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Dr. Siri, der so dickköpfige wie brillante Leichenbeschauer von Laos, muss in die Provinz: Ein bizarrer Fund sorgt für Unruhe in Houaphan, einer abgelegenen Bergregion. Nach einem Erdrutsch ragt ein mumifizierter Arm aus einem frisch verlegten Betonpfad. Da der fragliche Weg zum neuen Domizil des Präsidenten führt, ist er geradezu ein Nationaldenkmal. Folglich soll Siri schnell und diskret herausfinden, warum hier offenbar ein Mann lebendig begraben wurde. Allerdings ist es nicht dieser Mordfall, der Siri um den Schlaf bringt. Es ist die infernalisch laute Discomusik, die jede Nacht an sein Ohr dringt. Woher kommt sie? Und warum scheint sie außer ihm niemand zu hören?

 

 

Originaltitel: Disco for the Departed
Autor: Colin Cotterill
Übersetzer: Thomas Mohr
Verlag: manhattan
Erschienen: 05/2010
ISBN: 978-3442546657
Seitenzahl: 318 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Dr. Siri wird zusammen mit Schwester Dtui zu einem bizarren Mordfall gerufen: Ein Mann wurde offenbar bei lebendigem Leib einbetoniert. Das Rätsel um seine Person und den Mörder muss schnell gelüftet werden, denn in wenigen Tagen soll der neue Präsidentenpalast eingeweiht werden. Dtui und Siri finden sich in einem etwas obskuren „Gästehaus“ der Regierung wieder und müssen allerlei Tricks anwenden, um ihre Ermittlungen erfolgreich abzuschließen. Dabei ist es nicht hilfreich, dass Siri immer wieder von Geistern heimgesucht wird, die scheinbar nach Belieben seinen Körper als Hülle nutzen können. Siris Assistent Herr Geung, der eigentlich auf die Leichenhalle aufpassen soll, wird währenddessen entführt und von Soldaten verschleppt. Seine Flucht und sein Weg zurück in die Hauptstadt werden auch erzählt und laufen teilweise der Hauptgeschichte etwas den Rang ab.


Stil und Sprache
Dass bei Dr. Siri alles etwas anders ist und dass das kommunistische Laos von 1977 für uns hier und heute kaum vorstellbar ist, daran hat man sich ja in den beiden ersten Fällen für das ungewöhnliche Pathologie-Team schon gewöhnt. Dieses Mal aber ist alles noch ein bisschen schräger, noch ein bisschen abgehobener und verschrobener. Ansatzlos wird man als Leser in eine zeitweise vollkommen wirre Geschichte geworfen, die vor merkwürdigen Geistererscheinungen und übernatürlichen Begebenheiten nur so strotzt und ansonsten alles ist, nur kein Krimi. Natürlich, auch hier wird ein Mordfall (oder eigentlich mehrere) gelöst, aber im Mittelpunkt des Geschehens steht diese Aufklärung nicht. Spätestens in der Mitte des Buches verliert man völlig den roten Faden, wenn Siris Visionen und Träume sich übergangslos mit realer Handlung vermischen, man nicht mehr unterscheiden kann zwischen Wahn und Wirklichkeit und erst am Ende halbwegs die Zusammenhänge wiederfindet.

Colin Cotterill erzählt in der dritten Person abwechselnd aus Dr. Siris Sicht oder aus Dtuis, dazwischen gibt es immer wieder kurze Passagen, die Herrn Geungs Erlebnisse auf der Flucht nach Vientiane schildern. Was diese mit der eigentlichen Handlung zu tun haben, wird nicht ganz klar, aber oftmals sind sie spannender als der Rest. Einzig die Dialoge und manchmal Siris subversive Gedankengänge bringen den Leser gelegentlich zum Schmunzeln, so wie auch so manch schräge Idee des Autors, was Charaktere oder Situationskomik angeht. Diese kleinen Details lassen einen dann doch bei der Stange bleiben und das Buch nicht weiter abrutschen.


Figuren
Dr. Siri ist zwar nach wie vor Kommunist, hat sich aber im Laufe der Jahre eine eigene Sicht der Dinge angeeignet. Sehr pragmatisch, oft mit Dickköpfigkeit und einer Menge Chuzpe schlägt er sich durchs Leben und macht daraus das Beste für sich und seine Freunde. Zu diesen zählt auch Schwester Dtui, der er so gut es eben geht ihren beruflichen Weg ebnen will, oder der behinderte Herr Geung, den er vor einem Leben als „Dorfidiot“ zu bewahren weiß.

Leider nutzt sich der besondere Charme der Figuren in diesem dritten Teil etwas ab, versteht Colin Cotterill es doch nicht so ganz überzeugend, sie lebendig und echt darzustellen. Durch die ständigen Ausflüge in die Geisterwelt, durch Träume und Visionen driften alle Beteiligten ab aus der realen Welt. Einzig bei ein paar Nebenfiguren (zum Beispiel Dr. Santiago, der mit Dr. Siri keine gemeinsame Sprache hat, aber sich dennoch verständigen kann) sorgen pfiffige Ideen des Autors für kleine Lichtblicke.


Aufmachung des Buches
Das gebundene Buch ist designerisch an die beiden Vorgängerbände angelehnt und dieses Mal ganz in Grüntönen gehalten. Eine naive Zeichnung einer Berglandschaft, vor der Dr. Siri und Dtui als Silhouetten zu sehen sind, außerdem ein Auto sowie eine Hütte, auf deren Veranda eine Frau steht, hebt das Cover aus der Masse der Neuerscheinungen heraus und unterstreicht das Besondere dieser Buchreihe. Die einzelnen Kapitel haben wie gewohnt mehr oder weniger originelle Überschriften („Von Schweinen und Warzen“, „Die tanzenden Turnschuhe“).


Fazit
Was mit dem ersten Band als (fast) normale Krimireihe begann, hat damit nicht mehr so viel zu tun, wie ich es mir wünschen würde. Neben einer reichlich verworrenen Handlung bleiben viele Geistererscheinungen und ein – allerdings in Hochform befindlicher - Dr. Siri übrig, das reicht insgesamt leider nicht für mehr als eine Durchschnittswertung von mir.


3 Sterne


Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.de

Backlist:
Band 1: Dr. Siri und seine Toten
Band 2: Dr. Siri sieht Gespenster

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