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Kategorie: Mythen und Historik

Tokyo in den 1960er Jahren: Unbefriedigt von seiner Arbeit in einem Textilunternehmen, kündigt Hamaguchi und bewirbt sich in einem Zeichenstudio als Assistent eines erfolgreichen Manga-Zeichners. Viel Zeit zum Eingewöhnen bleibt ihm nicht, sofort steckt er mittendrin im Terminstrudel einer monatlichen Magazinproduktion. Und er hat Talent - vielleicht sogar für eine eigene Geschichte. Doch bevor Hamaguchi die dafür nötige Ruhe und Zeit findet, lernt er das "wahre" Leben im Künstlermilieu kennen … und ist fasziniert - von den Persönlichkeiten seiner Zeichnerkollegen und den Ausflügen in Tokyos Nachtleben ebenso wie von einer jungen Dame, die ihn unerwartet bei seinem Projekt unterstützt.

Inspiriert von seinem eigenen Lebensweg, schildert Jiro Taniguchi in seinem 2008 entstandenen Band den persönlichen und beruflichen Werdegang eines jungen Japaners.

 

Ein_Zoo_im_Winter 

Originaltitel: Fuyu no Dobutsuen
Autor: Jiro Taniguchi
Übersetzer: John Schmitt-Weigand
Illustration: Jiro Taniguchi
Verlag: Carlsen Manga
Erschienen: Mai 2010
ISBN: 978-3-551-75284-0
Seitenzahl: 248 Seiten
Altersgruppe: ab 14-15 Jahre (Empfehlung des Verlags)


Die Grundidee der Handlung
In mehreren Kapiteln erzählt Jiro Taniguchi die Geschichte von Mitsuo Hamaguchi, einem jungen Japaner, der sich erst in einem Textilunternehmen behaupten muss, dann die Stelle wechselt und in Tokyo bei einem Manga-Zeichner Assistent wird. Schließlich trifft er auf eine junge Frau, die in ihm den Wunsch erweckt, endlich eine eigene Geschichte in Form eines Manga zu erzählen.

Einfühlsam und ruhig reihen sich die Kapitel mit den Alltagserzählungen aneinander - im Grunde begleitet der Leser Hamaguchi auf seinem Weg über ein paar Jahre hinweg, wie er reift, ein wenig seines Könnens auf das Papier bannt und auch als Mensch emotional wächst.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Jiro Taniguchis Stil ist sehr realistisch in Bezug auf die Kleidung, die Statur und die Bewegungen der Figuren, auch wenn die Gesichter der Personen comicartige Züge aufweisen und dadurch Persönlichkeit entwickeln und klar erkennbar sind. Hamaguchis Frisur beispielsweise bleibt die Jahre hindurch gleich, und auch andere Personen sehen sich nach wie vor sehr ähnlich, was dem Leser die Identifizierung leicht macht. Interessanterweise sehen die Figuren seltsam gedrungen aus, wenn sie direkt von vorne und von Kopf bis Fuß gezeichnet werden. Bücken sie sich allerdings oder stehen sie leicht seitlich, stimmen die Proportionen wieder. Glücklicherweise kommt es nur selten zu diesen Frontdarstellungen, so dass das Lesevergnügen nicht weiter getrübt wird. Im Gegensatz zu anderen Manga, an denen die Emotionen der Charaktere leicht vom Gesicht abzulesen sind oder auch Verniedlichungen und übertriebene Gesichtsausdrücke vorkommen, kommt dieser Band komplett ohne deformierte Figuren aus. Die Gefühle werden oft durch die in rechteckigen Kästen beigefügten Aussagen und Beschreibungen des Ich-Erzählers Hamaguchi erläutert, wodurch Taniguchi die unterschiedlichen Empfindungen des Helden deutlich werden lässt, ohne auf diese künstlerischen Arten der Darstellung angewiesen zu sein.

Nur selten werden die Hintergründe nicht ausgearbeitet, wodurch - wie auch durch die Länge des Bandes - der Inhalt ein wenig hochwertiger wirkt als andere Manga. Der Zoo, den Hamaguchi gerne besucht und bei dem er die Tiere zeichnet, seine verschiedenen Arbeitsstätten oder auch das Nachtleben in Tokyo lassen den Verdacht aufkommen, dass man, falls man in Japan zu Besuch sein sollte, diese Orte durch die Bilder der Graphic Novel erkennen würde.

Die Kapitelzeichnungen sind mit noch mehr Details und Schraffierungen versehen als die Bilder in der Geschichte selbst, aber auch die Rasterfolien detailliert unterstrichen und ausgearbeitet.

Obwohl die Sprechblasen manchmal nicht klar durch Hinweisstriche zu den sprechenden Personen gekennzeichnet sind, fällt es leicht, dem Verlauf von Gesprächen zu folgen. Nur die Anordnung der Sprechblasen selbst sorgt manchmal für Verwirrung, denn obwohl z.B. zwei Sprechblasen gezeichnet wurden, ist der Sprechende der gleiche und fährt in seiner direkten Rede in der zweiten Blase fort.

Die Geräusche, die nur spärlich auftreten - denn es geschieht nichts großartig Weltbewegendes, das durch gigantische Schriftzeichen oder ähnliches gekennzeichnet werden müsste - wurden alle übersetzt und in die Bilder oder die Sprechblasen eingefügt, was das Lesen erleichtert und die Graphic Novel auch für westliche Leser lesbar macht.

Obwohl die Panels unterschiedlich groß sind, sind sie strukturiert und verlangen dem Leser keine große Konzentration ab, denn die Geschichte verläuft gerade durch die stark lineare Darstellung ruhig und regelmäßig, wodurch westliche Leser dem Verlauf gut folgen können. Die unterschiedlichen Blickwinkel auf die handelnden Personen lockern das Ganze auf; wie in einem Film werden verschiedene "Kamera"-Positionen eingenommen, so dass die Figuren manchmal von oben, von der Seite oder sogar von schrägen Blickwinkeln "aufgenommen" wurden.


Aufmachung des Manga
Um die Bilder besser zur Geltung zu bringen, ist das DIN A5 große Format der Graphic Novel perfekt. Interessanterweise liest man die Geschichte von links nach rechts, wie ein "normales", westliches Buch, womit Neueinsteigern das Lesen leicht fallen dürfte. Der Einband besteht aus etwas dickerem Karton, der umgeschlagene Klappen besitzt, als ob ein Schutzumschlag vorhanden wäre. Das Cover zeigt Hamaguchi, der gerade durch den Zoo, den er so gerne besucht, wandert, gekleidet in Schal und Jacke. Der Titel ist in schwarz im unteren Bildrand, womit er nicht von der wunderschönen Komposition ablenkt.

Die Innenklappe zeigt einen Blick auf Tokyo und darunter einen einführenden Text in den Inhalt der Graphic Novel. Die Innenklappe hinten gibt einen ausführlichen Überblick über den Autor und dessen Werk.

Der Buchrücken ist in schwarz/grau gehalten. Oben ist ein Bild aus der Graphic Novel abgebildet, das Hamaguchi und Mariko (das Mädchen, das ihm hilft) zeigt, wie sie sich gegenüberstehen. Darunter ist die Inhaltsangabe gedruckt und ein Bild von Hamaguchi, wie er an einem Tisch sitzt und an seinem Manga arbeitet.

Als Besonderheit gibt es zwei Farbseiten zu Beginn der Graphic Novel: Die erste zeigt Hamaguchi und Mariko, wie sie auf einer Bank sitzen, umgeben von grünen Pflanzen - das Bild wirkt sehr ruhig und gemütlich. Das zweite ist von Hamaguchi - eine Großaufnahme, in der er ein wenig ernst und auch verloren über den Leser in die Himmel blickt, hinter ihm ist eine belebte Straße in Tokyo zu sehen; der Gegensatz zu der ruhigen Atmosphäre davor ist erstaunlich.


Fazit
Ein Zoo im Winter gibt auch westlichen Lesern die Gelegenheit, sich mit dem Alltag eines jungen Japaners zu beschäftigen. Die ruhige Erzählweise und die alltäglichen Geschichten werden nicht für jeden geeignet sein, bestechen aber gerade durch diese Gelassenheit, die vor allem auch ältere Leser ansprechen wird.


5 Sterne


Hinweise
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