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1689. Im Streit um die englische Thronfolge ist das Hochland zutiefst gespalten. Die MacDonalds halten den Stuarts die Treue, die Campbells unterstützen den neuen König. Gegen den Willen ihrer Familien holt Sandy Og MacDonald die junge Sarah Campbell als seine Braut nach Glencoe. Zwischen ihnen ist es Liebe auf den ersten Blick. Als Sarah nach mehreren Totgeburten einen verkrüppelten Sohn zur Welt bringt, wird sie von den Frauen des Clans noch mehr verachtet. Sandy Og erntet ob seiner Sanftheit nichts als Hohn und Spott. Gleichzeitig spitzt sich der Zwist zwischen den MacDonalds und den Campbells zu. In einer eiskalten Winternacht kommt es zu einem Blutbad, wie es das Hochland noch nicht gesehen hat. Können ausgerechnet Sarah und Sandy Og, die Außenseiter, ihren Clan vor dem Untergang retten?

 

Glencoe B 

Autor: Charlotte Lyne
Verlag: Lübbe Ehrenwirth
Erschienen: 25. September 2010
ISBN: 978-3431038194
Seitenzahl: 640 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Das Massaker von Glencoe, das Charlotte Lyne zum Thema ihres neuen Buches machte, ist ein schwieriges und trauriges Kapitel in der Geschichte der Schotten. Dieses Massaker, das heute noch als „schwarzer Fleck“ in der Historie Schottlands aufscheint, hatte aber einen langen Hintergrund. Ganz kurz gerafft: Die McDonalds und die Campells sind seit Jahren verfeindet. Der protestantische König Jakob II wurde 1688 gezwungen abzudanken, Wilhelm von Oranien wurde der Thron angeboten und die schottischen Hochlandbewohner, die Clans, rebellierten. Es kam zu mehreren Schlachten, aber letztlich unterlagen die Rebellen, und König Wilhelm bot den Hochlandclans eine Amnestie an, wenn diese bis zum 1. Januar 1692 den Treueid auf ihn ablegen würden. Die meisten nahmen dieses Angebot an. Alastair McDonald, 12. Chief von Glencoe, ließ sich aber so viel Zeit wie möglich und wollte erst am letzten Tag der Frist den Eid ablegen. Durch unglückliche Umstände verspätete er sich und musste wegen Abwesenheit Sir Colin Campells, der den Eid entgegennehmen sollte, noch Tage warten. Als er den Eid schließlich ablegte, waren die McDonalds sich sicher, dass alles ordnungsgemäß gelaufen war. Dessen war aber nicht so, denn einigen ihrer Gegner kam der verspätet abgelegte Eid sehr entgegen und sie nahmen die Gelegenheit wahr, sich ihrer Feinde zu entledigen. Gut einhundert Soldaten unter dem Kommando von Robert Campell zogen durch die Hochtäler und nahmen schließlich Quartier bei den McDonalds. Diese fanden sich der Gastfreundschaft verpflichtet und bewirteten und versorgten die Kompanie. Eines Abends erhielt der Kompanieführer, Robert Campell, ein Schreiben im Namen des Königs, dass am frühen Morgen der ganze Clan getötet werden sollte, nur die Menschen, die schon über 70 Jahre alt waren, dürften verschont bleiben. Dieses Massaker ging aufgrund der niederträchtigen und verachtenswerten Vorgehensweise in die Geschichte ein.


Stil und Sprache
Charlotte Lyne erzählt nicht einfach, sondern schafft eine cineastische Szenerie, die plastischer nicht sein könnte. Sprach- und wortgewaltig, farblich kräftig wie das saftige Grün der Hochlandtäler, durch die aber stets ein kaum durchsichtiger Nebelschleier schwebt, entführt sie den Leser in das auslaufende 17. Jahrhundert.
Kein Buch, das einfach zu lesen ist, zu schwer und auf´s Gemüt schlagend ist die Thematik, zu redundant und dennoch hermeneutisch wird das Geschehen geschildert. Dieses Buch fordert zum Überdenken auf, verlangt ein Analysieren des Gelesenen, postuliert die gesamte Aufmerksamkeit des Lesers und gibt ihn erst dann wieder frei, wenn er das letzte Wort gelesen hat, nur um noch lange in seinem Kopf zu verweilen. Nicht einfach ein Roman, sondern ein Epos, eine sensuelle Herausforderung, eine Reminiszenz an Glencoe; nicht geeignet zur Entspannung und zum leichten Entführen lassen. Alle Sinne sind gefordert, denn nur so kann man die geballte Kraft, die Empathie der Autorin für die einzigartigen Menschen Glencoes, und die Tragweite des damaligen blutigen Gemetzels annähernd erfassen.
Neben dem Erzählstrang über das Leben und die Vorgeschehnisse, die zu dem grausamen Massaker führen, gewährt die Autorin ab und an noch einen Einblick in das Denken und Handeln von Königin Mary, Gattin von William von Oranien.

Charlotte Lyne hat die seltene Gabe, eine Geschichte auf hohem Niveau und gleichzeitig mitreißend, sensibel und spannend zu erzählen.


Figuren
Charlotte Lynes Darsteller sind alles andere als einfach in Schablonen klebende Figuren. Ihre Menschen leben, haben eine Seele, haben Ängste und Hoffnungen, sind schwach und haben ihre Stärken, man kann sie verstehen und sich mit ihnen identifizieren, aber man könnte sie oft am liebsten nehmen und schütteln, ob ihrer Sturheit, ihres Selbstmitleides und ihrer Melancholie.
Sandy Og und Sarah (eine Campell, die Sandy Og in jungen Jahren entführt hat) sind die Protagonisten, um die die Autorin das ganze Ausmaß des Dramas gesponnen hat. Ein Paar, das sich innig liebt, aber keinen Zugang zueinander findet, da sie sich stets selbst im Wege stehen und es nicht schaffen, ihre Gefühle in Worte zu fassen. Alistair McDonals, der alte Clan-Führer, ist von seinem Tun und Handeln stets überzeugt und hegt keine Zweifel, dass der Fortbestand des Clans bei seinen Söhnen gesichert ist.

Viele Figuren sind historisch belegt, andere sind fiktiv, aber alle lernt man persönlich kennen und leidet und hofft mit ihnen und nicht selten sitzt einem ein dicker Kloß im Hals, da man so in das Geschehen involviert ist, dass ihre Verluste und Sorgen schier zu eigenen werden und man sie ebenso empfindet. Die Menschen wachsen einem ans Herz, sie werden nicht nur gute Bekannte, sondern Freunde, und man liebt und man hasst mit ihnen und obgleich man weiß, wie alles enden wird, kann man den kleinen Hoffnungsfunken, der stets irgendwo im Hinterkopf ist und meint, dass sich vielleicht doch alles zum Guten würde wenden, einfach nicht löschen. Die Flucht der McDonalds vor den Tentakeln ihrer Schlächter gelingt nur wenigen und am Ende des Buches ist es, als sei ein Teil von einem selbst bei ihnen geblieben.


Aufmachung des Buches
Dieses Buch ist eine Augenweide! Sehr schade, dass Bücher mit so einer schönen Aufmachung wie dieser sehr selten aufgelegt werden.
Ein optisch ansprechendes, gebundenes Buch, welches einen mit dem geschmackvoll arrangierten und ausdrucksstarken Motiv des Schutzumschlages sofort anspricht. Entfernt man den Schutzumschlag, so darf man überrascht feststellen, dass sogar der kartonierte Umschlag äußerst edel designt ist, denn dieser ist mit samtig glänzenden, auberginefarbenen Reliefpapier überzogen. Schlägt man das Buch auf, so setzt sich innen fort, was außen versprochen wird. Landkarten mit den Schauplätzen, ein ausführliches Glossar, ein interessantes Nachwort und auch ein sehr hilfreiches Personenregister bereichern das Buch, welches noch mit einem farblich passenden Lesebändchen komplettiert wird. Dies ist ein Buch, wie man es sich als Bibliophilist nur wünschen kann, denn das Buch ist nicht nur visuell ansprechend, es wird innen gehalten was außen versprochen wird.


Fazit
Dieses Buch verlangt die ganze Aufmerksamkeit des Lesers und dieser muss auch bereit sein, sich darauf einzulassen. Wer leichte, seichte Abwechslung einfach zum Entfliehen in eine andere Welt sucht, wird mit „Glencoe“ nicht glücklich sein. Bei diesem Roman muss der Leser bereit sein und Zeit haben, darf den Kopf nicht voll von anderen Dingen haben, denn nur dann wird er das hohe Niveau, die kraftvolle und bildhafte Sprache mit den wahrlich zum Leben erweckten Figuren im ganzen Ausmaß genießen können (insofern man bei dieser Thematik davon sprechen kann). Eine uneingeschränkte Empfehlung!


5 Sterne


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