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Kategorie: 800 v Chr. – 500 n. Chr. Antike

Rom im Jahre 2 v.Chr.: Julia, die Tochter des mächtigen Kaisers Augustus, erlebt einen Sturz, wie er tiefer nicht sein könnte. Gerade noch schwelgte sie in unvorstellbarem Luxus, war umgeben von Freunden und Liebhabern, im nächsten Moment findet sie sich von allen verlassen auf einer unwirtlichen Insel im Mittelmeer wieder. Ihr Vater, der eine Verschwörung seiner Tochter fürchtete, verbannte sie und opferte ihr Glück seiner eigenen Macht.

Traute Petersen beschreibt in ihrem Roman eindringlich die Gefühlswelt der jungen Frau, die sich in der Verbannung an ihr glanzvolles Leben im Dunstkreis des Kaiserhauses erinnert. Ihre verordneten Ehen, der Verlust ihrer Kinder und schließlich das Aufbegehren gegen den besessenen Vater - immer wieder kreisen ihre Gedanken inmitten der Einsamkeit um ihr Leben im goldenen Käfig. So entsteht das ergreifende Porträt einer Frau, die uns durch die Jahrtausende hindurch mit ihren Träumen und ihrer Verzweiflung berührt.

 

 

Originaltitel: Julia - Glanz und Tragik einer Kaisertochter
Autor: Traute Petersen
Verlag: Philipp von Zabern
Erschienen: August 2010
ISBN: 978-3-8053-4237-7
Seitenzahl: 184 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Julia, Tochter des Augustus, wurde auf die Insel Pandateria im Meer, südlich von Rom, verbannt. In Tagebucheinträgen berichtet sie von ihrer Vergangenheit am Hof, von ihrer Familie, Politik und ihren Erlebnissen, die zu der Verbannung führten. Sie verschweigt weder ihre drei Ehen noch ihre Konflikte mit ihrem Vater Augustus. Von der Insel Pandateria begleitet der Leser sie weiter nach Rhegium, wo sie schließlich einsam und verlassen stirbt.


Stil und Sprache
Traute Petersen beschäftigt sich seit langem mit Geschichte, u.a. in ihrer Funktion als Lehrerin und als Vorsitzende des Verbands der Geschichtslehrer Deutschland. Von daher überrascht die gewählte Epoche nicht. Allerdings die Protagonistin, denn von antiken Schriftstellern und Chronisten wurde Julia äußerst negativ beurteilt. Petersen versucht sich an einer einigermaßen unparteiischen Darstellung, soweit das in der Form der Ich-Erzählerin möglich ist.

Der Roman ist in zwei Teile gegliedert, von denen der erste die Zeit von 2 v.Chr. bis 5 n.Chr. umfasst und "Pandateria" als Überschrift trägt. Julia befindet sich dabei hauptsächlich auf ihrer Insel und beschreibt die vergangene Zeit in Form von Tagebucheinträgen. Zwar existieren keine richtigen Zeitangaben wie bei einem Tagebuch, aber sie berichtet als Ich-Erzählerin von verschiedenen Begebenheiten, an die sie sich erinnert. Die einzelnen Kapitel, die mit römischen Ziffern durchnummeriert wurden, beginnen stets auf ihrer Insel, bis Julia ihren Blick auf die Vergangenheit richtet und den Leser daran teilhaben lässt. Beginnt ein neues Kapitel, so fängt sie wieder in der Gegenwart an, bis sie sich erneut in ihren Erinnerungen verliert.

Der zweite Teil, "Rhegium", spielt von der Zeit 5 n.Chr. bis 14 n.Chr. In diesem reist Julia erst von Pandateria weiter nach Rhegium, das in Kalabrien liegt und wo sie die restliche Zeit ihres Lebens verbringen wird. Dieser Teil ist um einiges kürzer als der erste und weniger von Erinnerungen durchsetzt, als dass die geschilderten Ereignisse weniger als ein paar Tage zurückliegen, wenn sie die Eintragungen macht.

Durch Briefe ihrer Kinder und anderer Verbündeter hat Julia noch Bezug zum pulsierenden politischen Leben in Rom, was auf Dauer allerdings ein wenig ermüdend wirkt. Der Leser erhält nie direkt Zugang zu den gerade geschehenden Ereignissen, sondern erlebt sie als bereits vergangen und ohne direkten Bezug dazu herstellen zu können - insofern ist es allerdings auch ein Geniestreich der Autorin, denn genauso machtlos und in die Rolle eines Zuschauers gezwungen dürfte sich auch Julia gefühlt haben.

Durch kleine Sterne, die die Absätze trennen, werden neue Tagebucheintragungen voneinander getrennt, wenn nicht viel passiert - was vor allem im zweiten Teil oft der Fall ist. Hier werden die Eintragungen kürzer und enthalten wenig Informatives. Gegen Ende werden die Eintragungen noch seltener; bis zu einem Jahr vergeht zwischen den Absätzen, bis Julia die letzten Zeilen niederschreibt.

Im Nachwort erklärt die Autorin, wie sie dazu kam, dieses Buch zu schreiben und berichtet ein wenig über die Aktualität der damaligen politischen Probleme im Angesicht der heutigen.

Darauf folgt eine Zeittafel, die das Einordnen der Ereignisse leichter zugänglich macht und den Eintragungen von Julia einen zeitlichen Rahmen gibt. Weiterhin gibt es ein ausführliches Personenregister, das bei der Vielzahl der Namen, die mitunter nicht weiter vorgestellt werden, sehr oft hilfreich ist. Auch ein Glossar der Begriffe, die einem Leser, der sich mit dieser Zeitepoche nicht weiter auseinander gesetzt hat, nichts sagen werden, hilft beim Verständnis des Textes. Vermisst habe ich nur einen Hinweis im Flusstext auf diese Wörter, so dass heftiges Hin- und Herblättern leider nicht ausbleibt. Das Literaturverzeichnis führt weiter in die Recherche und die Quellen von Petersen ein. Als letztes hilft ein zweiseitiger Stammbaum des julisch-claudischen Kaiserhauses, den Überblick über die verschiedenen Ehen und Kinder der Julia zu behalten.


Figuren
Von der lebenslustigen und mitreißenden Julia, die von den antiken Schriftstellern angeprangert wird, spürt der Leser leider nicht besonders viel. Die Julia, die hier auftritt, ergibt sich der Langeweile auf Pandateria, ergötzt sich an den "guten alten Zeiten" und verliert sich in ihren Erinnerungen. Sie trauert ihren Kindern nach, ihren Geliebten und leidet, da sie nur wenig Kontakt zur vor Leben sprudelnden Welt in Rom hat, an ihrer Einsamkeit. Die Schilderungen ihrer Vergangenheit dagegen sind farbenfroh, faszinierend und füllen das alte Rom mit Leben: In Rom pulsiert "eine faszinierende, ungeheure Spannung - nicht nur zwischen den Reichen und Vornehmen mit ihren Villen auf den römischen Hügeln und den Armen in ihren dunklen Mietskasernen und Straßenschluchten. Rom lebt auch in dem quirligen Gedränge auf dem Forum, den Plätzen, in den Thermen und Theatern, wo sich der Bodensatz und die Elite des Imperiums vermischen. Dort trifft man auf Parther und Germanen, Ägypter, Nubier und Juden, Daker, Sarmaten, Perser - hundert Völker, Sprachen und Trachten. Dazwischen Häuptlinge, Geiseln und Gesandte aus allen Himmelsrichtungen, aus der skythischen Steppe, aus Britannien und Indien, von der kimbrischen Halbinsel und aus Gallien, die alle mit den unterschiedlichsten Geschäften und Aufträgen nach Rom kommen." (S. 144)

Julias Liebe zu Rom wird daher glasklar, und als Leser verliebt man sich selbst ein wenig in diese großartige Stadt. Daneben gehen nur leider die Verwicklungen und anderen Spieler auf Julias Lebensbühne unter. Selbst die Beziehung zu ihren Kindern bleibt oberflächlich, da der Leser sie nie wirklich mit ihnen interagieren sieht. Ihre fast schon emotionslos zu bezeichnende Schilderung ihres Zustands, nachdem sie von den Toden ihrer Kinder erfährt, erschreckt: "Niobe verwandelte sich in einen weinenden Stein, als sie sah, wie ihre blühenden Kinder dahingerafft wurden. Mir fehlt die Wohltat der Tränen. Ich lebe - aber wozu noch?" (S. 148) Durch die Tagebucheinträge erhält der Leser eine Distanz zu ihr, die vor allem bei Gefühlsausbrüchen schadet. Julia wirkt unnahbar und fern.

Die weiteren Charaktere werden nur durch Julias Augen geschildert bzw. zeigen ihre Wesensart durch die Briefe, die sie erhält. Dadurch wirken sie farblos und können weder Zuneigung noch Abneigung für sich verbuchen. Dem Leser eröffnet sich Julias Welt nur in Bruchstücken - wie bei einem antiken Puzzlespiel - so dass er sich nur durch weiteres Vertiefen in die historischen Gestalten und ihr Leben ein (so weit möglich) objektives Bild machen könnte.


Aufmachung des Buches
Das durch einen etwas stabileren Pappeinband gebundene Buch zeigt auf dem Cover die Wandmalerei "Mädchen mit Kranz". Der dargestellten Zeichnung sieht man ihr Alter an, denn die Farbe blättert ab. Anfangs mag das befremdlich aussehen, aber es passt hervorragend zu der in die Verbannung geschickten Kaisertochter, deren Glanz ebenfalls am Blättern ist. Der Titel darüber hebt sich in einer rotbraunen Farbe wunderbar vom cremefarbenen Hintergrund ab. Der Buchrücken beinhaltet die oben angeführte, ausführliche Inhaltsangabe zusammen mit einer Vorstellung der Autorin. Ein Lesebändchen rundet das stimmige Gesamtpaket ab.


Fazit
Gemischte Gefühle bleiben nach der Lektüre des Buches zurück. Auf der einen Seite zeigt Petersen durch ihre Darstellung der Julia, dass es eine andere Seite der historischen Überlieferungen gegeben haben könnte, doch andererseits fällt diese Berichterstattung eher sachlich und kühl aus.


3 5 Sterne


Hinweise
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