Seine Welt ist die Nacht, seine Sehnsucht die Liebe
Unter der heißen Sonne Spaniens will Graf Stanislaw, der Vampir, ein neues Leben beginnen - ohne Liebe, ohne Zärtlichkeit, allein. Doch die Sehnsucht nach dem Glück, das er nur einmal in seinem ewigen Leben spüren durfte, lässt ihn nicht los. Und als er auf Kyrill trifft, einen Vampir, der ganz ohne Skrupel lebt, erwacht auch in ihm wieder die Gier nach Blut.
Autor: Sylvia Madsack |
Die Grundidee der Handlung
Graf Stanislaw von Lugosy hat der Liebe wegen seine geschätzte Existenz in der Schweiz aufgegeben und sich in einer Finca in den Bergen bei Málaga nahe Mijas in Andalusien niedergelassen. Geblieben sind ihm die Erinnerungen an Daphne da Silva, jene junge Frau, die ihm zeigte, was Glück und Liebe bedeuten. Doch Liebe soll es für ihn fortan nur noch in Form lesenswerter Literatur geben. Das lebendige Volk an der Costa del Sol bietet Ablenkung und ermöglicht ihm ein unauffälliges Dasein in der Menge seltsamer Typen, die vorwiegend nachts aktiv sind. Er muss sich nun nicht mehr rücksichtsvoll an Blutkonserven und kleineren Tieren laben. Der Tod der jungen Frauen macht ihm nichts aus. Kein Bedauern, allerdings auch keine Genugtuung. Das Schicksal führt ihn mit Joanna, eine angehende Medizinstudentin, zusammen. Wie es der Zufall will, treffen sie zweimal in kürzester Zeit aufeinander. Doch da aller guten Dinge bekanntlich drei sind, lädt Stanislaw alias Lazlo von Drakossy sie auf einen Drink ein. Weitere Begegnungen tun ihm gut. Dennoch überfällt ihn eine tiefe Sehnsucht nach Igor. Mit Kyrills Hilfe lässt er seinen treuen Begleiter nach Spanien überführen - nicht ahnend, dass sich weitere Bekannte auf dem Weg zu ihm befinden. Darius möchte um Daphnes' Seelenfrieden Willen eine Aussprache zwischen Stanislaw und ihr herbeiführen. Zunächst bietet Stanislaws Verhalten wenig Aussicht auf Erfolg. Als nicht nur Darius, sondern auch Daphne den Grafen in Begleitung Joannas beobachten, scheint die Versöhnung gescheitert. Auch Kyrill ist Stanislaws Interesse an Joanna nicht verborgen geblieben und zudem ein Dorn im Auge. Nachdem er die Bekanntschaft mit Darius und Daphne macht, heckt er einen skrupellosen Plan aus, seinen Widersacher loszuwerden. Weitere Vampire schließen sich dem Jüngling der Gemeinschaft an. Stanislaw hat gegen die Regeln agiert und dies verlangt nach Strafe …
Stil und Sprache
In „Tausend Augen hat die Nacht“ findet die Vampirsaga um den legendären Graf Stanislaw von Lugosy eine würdige Fortsetzung um Liebe, Leid, Freundschaft, Familie und natürlich dem Fluch der Ewigkeit. Sylvia Madsack greift den roten Faden des Vorbandes auf, indem sie dem mächtigen Vampir nach Spanien folgt. Dezent gestreute Rückblicke auf „Melodie der Nacht“ ermöglichen auch Neulingen einen leichten Einstieg in die Geschichte. Doch zunächst versetzt der Prolog den Leser weit in die Vergangenheit. Die Erklärung, was genau es damit auf sich hat, lässt ein Weilchen auf sich warten, führt jedoch zu einem überraschenden Aha-Erlebnis, mit dem die Autorin punktet. In drei Teilen mit zusammen fünfundzwanzig Kapiteln wird hiernach aus verschiedenen Perspektiven an Stanislaws Flucht aus Zürich angeknüpft. Sylvia Madsack bleibt dabei ihrem gemächlichen, flüssig zu lesenden Erzählstil in dritter Person Singular treu. Der Leser darf sich erneut auf detaillierte Beschreibungen von Personen, Schauplätzen und der Kultur des Landes freuen. Wechselnde Handlungsstränge setzen Akzente und beleben die Geschichte.
Die Hauptfigur verändert sich nicht nur im Äußeren, sondern vorübergehend auch im Verhalten. Als Jahrhunderte alter Vertreter seiner Art vergisst er dennoch weder seine formvollendeten Manieren noch sein adrettes Auftreten. Die Eigenschaften entsprechen weitgehend den Erwartungen klassischer Vampirliteratur. Mit Stanislaws Erinnerungen und Sehnsüchten und auch Daphnes Leid erhält der Roman eine stark melancholische Note. Als Daphne schließlich den Kampf um ihre gemeinsame Liebe aufnimmt, hat Stanislaw bereits regen Kontakt zu Joanna. Ein spannender Konflikt steht bevor. Nicht nur die vermeintliche Ménage à trois fesselt ans Geschehen, auch der weitaus jüngere Vampir Kyrill zeigt deutliches Revierverhalten und bedeutet zweifelsohne Gefahr. Der Showdown des Romans bedarf keiner actionreicher Effekte oder regen Blutvergießens, zeigt dennoch seine Wirkung. Der Abschluss des Romans lässt wie beim Vorband alle Optionen offen. Man darf auf die Fortsetzung gespannt sein …
Figuren
Im Mittelpunkt der Vampir-Saga steht einmal mehr Graf Stanislaw von Lugosy alias Lazlo von Drakossy. Der Liebe entsagend ist er von Zürich nach Málaga geflüchtet, um sich eine neue oder vielmehr weitere Existenz aufzubauen. Stanislaw ist der Elder Statesman der Vampirgesellschaft; der mächtigste Vampir Europas, jedoch seit jeher Außenseiter. Als Einzelgänger lastet die Einsamkeit schwer auf ihm. Nach seinem Verzicht auf Daphne schwelgt er in Melancholie. Doch alsbald weckt die zweiundzwanzigjährige Joanna, Hundeliebhaberin und Medizinstudentin in spe, sein Interesse. Sie scheint furchtlos zu sein und trotz ihrer jungen Jahre ein immenses Wissen in sich zu tragen. Joanna ist sensitiv veranlagt. Neben anderen paranormalen Begabungen ist sie beispielsweise der Telekinese mächtig. Sie hat eine schnelle Auffassungsgabe und eine gute Intuition. Zwischen ihr und Stanislaw besteht von Beginn an eine besondere Vertrautheit, die den Weg wahrer Freundschaft ebnet. So scheint es selbstverständlich, dass sie zunehmend Zeit miteinander verbringen. Auch Kyrill kann sich der Anziehungskraft der jungen Frau nicht erwehren. Er ist ebenfalls ein Vampir, mit seinen hundertfünfzig Jahren dem Vampirfürsten jedoch weit unterlegen. Der russische Prinz der Nacht tarnt sich als Rohstoffhändler und führt als Nebenerwerb das ‚Dark Side of the Moon’. In der hippen Diskothek treffen sich das Party begeisterte Volk, Touristen und Golfer, aber auch Drogenbarone, Waffenhändler, Zuhälter und deren Gespielinnen.
Der weltgewandte Darius und die anfangs stark angeschlagene Daphne da Silva nehmen erneut ihre Rollen ein. Daphne leidet sehr unter Stanislaws Zurückweisung. Sie lässt sich nicht nur optisch gehen, sondern meidet auch die Musik. Erst als Darius ihr eröffnet, gemeinsam dem Grafen einen Besuch abzustatten, blüht sie wieder auf.
Sylvia Madsack führt zum einen die Entwicklung ihrer Charaktere kontinuierlich fort und bietet zum anderen durch weitere Figuren neue Anreize im Gesamtgeschehen. Mit viel Liebe zum Detail beschrieben, fällt es dem Leser nicht schwer, sich in die jeweilige Person hineinzuversetzen und ihren Gedanken, Gefühlen und Handlungen zu folgen.
Aufmachung des Buches
Auch der zweite Band der „Graf-Stanislaw-Saga“ erscheint als Hardcover mit Schutzumschlag im Hoffmann und Campe Verlag. Das Motiv spricht sich für das düstere Timbre des Romans aus. Im Spiel von Licht und Schatten ist eine junge Frau in dunkler Kleidung zu sehen. Hinter ihr flattert ein rosa Seidentuch. Das Serienlayout greift den Kontrast zwischen Umschlaggestaltung und Titel auf, verzichtet allerdings auf ein gefärbtes Vorsatzpapier und die lieb gewonnenen Szenentrenner. So muss sich der Leser leider mit einer recht nüchternen Innengestaltung des Buches zufrieden geben.
Inhaltsbeschreibungen auf Rückseite und Innenklappe wecken auch dieses Mal Neugier und Spannung.
Fazit
„Tausend Augen hat die Nacht“ ist ein gelungener Nachfolger von „Melodie der Nacht“. Insgesamt wirkt die Fortsetzung um Graf Stanislaw von Lugosy etwas moderner, ohne jedoch der Nostalgie komplett den Rücken zu kehren. Sylvia Madsack legt großen Wert auf die Entwicklung ihrer Charaktere, lebendige Beschreibungen der Schauplätze versetzen den Leser zudem mühelos an den Ort des Geschehens.
Hinweise
Rezension von Patricia Merkel
Herzlichen Dank an den Hoffmann und Campe-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
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