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Kategorie: Fantasy

Mythen - Engel - Mord

Vom Äußeren des einsamen Mannes auf der Parkbank würde niemand auf seine Herkunft schließen: Ein ehemaliger Engel, herabgestiegen aus Himmel und Ewigkeit. Er ist hier, um eine Geschichte zu erzählen, die Gehör finden muss. Eine Geschichte aus den Anfängen der Zeit, als die Erde noch ein Bild in den Augen Gottes war und die Sünde unbekannt. Die Geschichte des ersten, eines unaussprechlichen Verbrechens in Gottes neuem Universum.

Ein Mord im Paradies.

Der erste Kriminalfall der Schöpfungsgeschichte! Meisterhaft erzählt von Bestseller-Autor Neil Gaiman ("American Goss", "Sandman") und elegant illustriert vom vielfach preisgekrönten Zeichner P. Craig Russell.

 

  Originaltitel: Murder Mysteries
Autor: Neil Gaiman
Übersetzer: Björn Laser
Illustration: P. Craig Russell
Verlag: Carlsen Comics
Erschienen: 2004
ISBN: 978-3-55174800-3
Seitenzahl: 64 Seiten
Altersgruppe: ab 15 Jahren (Empfehlung der Rezensentin)


Die Grundidee der Handlung
Das Comic beginnt mit einem klingenden Windspiel, vor dem ein Engel vor jemandem flüchtet, der ihn schließlich mit einem spitzen Gegenstand tötet - zumindest lassen die blutigen Spritzer darauf schließen.

Der Ich-Erzähler beginnt mit der Geschichte in L.A., wo er im Dezember unfreiwillig einen Zwischenstopp einlegt. Dort trifft er auf einen alten Mann, der ihm als Dank für eine Zigarette eine Geschichte erzählt, in der er ein Engel namens Raguel ist, der von Gott geschaffen wurde, um den ersten Mord aufzuklären, der jemals in der Welt verübt wurde - unter Engeln. Carasel, ein begnadeter und engagierter Erfinder von Ideen, wurde ermordet, weshalb Raguel geweckt wird. Der Engel setzte sich mit verschiedenen Themen auseinander, wie z.B. Tod, und erforschte sie. Dadurch erhält Raguel seine ersten Spuren, denen er bis zum unvermeidlichen und tragischen Ende folgt.

Mordmysterien ist eine Mischung aus Erzählung und Comic, eingebunden in zwei Erzählstränge. Das hört sich komplizierter an, als es ist, denn dem Wechsel der Handlungen zwischen Raguels Geschichte und der des Ich-Erzählers ist leicht zu folgen und macht neugierig auf die Lösung des Falles, mit dem Raguel betreut wurde, und auf die Rahmenhandlung, die - typisch Gaiman - nicht wie erwartet endet, sondern Überraschungen für den Leser bereithält.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Das vor kurzem (Juni 2010) neu aufgelegte "Mordmysterien" ist vollständig in Farbe und zeichnet sich durch die faszinierenden Zeichnungen aus. Die Texte wurden von Gaimans Kurzgeschichte übernommen, so dass sehr viel Fließtext vorhanden ist, der nur mitunter von Sprechblasen durchbrochen wird. Sobald größere Handlungen und Action stattfindet, nimmt der Flusstext ab und die Sprechblasen zu, wodurch die Spannung gesteigert wird. Die Engel sind ausnahmslos wunderschön gezeichnet, sehr realistisch und erhalten durch die Tuschezeichnungen trotz der durch Farbe abgehobenen Schatten auch Schraffierungen. Durch den klaren Stil Russells allerdings scheinen die Flügel der Engel fast schon feste Gebilde zu sein, die manchmal ein wenig der Leichtigkeit vermissen lassen. Durch gewagte Flugmanöver erhalten sie ein wenig ihrer Ästhetik zurück. Die nackten Körper der Engel sind sehr schön gezeichnet - da es ein Geschlecht bei Engeln nicht gibt, ist die Lösung von Russell, den Schritt nur anzudeuten, einfallsreich und annehmbar.

Raguels kurze dunkle Haare heben ihn von den anderen Engeln ab und machen ihn leicht erkennbar. Überhaupt ist zu bemerken, dass Russell durchgängig seinem Stil treu bleibt und keine Verschlechterungen ersichtlich werden. Luzifer zeichnet sich durch längere Locken und ein ausdrucksstarkes Gesicht aus, von dem jede Regung abzulesen ist. Raguel dagegen bleibt eher kühl und analytisch, was zu seiner Position gut passt. Die Emotionen der anderen Engel und ihre Mienen reichen von furchtsam, leicht dümmlich und unsicher bis hin zu arrogant und herablassend.

Sobald der Blick auf den alten Mann/Raguel und den Ich-Erzähler schwenkt, wird der Hintergrund fast nur in dunklem Blaugrün dargestellt, während die Geschichte von Raguel in leuchtenden Farben schwelgt. Nur ein aufleuchtendes Streichholz oder die Glut einer Zigarette erhellen die Nacht, in der Raguel von seiner Vergangenheit erzählt. Die Erzählstimme des Mannes wird durch Anführungsstriche dargestellt, wenn er etwas beschreibt, so dass die Unterscheidung des Ich-Erzählers und Raguels sehr leicht fällt.

In der Welt der Engel wirkt alles ein wenig futuristisch. Blau, grün, rosa und orange wechseln sich ab, nur wenn Raguel in seiner Funktion als Rächer Gottes unterwegs ist, erhält das Panel einen leuchtend roten oder gelben Hintergrund und seine Sprechblase wird schwarz mit rotem Text, der aber gut zu lesen ist. Die psychedelischen Muster, die Russell benutzt, um die Schöpfungen der Engel oder abstrakte Konzepte darzustellen, passen sehr gut in die Erzählweise und das Thema. Interessant ist auch, dass sich die Farben und der Hintergrund ändern, wenn es bedrohlich wird (dunkleres Grün, Blau und Blaugrün, bis hin zu Schwarz) oder die Schönheit der Engelwelt unterstrichen werden soll (helles Gelb, Pastellfarben, geradezu ein prächtiges Abendrot). Die Welt der Engel ist nur soweit ausgearbeitet, wie sie für die Geschichte notwendig ist. Zwar gibt es hoch emporragende Türme und Flüsse und Wälder, aber diese werden nur aus der Vogelperspektive oder von Ferne gezeigt, denn die eigentliche Handlung konzentriert sich mehr auf die Ideen und Konzepte, die Gaiman meisterhaft in Worte zu kleiden versteht, die die Zeichnungen unterstreichen.

Durch den Mord und eventuell die leicht homoerotischen Andeutungen ist das Comic nicht für jüngere Leser geeignet.


Aufmachung des Comics
Der Comic ist gebunden und in einem matten Schwarz gehalten. Das Cover ziert eine durch roten Lack abgehobene, vergrößerte Zeichnung von Raguel, die sich in kleinerer Form auch im Comic finden lässt. Sie zieht sich bis hinten auf die Buchrückseite, wo die Worte "Mythen", "Engel" und "Mord" im gleichen Lack auch in rot dargestellt sind. Der Autoren- und der Künstlername sind genauso hervorgehoben, der Titel des Comics in Weiß mit geschwungener Schrift etwas, das neben dem Rot ins Auge springt. Die Farbgebung führt bereits gut in die Geschichte um Mord und Sünde ein. Sehr einfallsreich ist, dass zwischen Autoren- und Künstlername ein weißer Handabdruck zu sehen ist, der sich innen unter dem Titel wiederholt, diesmal aber in rot und mit einem Blutstropfen, der sich vom Ansatz des Daumens löst. Die Innenseiten des Einbandes ziert das vergrößerte Bild der Engelsstadt, die auf der letzten Seite um 180 Grad gedreht wurde.


Fazit
Wer nach einer faszinierenden Geschichte sucht, die sich nicht auf den ersten Blick erklärt, sondern noch lange nachwirkt, ist hier richtig. Vorgefasste Meinungen darf man aber nicht erwarten, sonst wird man enttäuscht.


4 Sterne


Hinweise
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