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Zwei streitbare Autoren und eine heikle Frage: In welcher Form darf man als Deutscher Israel kritisieren? Henryk M. Broder und Erich Follath haben sich scharfzüngig und debattierfreudig dieses brisanten Themas angenommen. Aus ihrer Auseinandersetzung ist ein ebenso erhellendes wie unterhaltsames Buch entstanden, das zum Weiterdiskutieren herausfordert.

 

  Autor: Henryk M. Broder; Erich Follath
Verlag: DVA
Erschienen: 2010
ISBN: 9783421044822
Seitenzahl: 176 Seiten


Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe
Der Titel des Buches geht auf einen Artikel im SPIEGEL online zurück, den Henryk M. Broder so genannt hatte, nachdem der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad am 8. Dezember 2005 den Vorschlag gemacht hatte, dass Deutschland und Österreich "eine, zwei oder egal wie viele ihrer Provinzen" zur Verfügung stellen sollten, um "den jüdischen Staat dort zu errichten wo die "Judenfrage" einst gestellt wurde" - damit wollte der menschenverachtende Antisemit Ahmadinedschad den Nahost-Konflikt lösen.
Im vorliegenden Buch geht es um die Art und Weise, wie Deutsche die aktuelle Situation in Israel diskutieren. Diese Diskussionen sind oft antisemitische Parolen auf der einen Seite und beschwichtigenden, teilweise unkritische Aussagen auf der anderen Seite, die geprägt sind von dem Wunsch, besonders politically correct zu sein. Entsprechend liefern sich die beiden Journalisten (beide u.a. beim SPIEGEL) einen intellektuellen Schlagabtausch, bei dem es ganz schön hoch hergeht. Es hagelt nur so scharfzüngige und geschliffene Kommentare, die wie Speerspitzen durch Mark und Bein gehen. Da gibt es auf der einen Seite den "augenzwinkernde, lustvoll provozierende Easy Rider der deutschen Sprache" (S. 69), Henryk M. Broder, der aufzeigt, wie antisemitisch die Diskussion zum Thema "Israel" immer noch geführt wird. Und auf der anderen Seite gibt es den Nahostexperten Erich Follath, der auf die Menschenrechtsverletzungen hinweist, die die einzige Demokratie im Nahen Osten, nämlich Israel, als Besatzungsmacht begeht. Die Diskussion wird erbittert geführt. Zunächst in Form von Rede und Widerrede (Erich Follath: Eine fiktive Rede von Frank-Walter Steinmeier an Israels Außenminister Avigdor Liebermann - Henryk M. Broder: Eine fiktive Entgegnung von Avigdor Liebermann an den deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier; sowie: Erich Follath: Ein Essay über die iranisch-israelische Auseinandersetzung - Henryk M. Broder: Eine Entgegnung).
Schließlich wird der Schlagabtausch in Form eines e-Mail-Briefwechsels (bzw. von Berichten und Kommentaren auf Broders Seite "Die Achse des Guten") fortgeführt. Hier wird kein gutes Haar am Gegner gelassen - um dann aber die Mails alle im versöhnlichen, witzig-pointierten Ton a la "Danke, dass Sie mir bei der Frankfurter Buchmesse Ihre Krawatte geliehen haben", "Oh, gern geschehen, ich leihe Ihnen auch gerne meine Fäustlinge!" etc. ausklingen zu lassen. Ein "Zwischenspiel" mit dokumentarischen Texten, die von den beiden Autoren im Laufe der vergangen Jahre im SPIEGEL (und anderen Magazinen/Zeitungen) erschienen sind sowie ein "Nachspiel", das die Reaktionen dokumentiert, die die Broder-Follath-Debatte hervorgerufen hat, findet man dann noch im Anschluss an den e-Mail-Streit.

Ja, eines ist klar: Die beiden Journalisten können schreiben. Mit spitzer Feder und so geschliffen, dass man die Messer hört, die gewetzt werden. Aber genau das ist das Problem, das ich mit dem Buch habe. Mir ist es einfach zu sehr auf die "Rede- und Debattierkunst" der Kontrahenten ausgelegt. Ich hatte oft den Eindruck, dass sich hier zwei journalistische Gecken beweisen wollen, was sie intellektuell so drauf haben. Als ginge es um den Titel des "Polemikers des Jahres". Das hat mich schon etwas befremdet. Ich fühlte mich bisweilen ein wenig peinlich berührt und an e-Mail-Romane a la "Gut gegen Nordwind" erinnert. Das fand ich ziemlich unpassend. Das Thema hätte so viel hergegeben, wenn die Debatte weniger selbstgefällig geführt worden wäre. Es geht hier eben nicht darum, wer von den beiden "alternden Journalisten" nun der König der geschliffenen Rede ist ... Im Prinzip ist der Text schon gut verständlich - aber aus genannten Gründen, kann ich mich mit dem Ton einfach nicht anfreunden.

Das Buch eignet sich in meinen Augen für alle, die gerne polemisierende Streitschriften lesen und am Stammtisch mitreden wollen. Für ernsthaft am Nahostkonflikt Interessierten bleibt es zu sehr an der Oberfläche.


Aufmachung des Buches
Das Buch ist fest gebunden und mit einem Schutzumschlag versehen. Das Cover ist weiß. Darauf sind die Autorennamen, Titel und Untertitel zu lesen. Die schlichte Gestaltung finde ich ansprechend.


Fazit
Eine verschenkte Chance, aber möglicherweise ein Buch, das eine breite Öffentlichkeit ansprechen (gerade weil es so selbstgefällig daherkommt?) und eine Diskussion des Themas anregen kann. Ich war jedenfalls enttäuscht und werde mir tiefergehende Literatur zum Thema beschaffen.


2 5 Sterne


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