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Kategorie: Interviews mit Verlagen

Wolf_Ruediger_Osburg_klein

Herr Wolf-Rüdiger Osburg, in Ihrem „ersten Leben“ waren Sie unter anderem Shell-Manager für Autopflege in London. Was hat Sie dazu bewogen in Berlin einen neuen Verlag zu gründen, in einer Zeit, in der die kleinen und mittelgroßen Verlage um ihr Überleben kämpfen?

Ich hatte 2006 die einmalige Chance, mir überlegen zu können, was ich wirklich machen wollte und das war und ist für mich das Verlegen von Büchern, die mir gefallen. Die Situation im Buchmarkt ist schwierig, aber das wusste ich damals gottlob nicht genau. Was ich damit sagen will: in der Zeit zurückgehender Werbebudgets können Sie – um ein Beispiel zu verwenden - vernünftigerweise auch keine Werbeagentur gründen, wenn Sie sich dafür aber berufen fühlen, sollten Sie es trotzdem tun.


Im ersten Jahr Ihres Verlages haben Sie 17 Bücher herausgebracht. Eine mutige Entscheidung. War es ein aufregendes erstes Jahr?

17 Bücher ist eine gewaltige Herausforderung. Gut war aber, dass wir uns mehr als ein Jahr gegeben haben, alles vorzubereiten. Und wir hatten mit Tom Reiss’ Orientalist gleich im allerersten Programm im Frühjahr 2008 einen Bestseller. Davon träumt man, wirklich davon ausgehen kann man aber nicht und bei uns geschah es. Das gab natürlich einen großen Auftrieb.


Sie selbst haben ein Buch über den 1. Weltkrieg geschrieben, welches mit einer kleinen Auflage von 1000 Exemplaren in den Handel kam. War es schwer dafür einen Verlag zu finden?

Das Buch ist in seiner ersten Fassung 2000 bei Aschendorff erschienen. Es war ungeheuer schwer, für dieses Thema einen deutschen Verlag zu finden. Ich war eigentlich zu Anfang der Verlagssuche völlig überzeugt, dass es leicht werden würde, da 135 Interviews mit Kriegsteilnehmern zum 1. Weltkrieg in diesem Land nicht gemacht und veröffentlicht worden waren. Aber, als ich 1998/99 auf Verlagssuche ging, musste ich feststellen, dass dieses Thema einfach noch „zu“ war. Das ändert sich in den letzten Jahren und wir haben mein Buch in einer überarbeiteten Version im letzten Herbst bei einer deutlich größeren Auflage verlegt.


Für Ihre Recherchen befragten Sie in 11 Jahren 135 Zeitzeugen. Auch Tom Reiss, eines der ersten Bücher, das von Ihrem Verlag publiziert wurde, recherchierte für sein Buch „Der Orientalist“ sieben Jahre. Ein ambitioniertes Sachbuch scheint ein intensives Unterfangen zu sein. Resultiert aus diesen Erfahrungen der Wunsch, anspruchsvolle Bücher zu edieren?

Ich bin, so glaube ich, in allen Dinge anspruchsvoll, daher schreckten mich Ende der 80iger, Anfang der 90iger Jahre auch die gewaltigen Recherchen zu diesem Buch nicht und heute versuche ich, diesen Anspruch auf alle Bücher zu übertragen, die wir auswählen und dann mit den Autoren in die Tat umsetzen.


Ihre Vorliebe für geschichtliche Biografie und Einzelschicksale begleitet das Verlagsprogramm. Hat sich das Verlagsgesicht seit der Gründung im Dezember 2006 verändert? Mussten Sie sich den Marktvorgaben anpassen?

Ja und nein. An unseren Programmschwerpunkten hat sich wenig geändert, der Mensch und seine Geschichte bewegt uns ungebrochen. Aber natürlich muss man sich tagtäglich die Frage stellen, bei welchen Büchern unsere Interessen und die der Leserschaft übereinstimmen können. Das klingt banal, ist aber die verlegerische Herausforderung überhaupt und sie führt dazu, dass sich ein Programm immer wieder in Facetten weiterentwickelt.


Welche Ansprüche stellen Sie an ein Manuskript und welche Kriterien muss es erfüllen, um verlegt zu werden?

Eine Autorin oder ein Autor muss eine Buchidee haben, die uns begeistert. Und sie müssen gut schreiben können. Beides zusammen muss vorhanden sein, damit wir bei einem Manuskript zugreifen. Oft liegt eine großartige Idee vor, aber es muss eben auch das Darstellungsvermögen hinzukommen, wobei das jetzt wiederum nicht bedeutet, dass jedes Wort sitzen muss. Dafür lektorieren wir die Werke sehr intensiv und gerne mit den Verfassern.


Marcel Reich-Ranicki kritisierte zu Recht die unkultivierte Fernsehlandschaft. Sehen Sie das bei den Büchern ebenso? Bemerken Sie einen Trend zur Trivialliteratur?

Ich lese keine Trivialliteratur und kann daher nicht allzu viel dazu sagen, aber es ist schon verwunderlich, dass z.B. auf den Sachbuch-Bestsellerlisten wenige Bücher zu finden sind, die ich als Sachbücher im klassischen Sinne bezeichnen würde.


Ist es möglich, die heutige Leserschaft weg von der virulenten Trivialliteratur hin zu ambitionierten Büchern zu lenken?

Darum geht es jeden Tag. Wir geben uns beispielweise unendlich viel Mühe bei den Buchumschlägen, die so gestaltet sein müssen, dass sie den Leser wirklich ansprechen. Auf diese Weise werben wir ganz bewusst um jeden Leser und versuchen, ihn zu unseren Büchern zu bringen.


Ihr Verlag ist auch bei facebook vertreten. Wie wichtig ist das Internet mit seinen sozialen Netzwerken für Sie respektive für Ihren Verlag?

Eine Verlagshomepage zu haben, über die sich jeder schnell informieren kann, oder Freunde des Verlages über facebook zusammenzuführen, bietet Möglichkeiten, die es früher so nicht gegeben hat und die wir mit Freude nutzen. Auf der anderen Seite ist es ein großartiges Gefühl, in einer Buchhandlung zu stehen und ein schönes Buch in Händen zu halten. Wir freuen uns daher, dass wir viel Zuspruch im Buchhandel erfahren.


Susan Sontag schrieb einmal, Kritiker sollten die Kunst als Kunst betrachten und nicht auf seine Bedeutung reduzieren. Auch Elke Heidenreich prangerte jüngst in der SZ die selbstgefälligen Literaturkritiker an. Welche Funktionen sollte ein Kritiker erfüllen und welche Wünsche hat man als Verleger?

Ich setze in meiner Antwort bei meinen Verlegerwünschen an. Ich freue mich erst einmal, wenn eines unserer Bücher rezensiert wird, denn das bedeutet, dass es aus einer großen Zahl bemerkenswerter Bücher ausgewählt worden ist. Dann wünsche ich mir, dass es dem Leser in ansprechender Weise vorgestellt wird, was gleichzeitig aber auch bedeutet, dass die Buchbesprechung nicht nur eine endlose Inhaltszusammenfassung ist. Und natürlich wird es der Kritiker bewerten, nichts ist schlimmer, als wenn dieses Salz in der Suppe fehlt. Dass der Kritiker, der sich mit Literatur beschäftigt, auch selbst um jede Formulierung ringt und sich über gelungene eigene Darstellungen auch spürbar freut, kann ich gut nachvollziehen.


Wie fühlt man sich, wenn ein Buch, das einem besonders am Herzen liegt, von der Kritik verrissen wird?

Wenn es ein gut geschriebener Verriss auf Augenhöhe ist ohne unnötige Spitzen, kann ich damit leben, obwohl man natürlich im ersten Moment etwas zusammenzuckt.


Herr Osburg, ich danke Ihnen recht herzlich für das Interview.


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