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Als der Bauarbeiter José María des Mordes verdächtigt wird, flüchtet er sich unbemerkt in die Villa, in der seine Geliebte Rosa als Hausmädchen arbeitet. Wochen, Monate, Jahre vergehen, in denen er Tag für Tag voller Obsession das Leben der Bewohner beobachtet. Und er muss mitansehen, wie Rosa Schlimmes angetan wird …

 

 

Originaltitel: Rabia
Autor: Sergio Bizzio
Übersetzer: Sabine Giersberg
Verlag: DVA
Erschienen: August 2010
ISBN: 978-3-421-04416-7
Seitenzahl: 238 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Der Inhalt wird vom Verlag schon sehr gut umrissen, deshalb möchte ich dem nicht mehr allzu viel hinzufügen. Ich muss zugeben, vor Beginn der Lektüre konnte ich mir – wider der positiven Kritiker- und Leserstimmen - nur schwer vorstellen, wie der Argentinier Sergio Bizzio den Spannungsbogen über die ganze Romanlänge aufrechterhalten will mit einem Plot, der sich zwangsläufig in sehr eng gesteckten Möglichkeiten bewegt. Handlungsort ist mit der Blinder-Villa immer derselbe, der Personenkreis, bestehend aus María, Rosa und der Familie Blinder, ist ebenfalls recht bescheiden und über Jahre von einem Versteck heraus dem Treiben des unmittelbaren Umfelds zu lauschen, was soll daran denn schon spannend sein? Aber ich wurde eines Besseren belehrt! Zwischen Ungläubigkeit und Faszination hin- und hergerissen, verfolgte ich die außergewöhnliche Handlung bis zum finalen Tusch. Mit einer alles dominierenden Hauptfigur verwandelt der Autor seinen Roman in eine grandiose Ein-Mann-Show.


Stil und Sprache
Geschrieben ist die Geschichte in der 3. Person von einem außenstehenden, neutralen Erzähler. Einführend wird dem Leser zunächst die nach strengen Regeln ablaufende Beziehung von María und Rosa vorgestellt, die aus der örtlichen Nähe ihrer beider Arbeitsplätze durch eine Zufallsbegegnung im nächsten Supermarkt entstand. Dieser Abschnitt ist in schnell wechselnden Erzählperspektiven geschrieben, so dass man auch andere Sichtweisen als die der Hauptfigur María erhält. Von dem Moment an, als Rosa und María bei einem ihrer Schäferstündchen durch die vorzeitige Rückkehr der Blinders, Rosas Arbeitgebern, gestört werden und María ohne Rosas Wissen in die Mansarde im vierten Stock des Hauses flüchtet, sehen sie sich nicht wieder, d.h. Rosa weiß nicht, dass sich ihr Geliebter im selben Haus aufhält wie sie.
Im Folgenden richtet sich die Erzählperspektive allein auf María und alles Geschilderte erstreckt sich auf das Hier und Jetzt. Wie er sich z.B. anfangs vor lauter Angst entdeckt zu werden, kaum aus seinem Versteck herauswagt, im Laufe der Zeit dann aber immer selbstsicherer wird, bis er beinahe zwanglose Bewegungsfreiheit im gesamten Haus genießt. Doch gerade sein an Leichtsinnigkeit grenzendes Sicherheitsgefühl bringt ihn immer wieder in unvorhersehbare Situationen und Zwangslagen, bei denen er nur haarscharf einer Entdeckung entkommt und mir jedes Mal den Atem stocken ließ. Zusätzliche Brisanz bekommt die Geschichte durch Marías übermäßige, obsessive Fixierung auf Rosa und seine rasende Eifersucht. In der Hinsicht ist er wie ein wandelndes Pulverfass, das jederzeit hochgehen kann.

Dank Bizzios eingestreuten Prisen feiner Ironie sind die Spannungsschraube und das nicht ausbleibende Gefühl von Beklemmung nicht permanent spürbar. Ansonsten ist Bizzios Sprache geradlinig und klar und richtet sich hauptsächlich auf das aktuelle Geschehen. Dargebracht wird sie in prägnanten, kurzen oder höchstens mittellangen Sätzen. Mit einem angenehm großen Schriftbild und kurzen Kapiteln lesen sich die knapp 240 Seiten flott weg.


Figuren
Bei diesem Plot fragt man sich als Leser automatisch, wie kann sich ein Mensch nur freiwillig einsperren? Wie erträgt er diese Situation? Wird man da nicht verrückt? Sergio Bizzios Protagonist passt sich seiner ungewöhnlichen Lage erstaunlich schnell und gut an. Es kommen keinerlei Anzeichen von Unwohlsein auf. Im Gegenteil, María erfreut sich sogar seiner „Freiheiten“ gegenüber dem wirklichen Gefängnis, wo er sich zweifelsohne aufhalten würde, so mutmaßt er, hätte er sich an jenem Tag nicht in die Mansarde geflüchtet. Über Marías früheres Leben erfährt man nicht viel, denn sein ganzes Denken dreht sich um das aktuelle Geschehen. Er ist kein Sympathieträger, der einem sofort ans Herz wächst, aber seine Gedankengänge und Taten sind nachvollziehbar, selbst wenn man sie als Leser nicht unbedingt gutheißen kann.
Der weitere Personenkreis besteht aus Rosa und der Familie Blinder. Diese Figuren bleiben um ein Vielfaches vager als María selbst. Die Blinders scheinen María als unfreiwillige Gastgeber zu genügen, darüber hinaus interessieren sie ihn kaum. Bei Rosa sieht es da ganz anders aus, denn María liebt sie abgöttisch. Mit Argusaugen überwacht er all ihre Bewegungen und reagiert mit rasender Eifersucht, als er merkt, dass Rosa von anderen Männern umworben wird. Weil er aber nur wenig dagegen tun kann, sammelt sich in ihm eine „stille Wut“ …


Aufmachung des Buches
Es handelt sich um eine gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag. Nur, was hat man sich bloß bei der Covergestaltung gedacht? Ein hässlicheres und unpassenderes Motiv als diesen grau in grau inszenierten Sessel hätte man meiner Meinung nach für das Buch kaum finden können. Andere Länder wie Frankreich, Spanien oder die USA haben da eine wesentlich bessere Wahl getroffen. Auf der schwarzgrundierten Rückseite ist unterhalb der Inhaltsangabe der Autor in schwarz-weiß abgebildet.


Fazit
Der Roman des Argentiniers Sergio Bizzio ist zwar nicht als Thriller deklariert, dennoch weist er Wesenszüge auf, die einem Psychothriller nahekommen. Die außergewöhnliche Grundidee wurde ebenso überzeugend wie spannend umgesetzt. Hin- und hergerissen zwischen Staunen, Faszination und Ungläubigkeit, ist man kaum in der Lage, das Buch beiseite zu legen.


5 Sterne


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