die Ermittlungen führen Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein in die Vergangenheit: Vor vielen Jahren verschwanden in dem kleinen Taunusort Altenhain zwei Mädchen. Ein Indizienprozess brachte den mutmaßlichen Täter hinter Gitter. Nun ist er in seinen Heimatort zurückgekehrt. Als erneut ein Mädchen vermisst wird, beginnt im Dorf eine Hexenjagd.

 

 

Autor: Nele Neuhaus
Verlag: List
Erschienen: 2010
ISBN: 978-3-548-60982-9
Seitenzahl: 533 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Oliver von Bodenstein und seine Kollegin Pia Kirchhoff werden zu einem Skelettfund auf einen stillgelegten Militärflugplatz gerufen. Während ihrer Ermittlungen zur Identität des jungen Mädchens, das wohl nach dem Obduktionsbericht vor 10 Jahren ermordet wurde, werden sie bereits von ihrem nächsten Fall eingeholt. Eine Frau wird von einer Brücke auf die Strasse gestoßen und überlebt nur knapp. Die Frau ist die Mutter von Tobias Sartorius, der vor 10 Jahren in einem Indizienprozess als mutmaßlicher Mörder zweier junger Mädchen überführt wurde. Pia und Oliver vermuten Zusammenhänge zwischen der Entlassung von Tobias und dem Anschlag auf seine Mutter und bald stellt sich heraus, dass auch der Fund auf dem Flugplatz mit Tobias zu tun hat, denn es handelt sich um Laura Wagner, eines der beiden verschwundenen Mädchen. Die beiden Ermittler sehen sich im Heimatdorf von Tobias einer wahren Hetzjagd gegen den vermeintlichen Mörder gegenüber. Es wird selbst vor körperlicher Gewalt gegenüber ihm und seiner Familie nicht zurückgeschreckt. Die einzigen, die zu Tobias halten, sind seine ehemalige Freundin und jetzige Schauspielerin Nadja von Bredow sowie sein Vater Hartmut. Auch Amelie, die aus Berlin zu ihrem Vater nach Altenhain gezogen ist, glaubt nicht an Tobias Schuld und freundet sich mit ihm an. Doch als auch sie plötzlich verschwindet, beginnt es im Dorf zu kochen. Die Bewohner sehen erneut Tobias als Schuldigen und wollen ihn lynchen. Es beginnt eine Hetzjagd, bei der Pia und Oliver gegen die Zeit kämpfen, denn die beiden toten Mädchen von vor 10 Jahren sind genug, es sollen nicht noch mehr Menschen sterben müssen.


Stil und Sprache
Über 500 Seiten für einen Krimi sind schon beachtlich. Die Gefahr dabei, dass die Autorin ins Nebensächliche abschweift, scheint groß, doch Nele Neuhaus scheint diesen Spagat gut geschafft zu haben. Sicherlich wirkt es stellenweise etwas nervig, wenn der Fall eigentlich gelöst scheint und dann noch mehrmals eine Wendung eintritt und man wieder komplett umdenken muss, aber wenn wie bei Frau Neuhaus die Spannung dabei nicht auf der Strecke bleibt, kann man schon mal darüber hinweg sehen.

Die Autorin lässt die Spannung gleich zu Beginn schnell ansteigen, durch die Anfeindungen gegenüber Tobias und die immer wieder erfolgenden Rückblicke kommt nie Langeweile auf, sägezahnartig schraubt sie sich gen Höhepunkt. Der dann, wenn man glaubt, ihn erreicht zu haben, plötzlich und unerwartet erneut raketenartig ansteigt und den Leser wieder mitreißt. Allerdings - zumindest geht es mir so - wird dies nach 500 Seiten etwas anstrengend, man will einfach zum Ende kommen und das Gelesene abschließen.

Die Szenen und Orte werden von Nele Neuhaus sehr detailreich und bildhaft beschrieben, was für eine gute, der Spannung folgenden Atmosphäre sorgt. Der Leser schafft es so sehr leicht, sich in die einzelnen Bilder hineinzudenken. Vor allem die ländliche Gegend, das enge dörfliche Leben und die deswegen allgegenwärtige Verabscheuung gegenüber Tobias sind sehr intensiv und farbig dargestellt. Man spürt die ständigen Blicke und den Hass, der den Jungen täglich begleitet. Der Text ist leicht zu lesen und Sprünge zwischen Charakteren oder zeitlichen Begebenheiten sind gut eingeleitet und leicht zu erkennen. Trotz der vielen Seiten liest sich das Buch aufgrund der interessanten und spannenden Story sehr zügig und es kommt selten Langeweile auf.


Figuren
Pia Kirchhoff und ihr Vorgesetzter Oliver von Bodenstein sind mittlerweile ein gut eingespieltes Team. Sie wissen wie der andere denkt und ergänzen sich perfekt. Doch diesmal beuteln beide auch private Probleme. Pia, die mit ihrem Freund Christoph auf ihrem Pferdehof lebt, steht vor dem Aus. Ihr Hof ist ohne Genehmigung umgebaut worden und soll nun abgerissen werden. Auch wenn sie nach außen die Starke spielt, belastet sie dies doch sehr. Bei den Ermittlungen verlässt sie sich auf ihre Intuition, die sie selten im Stich lässt und auch bei diesem verzwickten Fall immer wieder auf die richtige Spur führt. Sie handelt mit viel Einfühlungsvermögen, was sie extrem sympathisch macht.

Oliver, der eigentlich ihr Vorgesetzter ist, wirkt auf den Leser nicht zuletzt auf Grund seiner privaten Probleme etwas fahrig. Seine Frau Cosima scheint ihn zu betrügen, was sich während der Ermittlungen, als er sie quasi Inflagranti erwischt, leider bewahrheitet. Dies belastet ihn so sehr, dass er fast die Ermittlungen gefährdet und nur durch Pias Hilfe schafft er es wieder, zurück in die Spur zu kommen. Wer in diesem Krimi der Bösewicht ist, bleibt lange im Dunkeln. Tobias Sartorius, der zweifache Mörder, der vom Knast abgestumpft in sein Heimatdorf zurückkommt und feststellen muss, dass alles, was er kannte nicht mehr existiert? Oder vielleicht doch der psychisch kranke Thies, der Sohn von Claudius Therlinden, dem Dorfmogul, der vor nichts zurückschreckt, um sein Image zu wahren. Irgendwie scheint das ganze Dorf etwas mit dem Fall Laura und Stefanie zu tun zu haben und der Leser bekommt präsentiert, was das Wort Dorfgemeinschaft auch bedeuten kann.

Nele Neuhaus präsentiert dem Leser vielfältige, undurchsichtige und deshalb spannende Charaktere, die sehr gut in das Idyll passen und dem Spannungsverlauf der Geschichte gerecht werden. Schwarz und Weiß ist für sie ganz klar ein Fremdwort.


Aufmachung des Buches
Das mit über 500 Seiten nicht gerade dünne Taschenbuch zeigt auf dem Cover einen goldenen Wetterhahn vor einer Gewitterstimmung. Blutflecken, über das Bild verteilt, sorgen für die kriminalistische Stimmung. Durch den Umfang des Buches leidet das selbige bereits nach dem ersten Lesedurchgang, leider. Ansonsten findet sich am Ende des Buches neben der Danksagung der Autorin noch die obligatorische Verlagswerbung.


Fazit
Ein spannender Krimi, mit vielen Wendungen und dadurch immer neuen Aha-Effekten. Aber, für meinen Geschmack zum Ende hin ein bisschen langatmig, da die Spannung aber trotzdem bis zum Schluss erhalten bleibt, kein großer Schaden.


3 5 Sterne


Hinweise
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Backlist
Fall 1:'Eine unbeliebte Frau
Fall 2: Mordsfreunde
Fall 3: Tiefe Wunden