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Kategorie: Krimis

Ausgerechnet am Schreibtisch von Hochwürden wird Colonel Protheroe erschossen aufgefunden. Da genügend Gemeindeglieder allen Grund hatten, den Kirchenvorsteher ins Jenseits zu befördern, ist es Pfarrer Clement besonders unangenehm, dass er selbst gesagt hatte, der Menschheit würde damit ein großer Dienst erwiesen. Wie gut, dass sich Miss Marples Gartentor zur Pfarrei hin öffnen lässt …

 

 

Originaltitel: Murder at the Vicarage
Autor: Agatha Christie
Übersetzer: Irmela Brender
Verlag: Fischer
Erschienen: 09/2009
ISBN: 978-3596511112
Seitenzahl: 388 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Der Pfarrer von St. Mary Mead ist schockiert: Als er von einem Hausbesuch zurückkehrt, findet er nicht nur den Kirchenvorsteher Colonel Protheroe tot an seinem eigenen Schreibtisch, sondern begegnet auch noch dem mutmaßlichen Mörder Lawrence Redding an seiner Haustür. Redding gesteht zwar den Mord kurze Zeit später tatsächlich, aber es gibt noch ein Geständnis, nämlich das der Ehefrau des Colonels. Beide können die Tat aber eigentlich gar nicht begangen haben. Nun entspinnt sich eine variantenreiche Jagd nach dem wahren Täter, an dem nicht nur die Polizei beteiligt ist. Nein, das halbe Dorf einschließlich des Pfarrers mischt mit, hat Ideen, Indizien und Verdachtsmomente. Dass das Rätsel um verstellte Uhren, Alibis und Beweisstücke gelöst werden kann, verdankt man schließlich Miss Marple, einer alten Jungfer, die zufällig neben dem Pfarrhaus wohnt und mehr sieht und weiß als alle ahnen.

Der allererste Fall für die berühmte Miss Marple stammt aus dem Jahre 1930, hat aber bis heute nichts von seiner Aktualität verloren. Bei Agatha Christie geht es immer mehr um „die menschlichen Natur“ als um Fingerabdrücke, und das ist auch heute noch sehr verzwickt, aber auch vergnüglich zu lesen.


Stil und Sprache
Dass ein 80 (!) Jahre alter Roman nicht so klingt, wie man heute Krimis schreibt, versteht sich wohl von selbst. In diesem Fall merkt man dennoch eher am Umfeld der Handlung und an den damaligen Gegebenheiten, dass die Geschichte wirklich schon so alt ist. Vermutlich im Rahmen der Übersetzung wurde der Text behutsam modernisiert, so dass einige Redewendungen zwar ungewohnt, aber nicht allzu angestaubt wirken. Im Gegenteil, Agatha Christie hatte einen unglaublich großen Wortschatz, den sie auch in vollem Umfang nutzte. So tauchen schon mal Worte wieder im Bewusstsein des Lesers auf, die man fast vergessen hatte: „töricht“ ist da ein sehr beliebtes Beispiel oder „Mannequin“ - wer sagt das heute noch?
So erschafft Agatha Christie eine Welt, die einerseits das ländliche England der 30er Jahre wiedergibt: Man schreibt sich Briefe, um mit Nachbarn Verabredungen zu treffen, man gibt Tennis-Partys und schimpft über unfähige Dienstboten. Andererseits entwickelt sie in dieser für uns heute so fremden Welt einen komplizierten Mordfall, den es zu lösen gilt. Gemeinsam mit dem Pfarrer, der rückblickend die Ereignisse aus der Ich-Perspektive schildert, kann man so miträtseln und versuchen, Miss Marple den Rang abzulaufen. Was einem nicht gelingen wird …

Atemlose Spannung und ein furioses Finale wird man hier sicher vergeblich suchen, aber wer einen klassischen „Whodunnit“-Krimi mit Atmosphäre und einer Prise Humor sucht, wird hier fündig werden. Originelle, mit Sprachwitz und Ironie gewürzte Dialoge bilden das Tüpfelchen auf dem I, so macht Krimi Spaß!


Figuren
So ein echtes englisches Dorf hat alles zu bieten, was das Herz begehrt. Einen etwas naiven Pfarrer, der ohne seine praktisch veranlagte Frau verloren wäre, den üblichen Adligen, der weit ab vom Dorf auf seinem Landsitz müßige Tage verbringt, jede Menge alleinstehende, neugierige Damen – und es gibt Miss Marple. Agatha Christie war mit den so beliebten Filmen mit Margaret Rutherford alles andere als glücklich, und wenn man dieses Buch liest, weiß man auch, warum. Christies Miss Marple ist klein und zart, eine Jungfer wie sie im Buche steht, neugierig und höchst interessiert an ihrer Umwelt. In ihrem Garten arbeitet sie besonders gern, weil man dabei alles mitbekommt, was im Dorf passiert. Ihre Mitmenschen wissen das natürlich und viele mögen sie wegen ihrer Fähigkeit, aus kleinsten Begebenheiten ihre  - richtigen - Schlüsse zu ziehen, nicht besonders.

Ein weiterer eklatanter Unterschied zur Film-Miss-Marple besteht darin, dass die „echte“ nie selbst aktiv werden würde. Schon aufgrund ihres hohen Alters und der damit einhergehenden Gebrechlichkeit schickt sie immer andere vor, wenn es um Botengänge oder sonstige Dinge geht, die den Täter überführen könnten. So wirkt sie insgesamt glaubwürdig und man nimmt ihr auch ihre Zweifel an den eigenen Fähigkeiten problemlos ab.


Aufmachung des Buches
In 2009 wurden insgesamt zehn Romane von Agatha Christie in neuer Aufmachung herausgebracht. Es handelt sich um handliche, nur knapp 15 cm hohe, fest gebundene Bücher mit abgerundeten Schnittecken. Der Rücken dieser Büchlein ist jeweils goldfarben, das Titelbild von „Mord im Pfarrhaus“ ist mit einer Schwarzweiß-Fotografie gestaltet, auf der ein halb im Schatten liegendes Kircheneingangsportal zu sehen ist. Ganz am Rand verschwindet fast ein Mensch im weißen Oberteil, von dem nur eine Schulter zu sehen ist. Ein Lesebändchen vervollständigt die hochwertige Aufmachung. Innen gibt es neben durchnummerierten Kapiteln mehrere einfache Zeichnungen, die Pläne des Pfarrhauses, der unmittelbaren Umgebung usw. zeigen.


Fazit
Hier zeigt sich, wie Miss Marple wirklich war: Ihren ersten Fall löst sie souverän, aber nicht im Alleingang, vielmehr nimmt das halbe Dorf daran teil. Der Fall ist spannend und trotz seines Alters durchaus von gewisser Aktualität, gründet er sich doch auf das Verstehen der „menschlichen Natur“, wie Miss Marple es gern ausdrückt. Ein echter Klassiker also, der nichts von seinem Charme verloren hat.


5 Sterne 


Hinweise

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