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EIN SPANNENDER, SOMMERHELLER KRIMI AUS DEM SCHWEDISCHEN SCHÄRENGARTEN

Am Strand von Sandhamn, einer kleinen Insel im Schärengarten vor Stockholm, wird an einem heißen Julitag die Leiche eines Mannes angespült. Thomas Andreasson übernimmt den Fall und trifft auf Sandhamn seine Jugendfreundin Nora wieder, die auf der beliebten Urlaubsinsel Ferien macht. Als eine Woche später ein weiterer Mord begangen wird, gerät die Idylle vollends in Gefahr …

 

  Originaltitel: I de lugnasdte vatten  
Autor: Viveca Sten
Übersetzer: Dagmar Lendt
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Erschienen: 05/2010
ISBN: 978-3462040739
Seitenzahl: 376 Seiten 


Die Grundidee der Handlung
Es ist Urlaubszeit und Thomas Andreasson ist einer der wenigen Polizisten, der noch nicht die Stadt verlassen hat. So kommt es, dass er als verantwortlicher Ermittler nach Sandhamn geschickt wird, als dort eine Leiche angespült wird. Zunächst vermutet man einen Unfall, aber warum hatte der Tote dann ein Seil um den Bauch? Als dann wenige Tage später die Cousine des Toten, die wie er nie eine Verbindung zur Insel hatte, ebenfalls auf Sandhamn tot aufgefunden wird, vermutet Thomas einen Zusammenhang. Die Ermittlungen gestalten sich mühsam und im Urlaubsparadies breitet sich langsam Unbehagen aus, als ein Einheimischer ebenfalls ertrinkt. Thomas bekommt jedoch unerwartet Hilfe von seiner alten Freundin Nora, die mit ihrer Familie auf Sandhamn Urlaub macht.


Stil und Sprache
Viveca Sten kennt sich aus auf Sandhamn, das merkt man diesem Roman in jeder Zeile an. Ich schreibe hier absichtlich „Roman“, denn ein echter Krimi ist dieses Buch nicht. Völlig überladen mit detaillierten Schilderungen von Stränden, Wegen und Häusern auf der Insel, mit historischen Hintergründen, Sitten und Gebräuchen ist die Handlung, jede Spannung wird im Keim erstickt. Hier will die Autorin eindeutig zu viel und das geht auf Kosten des Tempos. Dabei fängt es eigentlich ganz gut an mit Szenenwechseln zwischen Thomas und seiner Freundin Nora, kurzen Einschüben aus Sicht der Opfer, einer modernen, flotten Sprache, die sich leicht lesen und aufnehmen lässt. Doch bremst sich Viveca Sten immer wieder selbst aus und verfällt in umständliche Beschreibungen jedes einzelnen Strandabschnitts und jedes Trampelpfades, erklärt die historischen Hintergründe der verschiedenen Gebäude und findet dann nicht zu ihrer Geschichte zurück.
Wenn dann wenigstens die Geschichte selbst noch logisch und nachvollziehbar wäre, könnte man ja über diese Feinheiten noch hinweg sehen und auf Besserung hoffen. Aber auch hier geht leider einiges schief: Die ganze Mordgeschichte ist viel zu durchsichtig, jeder halbwegs geübte Krimileser wird schneller den Täter ermittelt haben als Thomas, der die meiste Zeit nur ziellos im Nebel herumstochert, sich von jedem Zeugen hinters Licht führen lässt und auf einfachste Ermittlungsschritte nicht kommt. Da braucht er dann die Hilfe von Justiziarin Nora, die zum Beispiel ihm, der jeden Sommer seines Lebens auf der Insel verbracht hat, das örtliche Telefonbuch erklären muss. Hier wird der Leser für dumm verkauft, die Hinweise auf (unklare) Todesursachen und Täter sind alles andere als subtil, so macht Krimi keinen Spaß.

Dass zusätzlich einige Nebenhandlungsstränge am Ende nicht aufgeklärt werden, macht es nicht unbedingt besser. Ein völlig unnötiges Schlussspektakel setzt dem Ganzen die Krone auf und wird mich nicht dazu bringen, einen eventuellen Folgeband zu lesen. Für einen guten Krimi ist ein Haufen Atmosphäre und ein schöner Schauplatz dann auf Dauer doch zu wenig. Und das bei vielen skandinavischen Krimis so unverwechselbare Sprachgefühl, die besondere „Melodie“ stellt sich auch nicht ein, stattdessen bleibt alles beliebig und austauschbar.


Figuren
Auch hier will Viveca Sten einfach viel zu viel, ihr Ermittler Thomas hat nicht nur seine Tochter durch plötzlichen Kindstod verloren, sondern außerdem sein Frau durch die anschließende Scheidung. Als einsamer Wolf streift er nun über die Insel, badet in Selbstmitleid und muss außerdem noch den Lückenbüßer für seine Chefin spielen, die im Urlaub ist. Als diese vorzeitig zurückkehrt, muss er die Leitung des Falles wieder abgeben; angesichts der Tatsache, dass er sich ausgesprochen dämlich anstellt (siehe oben), ist das vermutlich auch besser so. Zwar ist er als Figur ausführlich und gut beschreiben, aber als Polizist für mich einfach nicht glaubwürdig.

Nora ist Thomas‘ Jugend-Ferienfreundin und inzwischen mit Henrik verheiratet. Sie hilft Thomas mehr oder weniger ungefragt bei den Ermittlungen und gerät – ganz Klischee – am Ende in höchste Gefahr, aus der Thomas sie retten muss. Das ist alles ziemlich abgedroschen und nicht neu, ebenso wie die übrigen Figuren, die alle sehr klischeebehaftet und eindimensional geraten sind. Vom arroganten Henrik, reicher Sohn aus gutem Hause, bis zum windigen Besitzer eines (zu) teuren Ferienhauses, das kennt man alles zu genüge. Originalität ist anders …


Aufmachung des Buches
Das Taschenbuch ist in Klappenbroschur ausgeführt und etwas großformatiger als normal. Es zeigt auf dem Titel einen Strandabschnitt mit einem Steg im Wasser sowie einem kleinen roten Boot. Im Hintergrund ist eine Insel oder ein Berg vor blauem Sommerhimmel zu sehen. Innen sind die Kapitel durchnummeriert, immer wenn Zeit zwischen den Kapiteln vergangen ist, findet sich außerdem ein Hinweis zur Orientierung (z.B. Samstag, zweite Woche).


Fazit
„Tödlicher Mittsommer“ ist zwar als Krimi gedacht, erinnert aber eher an eine Bullerbü-Geschichte für Erwachsene. Zwar kommt ein Kriminalfall vor, aber dieser steht nicht im Vordergrund, vielmehr gibt es überbordende Landschaftsbeschreibungen und viel Atmosphäre, aber wenig echte Ermittlungsarbeit. Insgesamt nicht schlecht zu lesen, aber wer atemlose Spannung braucht, ist hier falsch.


2 5 Sterne 


Hinweise

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