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Kategorie: 1750 – 1850 Aufklärung (Rokoko, Klassizismus)

Von den Bleikammern Venedigs zum kaiserlichen Hof in Wien, von den Palästen des Pressburger Adels in die Gassen des Judenviertels – das atemberaubende historische Abenteuer um eine legendäre Erfindung.
Als Hofrat Wolfgang von Kempelen 1770 am Habsburgischen Hof seinen Schach spielenden Automaten präsentiert, gilt der Maschinenmensch als großartigste Errungenschaft des Jahrhunderts. Doch tatsächlich verbirgt sich im Inneren der Maschine ein Zwerg – und dieses menschliche Gehirn erweist sich als tödlich und sterblich zugleich.

 

  Autor: Robert Löhr
Verlag: Piper
Erschienen: 08/2005
ISBN: 978-3-492-04796-8
Seitenzahl: 406 Seiten 


Die Grundidee der Handlung
Die Tatsache, dass es im 18. und auch noch im 19. Jahrhundert möglich war, einen so großen Betrug wie mit dem Schachautomaten durchzuführen, hat Robert Löhr dazu veranlasst, das ganze niederzuschreiben. Es war ja keine einmalige Vorführung wie man meinen könnte, sondern diese brillante Täuschung ließ sich viele Jahre aufrechterhalten, was in unserer modernen Zeit überhaupt nicht vorstellbar ist. Löhr hat die Geschichte dieses Betruges in ein Buch gepackt und so versucht, diese grandiose und wohl auch dreiste Idee vielen Interessierten näher zu bringen.


Stil und Sprache
Die Neugier des Lesers wird schon mit dem ersten Kapitel geweckt, da dieses ein Anriss des Endes der ganzen Geschichte ist.
Löhr hat einen eigenwilligen Erzählstil. Jede Kleinigkeit beschreibt er bis ins Detail und gibt dem Leser die Szenerie dadurch wie gemalt wieder. Der Wagemut, mit dem der Zwerg im Inneren des Schachautomaten im wahrsten Sinn des Wortes alle Fäden zieht, ist nervenaufreibend, bemerkenswert und vor allem faszinierend und glaubhaft dargestellt. Mit Maria Theresia, eine der bekanntesten und „größten“ Persönlichkeiten der damaligen Zeit, lässt der Autor die Darstellung der gelangweilten höheren Gesellschaft, die immer nach neuen Sensationen giert, in einem ganz besonderen Licht erscheinen.
Robert Löhr veranschaulicht einem nicht nur die unterschiedlichen Gesellschaftsschichten und deren Gedankengänge, sondern nimmt den Leser auch mit an den jeweiligen Schauplatz. Niemals erscheint etwas überflüssig oder nicht passend, sondern dem jeweilige Milieu, in dem die Figuren sich befinden, zugehörig.
Als Leser bekommt man wahrlich das Gefühl, immer direkt am Ort des Geschehens dabei zu sein, egal ob in Prag, Preßburg oder auch in Wien. Robert Löhr verleiht dem Leser aber nicht nur über den Betrug mit dem Schachautomaten einen Eindruck, sondern auch über das Leben und den Glauben der Menschen im ausgehenden Barock.


Figuren
Mit Wolfgang von Kempelen hat Robert Löhr eine zu Beginn sehr sympathische Figur geschaffen, deren Ambitionen, sich vor der Kaiserin zu bewähren, man sehr gut nachvollziehen kann. Der Autor schafft es auch, Kempelens Gedankenwelt dem Leser so nahe zu bringen, dass er jeden seiner Schritte praktisch hautnah miterleben kann.
Kempelen aber braucht für seine perfekte Performance Hilfe und hinter dieser Hilfe versteckt sich der Zwerg Tibor. Der eigentliche Hauptakteur der gelungenen Betrugsmaschine ist auch Tibor, der – gut verborgen – im Inneren des „Türken“ die Fäden zieht und so hervorragend Schach spielt, dass er alle Gegner schlagen kann. Über lange Zeit kann so das Duo die perfekte Täuschung aufrechterhalten. Während Tibor langsam alles zuviel wird, er als gläubiger Mensch in einen Gewissenskonflikt kommt und auch Angst vor der Entdeckung hat, entwickelt sich Kempelen Schritt für Schritt zu einem unbarmherzigen und von Eifer getriebenen Egoisten, der immer mehr seine Mitmenschen vergisst und so sukzessive beginnt, sein Leben zu zerstören. Der Leser erlebt diese Entwicklung Kempelens mit, was den Protagonisten schleichend an Sympathie verlieren lässt.

Der Autor hat allen seinen Figuren, auch den nebensächlich erscheinenden, mit viel Liebe zum Detail zum Leben erweckt. Es gibt niemals eine schwarz-weiß Zeichnung, sondern alle Figuren sind vielschichtige Charaktere mit Stärken und Schwächen, was die Handlungsweisen der Einzelnen für den Leser glaubhaft und nachvollziehbar darstellt.


Aufmachung des Buches
Das handliche und schöne gebundene Buch vermittelt schon durch die etwas dunkel und düster wirkende Aufmachung etwas Geheimnisvolles. Auf den inneren Umschlagseiten findet man Illustrationen des Schachautomaten wie er ausgesehen haben soll.
Ist der kartonierte Umschlag noch in sattem olivgrün gehalten, sind die Grundfarben des Schutzumschlages in sehr dunklem braun bis schwarz. Als passendes Motiv zum Buchinhalt sieht man den Ausschnitt eines Bildes, auf dem ein kleiner Tisch, dessen Oberfläche ein Schachbrett bildet, zu sehen ist, an dem eine Dame und ein Herr Schach spielen. Der Bildausschnitt ist ebenso in sehr dumpfen und dunklen Farben gehalten und nur der Titel und Autor sind in heller Schrift versehen.
Bemerkenswert ist auch die Schrift, in der das Buch gedruckt ist. Nicht in üblich glatter Druckschrift, sondern gut zu der Zeit passend in der das Buch spielt, der Times New Roman. Das Buch ist in Kapitel, die aber nicht nummeriert, sondern mit Überschriften versehen sind, unterteilt. Als Abschluss und schöne Ergänzung findet man noch ein aufklärendes Nachwort des Autors und ein Lesebändchen.


Fazit
Eine äußerst ungewöhnliche aber sehr interessante Geschichte, die auf Tatsachen beruht. Wandelbare Figuren und interessante Einblicke in die Welt des 18. Jahrhunderts.
Löhr veranschaulicht mit seinem Buch nicht nur die perfekte Umsetzung von Betrug, sondern lässt auch in die seelischen Abgründe der Menschen blicken, wenn sie vom Erfolg getrieben sind. Ein absolut lesenswertes Buch, wenngleich es stellenweise seine Längen hat!


4 Sterne


Hinweise
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