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Andreas_Goessling_klein 


Hallo Herr Gößling. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Interview nehmen.
Sie haben bereits einige Bücher veröffentlicht, doch wie sind Sie überhaupt zum Schreiben gekommen? Ich nehme an, Ihre Arbeit als Literaturwissenschaftler spielt hierbei eine gewisse Rolle?

Guten Tag, Frau Trautmann. Sie haben Recht, ich habe sogar schon ziemlich viele Bücher veröffentlicht. Aber zum Schreiben bin ich nicht durch die Literaturwissenschaft gekommen – es war eher umgekehrt. Ich habe Geschichten fantasiert, erzählt, später auch aufgeschrieben, soweit ich überhaupt zurückdenken kann. Durch meine Begeisterung für Literatur bin ich zwischenzeitlich in die Germanistik geraten, was mir sicher nicht geschadet hat. Aber nachdem ich parallel zu einem Forschungsprojekt über Robert Walsers Romane meinen eigenen ersten Roman geschrieben hatte, war für mich klar, dass mein weiterer Weg nur der des „freien Autors“ sein konnte.


Sie scheinen ein vielseitiger Autor zu sein, denn Sie schreiben nicht nur Romane für Erwachsene, sondern auch Jugendbücher und darüber hinaus Sachbücher und wissenschaftliche Werke. Können Sie sich nicht entscheiden (zwinkert) oder lieben Sie gerade diese Vielseitigkeit?

Mir wäre schon die Vorstellung unerträglich, wie so manche Schriftsteller-Kolleginnen und Kollegen in ein einziges Genre eingepfercht zu sein. Ich habe nur ein Leben, jedenfalls meines Wissens, also muss und will ich möglichst viele meiner literarischen Vorlieben und schriftstellerischen Interessen in dieser begrenzten Zeit verwirklichen. Ich habe historische und fantastische Romane und Erzählungen für erwachsene und jugendliche Leser/innen geschrieben, außerdem kultur- und mythengeschichtliche Sachbücher – und vor zwei Jahren mit „Die Männlichkeitslücke“ auch ein Debattenbuch zu den Schieflagen der derzeitigen Jungenpädagogik.


Am 20.08.2010 ist nun Ihr neuestes Werk, der Fantasy-Thriller „Der Ruf der Schlange“ im Klett-Cotta-Verlag erschienen. Wie sind Sie auf die Idee zu diesem Roman gekommen?

Manchmal wache ich nachts mit einer Buchidee, dem Keim eines fantastischen Plots, auf – und so war es auch hier. Was dann im nächsten Schritt folgt, ist die Ausarbeitung eines Exposees, um das Projekt Verlagen vorstellen zu können.


Seit vielen Jahren beschäftigen Sie sich mit kulturgeschichtlichen Themen und unternehmen Forschungsreisen, was man Ihrem neuen Buch eindeutig anmerkt. Hat Ihre Arbeit Sie dahingehend inspiriert, dieses Buch zu schreiben?

Meine Beschäftigung mit mythologischen Überlieferungen ist zweifellos in dieses Buch eingeflossen. Sowohl in den mittelamerikanischen Kulturen wie auch in Asien spielen archaische Schlangengottheiten und die Vorstellung von „Schlangenkräften“, die uns allen innewohnen, eine bedeutende Rolle.


Gerade die Details, die runde Ausarbeitung der von Ihnen geschaffenen Welt, machen einen Großteil der Atmosphäre des Buches aus. Ich vermute, dass ausdauernde und intensive Recherche hinter dem Text steckt?

„Der Ruf der Schlange“ ist ein Fantasy-Roman. D.h., ich habe mich hier und dort von überlieferten Mythen und Riten inspirieren lassen, aber dieses Material sehr frei behandelt und für meine Zwecke umgeformt. Den Naxoda-Mythos beispielsweise, wie er in meinem Roman dargestellt wird, findet man so oder so ähnlich sicher nirgendwo außerhalb dieser fantastischen Welt.


Nicht nur die Welt und das, was sie ausmacht, haben Sie detailliert ausgearbeitet, auch den Figuren haben Sie sich liebevoll gewidmet. Doch wie lernen Sie diese kennen? Erstellen Sie eine Art Checkliste? Interviewen Sie Ihre Figuren?

Die meisten meiner Romane sind aus einer Zentralperspektive geschrieben – aus der Sicht einer Hauptfigur, durch die sich meinen Lesern, aber vorher in anderer Weise auch mir selbst die jeweilige Welt erschließt. Bei „Der Ruf der Schlange“ ist das der etwas exzentrische Agent für „Mysteriöse Todesfälle“, Samu A. Rabov. Wenn ich anfange zu schreiben, habe ich eine recht genaue und strukturierte Vorstellung von Welt und Handlung  des Romans, aber Vieles ergibt sich darüber hinaus erst dadurch, dass ich mich mit – oder, besser, „in“ – meiner Figur durch diese Welt bewege.


Schlangen spielen, wie der Titel schon vermuten lässt, eine wesentliche Rolle in „Der Ruf der Schlange“. Was fasziniert Sie an diesen Tieren?

Schlangen sind in vielen Kulturen „das Urböse“, aber auch Inbegriff von archaischer Weisheit. Sie sind entwicklungsgeschichtlich sehr viel älter als Säugetiere. Sie sind uns fremd, aber zugleich unheimlich vertraut. Aber das sind alles nur Phrasen. Meine beste, wenn auch nicht gerade die kürzeste Antwort auf Ihre Frage ist „Der Ruf der Schlange“.


Wie lange haben Sie an dem Roman gearbeitet?

Für Niederschrift und Überarbeitung habe ich weniger als ein Jahr gebraucht. Wie viel Zeit, Energie, Kreativität durch Vorstudien, Reisen, Recherchen etc. mit eingeflossen sind, lässt sich unmöglich beziffern. Aber sicher ist es nochmals ein Mehrfaches dieser Zeitspanne.


War es schwer, einen Verlag von Ihrem Manuskript zu überzeugen?

Stefan Askani, dem Fantastik-Lektor bei Klett-Cotta, hat das Exposee auf Anhieb gefallen. Darüber ist man als Autor natürlich sehr glücklich.


Haben Sie bestimmte Rituale, die Sie beim Schreiben einhalten, beispielsweise eine feste Schreibzeit oder eine festgelegte Seitenzahl pro Tag?

Inspiration lässt sich ja nicht erzwingen. In der Regel arbeite ich schon jeden Tag – vorzugsweise vormittags – wenigstens vier Stunden lang am jeweils aktuellen Projekt. Aber es gibt Tage, an denen man es besser sein lässt und stattdessen schwimmen oder joggen geht.


Schreiben Sie bereits an Ihrem nächsten Buch? Wenn ja, in welchem Genre wird dieses angesiedelt sein – und können Sie uns bereits einen kleinen Einblick gewähren?

Als Nächstes fahre ich für ein paar Wochen nach Irland – Recherche für einen neuen Roman für jugendliche Leser, eine Art Action-Roman mit fantastischem Einschlag.


Neben Ihrer Arbeit als Autor sind Sie Leiter des Spezialverlags „MayaMedia“, in dem in erster Linie Sachbücher zu Gesundheitsthemen erscheinen. Scheinbar haben Sie Ihr Leben voll und ganz dem gedruckten Wort gewidmet?

Weitgehend, das stimmt wohl. Ich habe Erfahrungen als Literaturwissenschaftler, Lektor, Literaturagent, Ghostwriter und Verleger gesammelt, außerdem natürlich als Autor in nahezu allen prosaischen Segmenten.


Die Vermutung liegt nahe, dass Sie gerne lesen. Doch haben Sie neben dem Autorendasein, Ihrer Arbeit als Verlagsleiter und Ihrer Familie überhaupt noch Zeit zum (privaten) Lesen?

Nicht so viel, wie ich es mir wünschen würde. Aber ich lese trotzdem nicht gerade wenig – meist eine Mischung aus Neuerscheinungen (zuletzt Georg Kleins „Roman unserer Kindheit“) und Klassikern, die bei jeder erneuten Lektüre andere Facetten von sich preisgeben (momentan E.T.A. Hoffmanns „Serapionsbrüder“, davor einiges vom immer wieder erstaunlichen H.P. Lovecraft).


Ich danke Ihnen für das Interview.

Es war mir ein Vergnügen.

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