Smaller Default Larger

Traumatisierte Menschen haben oft alle psychische Kraft dazu verwendet, ihre Erfahrungen, Kriegstraumata und sexuelle Gewalterfahrungen, in sich einzukapseln und vor sich und den anderen zu vestecken - und sie schweigen.
Oder sie wollen andere nicht belasten - und sie schweigen. Eltern werden so gegenüber ihren Kindern zu Botschaftern des Schweigens. Auch wenn dies menschliche und verständliche, oftmals fürsorgliche Bewältigungsstrategien des Schreckens sind, so sorgt gerade das Schweigen dafür, dass Traumata an die nächsten Generationen mit nachhaltigen Folgen weitergegeben werden.

Wie dieser Prozess wirkt und woran sich die Traumaweitergabe zeigen kann, beschreibt das Autorenpaar ebenso wie die möglichen therapeutischen Hilfen.
Zahlreiche Interviews mit Betroffenen der zweiten Generation sowie die Auswertung langjähriger therapeutischer Erfahrungen machen dieses Buch zu einer wertvollen Hilfe für Therapeut/innen und andere professionelle Fachkräfte.

 

Wie_Traumata_in_die_naechste_Generation_wirken  Autor: Dr. Udo Baer; Gabriele Frick-Baer
Verlag: Affenkönig
Erschienen: 2010
ISBN: 9783934933330
Seitenzahl: 200 Seiten


Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe
Das Thema "Weitergabe von Traumata" wird vor allem dank der Bücher von Sabine Bode (u.a. Kriegsenkel) in einer immer breiteren Öffentlichkeit diskutiert - gut so! Während man bei den "Kriegsenkeln" allerdings eher mit vielen verschiedenen individuellen Schicksalen konfrontiert wird, widmen sich die Autoren des vorliegenden Buches auch ganz konkreten Problemen, die sich aus weitergegebenen Traumatisierungen entwickeln können und liefern auch zahlreiche Therapievorschläge.
Die beiden Therapeuten begannen 2007 mit einem Forschungsprojekt, in dessen Rahmen sie 15 Töchter und Söhne von Traumatisierten interviewten (narrative, d.h. erzählende Interviews, die den Befragten viele Freiräume lassen). Außerdem fließen zahlreiche Therapieerfahrungen der langjährigen Therapeuten und Aussagen aus der (Forschungs-)Literatur ein. Anhand der Interviews konnten die Autoren feststellen, das bestimmt Probleme immer wieder auftraten. Sie bemerkten zudem, dass sich die Kinder von Traumatisierten (vornehmlich im 2. Weltkrieg, aber nicht ausschließlich) durch Leerstellen kennzeichneten. Vier "Leeren" stellen Baer und Frick-Baer besonders heraus:

  • "Schrecken ohne Worte - Das große Schweigen"
  • "Verluste ohne Trauer"
  • "Schmerz ohne Trost"
  • "Die psychische Leere und das schwarze Loch"

Beginnt eine Auseinandersetzung mit der Geschichte der Eltern, kann die Schweigemauer abgebrochen werden und den Klienten wird es zusehends möglich herauszufinden, was hinter ihren diffusen Ängsten und Problemen steckt. Ziel der Therapie ist es, durch die Aufklärung der Traumatisierungen der Eltern zu mehr Klarheit zu gelangen und den Klienten/Patienten damit die Möglichkeit zu geben, sich selbst zu leben.
Die Autoren gehen ausführlich darauf ein, wie ein transgenerationales Trauma überhaupt festgestellt werden kann. Oft gerät eine Therapie ins Stocken und man kommt mit den Klienten nicht weiter, weil sie selbst nichts mehr "finden". Dann kann man bei der Elterngeneration zu suchen beginnen und oft wird man auch fündig. Auch die Therapievorschläge, die vor allem aus dem Bereich der kreativen Leib-, Kunst- und Musiktherapie (dafür sind die Autoren auch Experten) kommen, können sicher hilfreich sein. Eine ausführliche Literaturliste vervollständigt das Buch noch.

Das Buch ist sehr verständlich geschrieben und sinnvoll gegliedert. Medizinisches oder psychologische Vorwissen ist nicht erforderlich, da anfangs auch grundlegende Dinge zum Thema "Trauma" erörtert werden. Die Autoren schreiben lebendig und immer am Praxisalltag orientiert. Zitate aus Interviews und aus anderen zitierten Quellen werden stets sinnvoll in den Text eingebunden.

Die gute Verständlichkeit und die Brisanz des Themas macht das Buch nicht nur für Therapeuten, sondern auch für alle anderen Interessierten (auch für Laien) interessant. Wer sich näher mit dem Thema auseinandersetzen möchte, oder einfach eine Einführung zum Thema, das Sabine Bode in den "Kriegsenkeln" behandelt, haben möchte, ist hier goldrichtig!


Aufmachung des Buches
Das Buch ist kartoniert. Auf dem Cover sieht man verschiedene ineinanderfließende Farben, die sich von unten nach oben immer mehr aufhellen. Man kann damit z.B. die Auflösung von Traumatisierungen assoziieren (von der Dunkelheit ans Licht) oder auch Zusammenhänge mit Therapievorschlägen (aus dem Bereich der Kunsttherapie) sehen. Auf alle Fälle wirkt die Gestaltung durchaus ansprechend.


Fazit
Die Autoren haben mit diesem Buch ein wichtiges und gut verständliches Buch geschrieben, das über ein Thema aufklärt, das immer noch viel zu wenig Beachtung in einer breiten Öffentlichkeit findet. Ich wünsche dem Buch viele aufmerksame Leser - nicht nur Therapeuten!



Hinweise
Rezension von Sigrid Grün


Dieses Buch kaufen bei: amazon.de

Facebook-Seite

FB

Partnerprogramm

amazon

Mit einem Einkauf bei amazon über diesen Banner und die Links in unseren Rezensionen unterstützt du unsere Arbeit an der Leser-Welt. Vielen Dank dafür!

Für deinen Blog:

BlogLogo