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Kategorie: Boys Love

In der Welt des Kabuki-Schauspiels dreht sich alles um die Männerwelt! Denn nur Männern ist es gestattet, auf der Kabuki-Bühne zu stehen. So ist zum Beispiel Shogo ein beliebter Darsteller junger Frauen. Kazumi fühlt sich angezogen von Shogos Zerbrechlichkeit und versucht, Shogo vor den starren Traditionen des Kabuki zu bewahren.

 

 

Originaltitel: Signal Red Baby
Autor: Ren Kitakami
Übersetzer: Dorothea Überall
Illustration: Ren Kitakami
Verlag: Carlsen Manga
Erschienen: September 2010
ISBN: 978-3-551-75287-1
Seitenzahl: 193 Seiten
Altersgruppe: ab 16 Jahren


Die Grundidee der Handlung
Die Verlagsinhaltsangabe im Klappentext verfehlt diesmal den Kern des Mangas komplett. Im Mittelpunkt stehen zwar u.a. Shogo und Kazumi, die seit Kindheit ein sehr inniges Verhältnis zueinander haben, doch weder erfährt man viel über das Kabuki Schauspiel, noch geht es darum, Shogo vor dessen Traditionen zu bewahren. Stattdessen dreht sich vorrangig alles um die komplizierten familiären und intimen Bande eines weit größeren Personenkreises als nur der vermeintlichen Cousins Shogo und Kazumi, denn einbezogen werden außerdem noch (Stief-)Väter, (Stief-)Mütter, Großväter, Onkel, Cousins usw., die fast alle dem Kabuki eng verbunden sind. In den letzten zwei Kapiteln bekommt noch ein zweites Paar seinen großen Auftritt: Munechika und Masahiro. Die zwei Handlungsstränge um Shogo & Kazumi und Munechika & Masahiro sind ineinander verknüpft, so dass der Manga trotzdem eine inhaltliche Einheit bildet.

Aus der Grundidee hätte man einen sehr schönen, unterhaltsamen Manga machen können, doch leider bleibt es beim Ansatz. Die Beziehungen der beiden grundverschiedenen Paare sind nichts weiter als oberflächliche und gefühlsleere Plattitüden, die familiären Verstrickungen und Probleme zu verwirrend dargestellt, um ihnen auf Anhieb folgen zu können und das Kabuki Theater als interessanter Handlungshintergrund beschränkt sich auf ein paar wenige Kostümierungen der Figuren. Zeichnerische Schwächen tragen zusätzlich dazu bei, dass sich der Manga mühselig liest und schlichtweg langweilt. Ich hatte mir wesentlich mehr davon versprochen.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Ren Kitakamis Artwork ist auf den ersten Blick gefällig schön, mit feiner, sanft geschwungener Linienführung und großen Panels, die die Protagonisten meistens in Groß- und Nahaufnahme zeigen. Die Zeichnungen sind farblich kontrastreich und weisen sich durch ein ausgewogenes Schwarz-Weiß-Grau-Verhältnis aus. Vorhandene Schwächen offenbaren sich erst bei näherer Betrachtung und beim Lesen.
 
Das Alter der Hauptfiguren bewegt sich in einer großen Spanne zwischen ca. 20-40 Jahren, womit sicherlich ein größerer Leserkreis als sonst angesprochen wird. Entgegen der branchenüblichen Handhabe, ältere Protagonisten wesentlich jünger zu zeichnen, damit sie ansprechend und niedlich auf die zumeist weibliche Leserschaft wirken, beweist Ren Kitakami den Mut, die Figuren ihrem Alter gerecht aussehen zu lassen. Shogo, der Jüngste, ist klein und schmächtig gezeichnet, hat ein schmales, verletzliches Gesicht und runde, weit geöffnete Augen – Merkmale, die ganz klar seine Schutzbedürftigkeit ausdrücken. Der auserkorene Beschützer ist sein etwas älterer Cousin Kazumi. Er ist (natürlich) größer als Shogo, sein noch jugendlich wirkendes Gesicht etwas breiter, die Augen viel schmaler und die Schultern kräftiger. Munechika, ca. 30 Jahre alt, ist ein langjähriger Freund der Familie. Er hat im Gegensatz zu Kazumis und Shogos schwarzer Wuschelmähne helle, zerzauste Haare und männliche Gesichtszüge, über denen aber noch ein Hauch von Jugendlichkeit und Verletzlichkeit liegt. Deutliche Schwächen zeigt die Mangaka bei der Darstellung ihrer ältesten Protagonisten Ikuomi und Masahiro, die beide schon um die Vierzig sind. Sie versteht sich zwar ausgezeichnet darauf,  ihren Gesichtern mit ausgeprägt männlichen Zügen Profil und Lebenserfahrung zu verleihen, doch schafft sie es nicht, ihr Aussehen genügend zu differenzieren. Ich gebe zu, ich konnte sie nur an ihren Namen und nicht anhand ihres Äußeren erkennen.
Gekleidet sind die Hauptfiguren ebenfalls ihrem Alter entsprechend. In ihrer Freizeit sind Kazumi und Shogo leger und sportlich angezogen, Munechika, Masahiro und Ikuomi dagegen elegant in Hemd und Bügelfaltenhose oder sogar im Anzug. Sieht man sie im Theater, sind sie in traditionelle Yukatas (Kimonos) gehüllt, hin und wieder - allerdings viel zu selten - kann man sie in kompletter Bühnenkostümierung, einschließlich Perücke, prachtvollem Haarschmuck und Schminke bestaunen.

Als weitere Schwäche empfand ich das Fehlen von Hintergründen, dabei hätte gerade hier mit dem Kabuki Schauspiel als inhaltlichem Hintergrund so viel optisch vermittelt werden können. Wenn man überhaupt mal ihrer ansichtig wird, sind sie höchstens durchschnittlich und nichtssagend. Selbst auf stimmungsuntermalende Ausdrucksformen im Hintergrund verzichtet die Zeichnerin weitestgehend, was dazu führt, dass die ohnehin seichte Handlung emotionslos an einem vorbeifließt und langweilt.
Mit der Sexszene zwischen Shogo und Kazumi wird man kurzerhand aus dem Nichts heraus überrumpelt. Obgleich sie ausgedehnt und explizit gezeichnet ist, vermag sie die erheblichen inhaltlichen Schwächen nicht auszubügeln. Ich empfand sie genauso oberflächlich wie alles andere in der Handlung. Und die Witze, die hinterher von den anderen darüber gerissen werden, untermauern die Glaubwürdigkeit des Ganzen nicht gerade.

Für einen Yaoi hat der Manga recht viel Text, sowohl in Dialog- als auch Erzählform. Umso enttäuschender natürlich, dass der im Ansatz komplexe Plot trotzdem zu verworren bleibt, um ihm auf Anhieb folgen zu können, wobei die unzureichende Sprechblasenzuordnung sicher auch ihren Teil dazu beiträgt. Das Schriftbild dagegen - obwohl in Groß- und Kleinschrift - beeinträchtigt den Lesefluss nicht.


Aufmachung des Manga
Dieser Einzelband ist als Taschenbuch im Carlsen-typischen Kleinformat verlegt. Gleich hinter dem Umschlagdeckel mit dem Haupt-Pairing Shogo & Kazumi befindet sich eine Farbseite mit dem zweiten, älteren Paar Masahiro & Munechika. Beide Paare sind mit traditionellen Yukatas bekleidet, diese lassen jedoch nicht zwangsläufig auf ihre Schauspielertätigkeit am Kabuki Theater schließen.

Die einzelnen Kapitel können durch ganzseitige illustrierte Deckblätter leicht ausgemacht werden, auch wenn sie keine spezifischen Betitelungen tragen. Jeweils am Ende der zwei Geschichten um Shogo/Kazumi und Masahiro/Munechika befinden sich Stammbäume, um die reichlich komplizierten Bande zwischen den Protagonisten zu veranschaulichen und zu erleichtern. Da sie im Inhaltsverzeichnis nicht aufgeführt sind, entdeckte ich sie erst nach Beendigung der Geschichten, wo sie mir natürlich keine Hilfe boten. Den Abschluss bildet ein kurzes Nachwort der Mangaka. Darin gibt sie freimütig zu, dass sie zwar einmal im Kabuki-Theater gewesen sei, ansonsten aber wenig Ahnung davon hätte. Tja, das merkt man diesem Werk nur zu deutlich an ...


Fazit
Mit zwei charakterlich und altersmäßig gegensätzlichen Paaren und einer komplexen Familiengeschichte vor dem Hintergrund des traditionsträchtigen Kabuki Theaters besitzt dieser Yaoi-Manga (Liebe und Sex zwischen Männern) im Ansatz alle Zutaten, um ihn zu einer kurzweiligen, interessanten Lektüre zu machen. Doch leider bleibt er inhaltlich und optisch weit hinter seinen Möglichkeiten zurück.


2 5 Sterne


Hinweise
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