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Kategorie: Thriller

Alles nur Einbildung…

Siri Bergmann arbeitet als Psychotherapeutin in einer kleinen Gemeinschaftspraxis mitten in Stockholm. Sie ist den Umgang mit seelischen Abgründen und schmerzhaften Geheimnissen gewohnt. Doch seit ihr Mann tödlich verunglückt ist, kämpft sie vor allem mit sich selbst Trotz ihrer panischen Angst vor der Dunkelheit lebt sie abgeschieden am Meer. Als sie eines Morgens auf die Leiche einer Patientin stößt, nimmt ihr Alptraum Gestalt an: Hat Siri versagt - oder will jemand ihr Leben zerstören?

…oder echte Bedrohung?

 

die therapeutin 

Originaltitel: Nagon sorts frid
Autor: Camilla Grebe & Ǻsa Träff
Übersetzer: Christel Hildebrandt
Verlag: btb
Erschienen: 01/2011
ISBN: 978-3442741830
Seitenzahl: 432 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Siri Bergman, Psychotherapeutin aus Stockholm, lebt nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes allein im gemeinsamen Häuschen am Meer. Neben ihrer Trauer muss sie außerdem ihre Angst vor der Dunkelheit bekämpfen, gegen Angstattacken und Depressionen angehen. Trotzdem hat sie sich einigermaßen eingerichtet und versucht, so gut es eben geht, über die Runden zu kommen. Dann verschwindet ihre Katze. Zunächst macht Siri sich keine Gedanken, denn Ziggy war schon immer ein Streuner. Aber dann stößt sie eines Morgens beim Schwimmen im Meer auf die Leiche einer ihrer Patientinnen. Schnell steht fest: Sara ist nicht ertrunken, sondern wurde ermordet. Ganz offensichtlich will jemand Siri schaden. Dann geschehen weitere seltsame Dinge und Siri muss nicht nur um ihren Ruf als Therapeutin fürchten, sondern auch um ihr Leben.

Camilla Grebe und Ǻsa Träff sind Schwestern und haben mit „Die Therapeutin“ ihr erstes gemeinsames Buch abgeliefert. Die Grundidee dahinter ist nicht atemberaubend neu, aber erfrischend und vor allem durchweg spannend umgesetzt.


Stil und Sprache
Nach einem kurzen Vorspann beginnt die eigentliche Handlung im August und mit dem Protokoll einer Therapiestunde. Diese kurzen Kapitel werden auch im Laufe der Handlung immer wieder eingeschoben, dabei erzählt stets Siri aus der Ich-Perspektive in der Gegenwart, ebenso wie in den eigentlichen „Erzählkapiteln“. Mit diesen Wechseln zwischen den Erzählebenen gelingt es den Autorinnen einerseits von Anfang an, eine hohe Dynamik in die Handlung zu bringen, andererseits lernt der Leser viele Personen kennen, Kollegen, Patienten und Freunde Siris, von denen im Laufe der Handlung so einige als Täter in Frage kommen. Der Täter selbst kommt aber auch – natürlich ohne Preisgabe seiner Person – zu Wort, in wenigen kursiv gedruckten Abschnitten schildert er seine Perspektive.

Der besondere Reiz dieses Romans ergibt sich aus der absoluten Verwirrung des Lesers, was die Identität des Täters angeht. Man verdächtigt im Laufe der Geschichte irgendwann jeden der Beteiligten, um dann doch am Ende vollkommen überrascht zu werden. Klasse! Dabei ist die Story trotz der zeitweise recht komplexen Handlung leicht und flüssig zu lesen, auch hier kommt der typisch „schwedische“ Stil wieder durch. Klare, nicht zu lange Sätze, dazu schöne Schilderungen von Orten und Eindrücken, so macht Lesen richtig Spaß. Auch die doch recht häufig stattfindenden Therapiesitzungen mit Fachtermini stören nicht, sind sie zwar fachkundig, aber nie in Fachchinesisch erzählt. Hier wissen zwei Profis, was sie tun - und vermitteln ihre Botschaft nicht mit dem Holzhammer, sondern sensibel und mit Gespür für den schmalen Grat zwischen Neurose und soziopathischem Verhalten.

Und was die Grundidee angeht: Eigentlich mag ich weder latent depressive Protagonisten noch dieses typische Verfolgungsszenario („Bilde ich mir alles nur ein oder werde ich wirklich verfolgt?“) besonders gern. Aber hier ist das Ganze dermaßen geschickt umgesetzt, dass man einen echten Pageturner in der Hand hält und ihn auf keinen Fall vorzeitig aus der Hand legen mag.


Figuren
Warum sind die Skandinavier eigentlich so unschlagbar gut im Romaneschreiben? Ich bin mittlerweile überzeugt, es liegt an den Figuren. Immer wieder neue, originelle Charaktere mit echtem Sympathiebonus machen für mich gute Krimis und Thriller aus. So wie Siri, die einem trotz all ihrer Probleme direkt sympathisch ist, die man zu kennen meint und der man gerne helfen möchte. Auch wenn sie als Psychotherapeutin ihre eigenen Probleme nur zu gut kennen müsste, viel zu viel billigen Wein trinkt, wenn sie Kummer hat, stur und bockig ist, so muss man sie doch einfach mögen.

Auch die Menschen um Siri herum wirken mal mehr, mal weniger sympathisch, aber immer echt. Da ist zum Beispiel Siris beste Freundin Aina, die ihr grundsätzlich zur Seite steht, aber eben nicht alles rückhaltlos befürwortet, was Siri tut. Stattdessen sagt sie ihr auch mal die Meinung, ist eifersüchtig oder beleidigt. Solche Kleinigkeiten machen den besonderen Charme vieler schwedischer Krimis und Thriller aus, ebenso wie die vielen anderen Nebenfiguren, die allesamt liebevoll ausgedacht und lebendig beschrieben sind. Dass insbesondere Siris Patienten und auch sie selbst mit all ihren Neurosen überaus realistisch daherkommen, haben wir sicher Ǻsa Träff zu verdanken, die in ihrem Beruf als Psychotherapeutin wohl so Einiges erlebt hat.


Aufmachung des Buches
Das in Klappenbroschur ausgeführte Taschenbuch ist ganz in Rot und Weiß gehalten. Auf dem Cover sieht man eine stark rot verfremdete Meeresküste, Wellen spülen auf einen flachen Strand, darüber ein dunkler Wolkenhimmel. Innen ist das Buch nach Monaten (August bis Dezember) aufgeteilt, die einzelnen Kapitel sind weder nummeriert noch mit Überschriften versehen. Insgesamt also eine eher schlichte Aufmachung, die aber gut zum Buch passt.


Fazit
Ein spannendes, völlig unvorhersehbares Debüt mit tollen Darstellern, einer klug konstruierten Geschichte und viel Atmosphäre. Sicher kein atemloser Thriller, der einen Adrenalinschub nach dem anderen hervorruft, stattdessen eher ein Roman der leisen Töne. Hoffentlich gibt es bald mehr von diesen mörderischen Schwestern zu lesen!


5 Sterne

 

Hinweise
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