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Unter Schnee und Eis lauert der Tod. Eine alte Macht erwacht zum Leben. Und nur eine Gruppe verschworener Freunde kennt ihr Geheimnis ...

 

Weisser_Schrecken 

Autor: Thomas Finn 
Verlag: Piper
Erschienen: Oktober 2010
ISBN: 978-3492267595
Seitenzahl: 492 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Perchtal ist ein kleines, sehr abgeschieden gelegenes Dorf im Berchtesgadener Land. Im Dezember 1994 wird das kleine Dörfchen vollkommen eingeschneit und für mehrere Tage von der Außenwelt abgeschnitten. Gleichzeitig geschehen äußerst seltsame Dinge. Elke gleitet beim Schlittschuhlaufen aus und blickt plötzlich in die Augen eines im Eis eingeschlossenen Gesichtes. Es sind ihre eigenen Augen und ihr eigenes Gesicht. Nach dem ersten Schrecken glaubt sie dann aber zunächst daran, sich dies eingebildet zu haben und verschweigt es ihren Freunden. Das Bergungsteam verhält sich dann sehr seltsam und auf dem Heimweg wird die Unsicherheit dann so groß, das sie mit ihren Freunden über die Sache redet. Elke überredet die Jungs, in der Nacht in die Leichenhalle einzusteigen, um einen Blick auf den Leichnam zu erhaschen.  Die drei gehen mitten in der Nacht in die Leichenhalle, was sie dort erleben, reißt sie in einen Strudel aus Ohnmacht, der sie nicht mehr loslassen wird. Ein Alptraum ohne Ende beginnt ... 

"Der ultimative Thriller für alle Stephen-King-Fans!", so wird Thomas Finns neuestes Werk auf den Buchdeckeln beworben. Es handelt sich dann auch tatsächlich um einen reinrassigen Thriller mit Mystery-Elementen. Allen, die ein weiteres Fantasy-Werk aus der Feder von Thomas Finn erwarten, sei hiermit angeraten, dies zu bedenken. "Weißer Schrecken" ist ein hervorragender Thriller, in den die Sagen, Brauchtümer und Legenden rund um den Nikolaus und Knecht Ruprecht eingearbeitet sind, eine vielschichtige und sehr spannend geschriebene Erzählung. Finn versteht es ausgezeichnet, exzellent recherchierte Fakten mit Fiktion zu verbinden und daraus einen ungeheuer fesselnden Plot zu weben.


Stil und Sprache

Sprachlich kann Thomas Finn leider nicht immer überzeugen. Er verwendet eine sehr schnörkellose Sprache, die irgendwie nicht so recht zu diesem doch recht mystischen Stoff passen will. Irgendwie fehlen mir bedrohlich düstere Passagen, die zusätzlich die Stimmung anheizen. Der sehr gut aufgebaute Spannungsbogen leidet jedoch nicht darunter und so kann man darüber auch hinwegsehen. Zumindest lässt sich der Text durch den sehr einfachen Satzbau ungemein flüssig lesen. Leider haben sich beim Lektorat auch eine Menge Schreibfehler eingeschlichen. Besser gesagt, es handelt sich um korrekt geschriebene Worte, die aber an einer völlig falschen Stelle stehen. Aus dem Satzzusammenhang ist ganz klar ersichtlich, dass an der jeweiligen Stelle ein völlig anderes Wort stehen sollte. Offensichtlich wurde hier viel mit automatischer Rechtschreibkorrektur gearbeitet, ohne den Text am Ende noch einmal durchzulesen. Mir ist jedenfalls schon lange nicht mehr ein Buch mit so peinlichen Schreibfehlern untergekommen.

Ein echter Stolperstein sind außerdem einige Textpassagen, in denen sich einig der Dorfbewohner in einer Art bayrischer Umgangssprache äußern. Um dies darzustellen, hat Finn einen sehr unbefriedigenden Weg gewählt. Im Dialekt konnte/wollte Thomas Finn offensichtlich nicht schreiben, daher hat er das Ganze weitgehend ins Hochdeutsche übertragen und dabei einige typische umgangssprachliche Floskeln beibehalten. Offensichtlich wollte er eine klare sprachliche Abgrenzung der älteren Dörfler, die noch mehr mit den alten Traditionen und damit auch mit dem traditionellen Dialekt, verbunden sind. Das Ergebnis seiner Bemühungen liest sich grausig, hier ein kleiner Textauszug:

"Ah, da schau her! Bestimmt von eurem Geschichtslehrer, dem gespusigen Herrn Köhler. Und das sage ich, obwohl der ja drüben aus dem Österreichischen stammen tut. Ich weiß ja nicht, warum die bei uns immer Lehrer aus der Fremde einstellen müssen. Als wenn es nicht genug Lehrer aus dem Berchtesgadener Land geben tät. Und die meisten von denen Herrn Lehrer tun den lieben langen Tag ja eh nichts."

Nachdem ich mich durch die ersten Sätze dieser Art durchgerungen habe, bin ich dazu übergangen, die Worte regelrecht zu überfliegen und mir dabei im Kopf den eigentlichen umgangssprachlichen Satz wieder zusammen zu bauen. Das klapppte eigentlich ganz gut, aber ich habe auch mal ein Jahr lang in Bayern gelebt, kenne also die Ausdruchksweise recht gut. Glücklicherweise sind diese Passagen nicht sonderlich häufig, wodurch dieses Manko nicht allzu schwer wiegt.

Die ersten 100 Seiten plätschert die Handlung zunächst recht gemächlich vor sich hin. Dann überschlagen sich die Ereignisse und ziehen den Leser voll in ihren Bann. Die fünf Freunde tragen immer mehr Informationen zusammen, doch werden sie durch die zunehmende Erkenntnis nicht beruhigt. Im Gegenteil, das Gefühl, dass ein unvorstellbares Grauen in diesem Dorf wohnt, nimmt immer mehr Gestalt an. Ab Seite 100 ist der Plot zunehmend fesselnd, um schließlich auf den letzten 30 Seiten in einem spektakulären Finale zu enden. Leider bringt Finn das Ganze nicht wirklich zu Ende und der recht unbefriedigende Epilog, der im Jahr 2026 spielt, öffnet die Türe für eine potentielle Fortsetzung. Schade, das wäre auch besser gegangen.

Am Ende kommt dann erneut ein gewaltiger Fehlgriff, als Finn den "Rauen" dann zum Außerirdischen degradiert. Nachdem er eine wirlich gute Geschichte inszeniert hat, die vor brillant recherchierten Fakten nur so strotzt, gräbt er plötzlich einen Meteoriteneinschlag aus, mit dem ein Wesen aus dem All auf die Erde gelangt sein soll. Was bitte soll denn das für eine bescheuerte Idee sein? Das ist dann wirklich ein Griff in die unterste Schublade. Da hätte er lieber gar keine Erklärung geliefert, als seine sehr realistisch erschaffene Kreatur zu einem Alien abzustempeln. Mit solch unpassenden Erklärungen des Unerklärlichen haben sich bereits viele andere vor ihm schon ihre eigentlich sehr guten Bücher versaut. Zum Glück reitet er nicht darauf herum und er stellt es auch nicht als die endgültige Erklärung für die Herkunft des "Rauen" dar, allerdings ist es auch die einzige, die er anbringt. Man sollte die paar Sätze einfach aus dem Buch streichen, schlechter wird es dadurch nicht und vermissen wird man auch nichts.


Figuren

Die sehr menschlich gezeichneten Charaktere sind dagegen die absolute Stärke der Geschichte. Thomas Finn bringt das besonders für Teenager recht langweilige, alltägliche Dasein in einem ausgesprochen kleinen Bergdorf sehr anschaulich zu Papier. Jeder der fünf befreundeten Jugendlichen besitzt eine eigenständige Persönlichkeit, mit ihren ganzen Eigenheiten und Macken. Niklas ist der intelligenteste von allen, weswegen er auch "The Brain" genannt wird. Er ist jedoch auch der Außenseiter der Gruppe, da er ziemlich übergewichtig ist. Dass Übergewicht zu einem Außenseiter-Dasein führt, ist zwar reichlich klischeehaft, aber darüber kann man hinwegsehen. Elke und Miriam sind Zwillinge und zwar ausgesprochen hübsche. Natürlich sind zwei der Jungs in sie verknallt, aber nur in Elke. Warum auch immer das so ist. Auch das ist irgendwie typisch, allerdings ist es auch im wirklichen Leben so, wie ich selbst schon bei Zwillingsschwestern mitbekommen habe. Auch wenn sie sich sehr ähnlich sehen, so ist ihr Charakter oft sehr unterschiedlich. 

Die Motive für das Handeln des Verräters am Ende sind jedoch nicht so ganz nachvollziehbar, zumal er doch mittlerweile erwachsen ist und solche pubertären Kränkungen und Schmähungen längst hinter sich gelassen haben sollte.

Völlig an den Haaren herbeigezogen ist dann wieder die Szene, als Miriam bei ihrer Schwester Elke eine Tiefenhypnose durchführt. Diese beherrscht sie ohne größere Probleme, und das, obwohl sie Jahre zuvor ein einziges Mal im Fernsehen gesehen hat, wie es funktionieren soll. Glaubhaft ist so etwas beim besten Willen nicht. Solch billige Szenen passen überhaupt nicht zum Rest und vor allem harmonieren sie nicht mit dem Charakter der beiden Mädchen, werden sie doch eher als wenig aufmerksam dargestellt. Auch ihre Charakterstärke ist als eher schwach dargestellt. Doch bei der Hypnose ist Miriam dann plötzlich wie ausgewechselt...

Obwohl auch die Emotionen sehr schön umschrieben sind, bleibt der Leser relativ distanziert. Er wird emotional nicht allzu stark eingebunden. Der packenden Spannung tut dies aber keinen Abbruch.


Aufmachung des Buches
Die Aufmachung des schlichten Taschenbuchs ist wenig spektakulär. Das Covermotiv zeigt ein offenes Auge, welches völlig vereist ist. In der unteren Hälfte dominiert der Buchtitel. Der Buchrücken weist nach einmaligem Lesen nur wenige Knicke auf, was für eine gute Verarbeitung der Klebebindung spricht. Es gibt weder ein Personen oder Sachregister, noch gibt es eine Karte. Eine solche wäre aber auch kaum notwendig. 


Fazit

"Weisser Schrecken" hat zwar eine Menge kleiner Macken doch die Story ist echt spitze recherchiert und schafft es, rund um den Nikolaus, seinen Gehilfen Knecht Ruprecht und Weihnachten einen Mythos zu erschaffen der absolut glaubwürdig ist. Man bekommt richtig Lust, selbst ein wenig zu recherchieren, um etwas klarer zu erkennen, wo die reine Fiktion beginnt, denn die Grenzen verschwimmen so stark, dass man sie nicht mehr ausmachen kann. Wenn man die sprachlichen Mankos noch beseitigt hätte, inklusive der wirklich unnötigen Schreibfehler, dann wäre es ein absolut genialer Titel. Aber leider gibt es diese Schwächen und deshalb auch die deutliche Abwertung. Trotzdem ein superspannender Thriller und eine absolute Kaufempfehlung für alle Mystery-Thriller-Fans.


3,5 Sterne


Hinweise
Rezension von Thomas Lang
Herzlichen Dank an den Piper-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.


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