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Kategorie: Interviews mit Autoren


Foto: Kirsten Schützhofer

Frau Schützhofer, es freut mich sehr, dass Sie für die Leser-Welt bereit zu einem Interview sind.
Wie sind Sie überhaupt zum Schreiben gekommen?

Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Jedenfalls gehöre ich nicht zu jenen, die schon immer Schriftsteller werden wollten. Ich glaube, ich bin zum Schreiben gekommen, weil ich Geschichten erzählen wollte. Letzteres ist allerdings etwas, das ich schon immer gerne getan habe: Brett- oder Kartenspiele haben mich als Kind kaum interessiert.

Meinen ersten Romanversuch startete ich mit 16, aber es fehlte das Durchhaltevermögen. Der Anlass war ein Buch von Barbara Cartland, das ich in einer Hotelbibliothek gefunden hatte. Jedenfalls fand ich das Buch schrecklich kitschig und wollte ein noch kitschigeres schreiben. Letztendlich bin ich daran nicht nur wegen des mangelnden Durchhaltevermögens gescheitert, sondern auch, weil so etwas leichter gesagt ist als geschrieben.


Haben Sie vorher je daran gedacht, das Schreiben zu Ihrem Beruf zu machen?

Nein, nie. Ich wollte Entdeckerin werden, Lehrerin, Chemikerin, Mikrobiologin, Archäologin. Schriftstellerin war nie auf meiner Liste. Ich sehe es auch immer noch nicht als Beruf an, eher als Berufung und Geschenk.


Als erstes fällt einem beim Lesen Ihrer Bücher die sehr schöne und ausgewogene Sprache auf. Haben Sie dies gelernt oder haben Sie einfach Talent, sich schriftlich so schön auszudrücken?

Erst einmal herzlichen Dank für das Kompliment. Nein, ich habe das nicht gelernt, jedenfalls nicht bewusst. Wahrscheinlich war das viele Lesen hilfreich bei der Entwicklung meiner eigenen Sprache. Ich lese leidenschaftlich gerne. Talent spielt sicherlich auch mit hinein, aber das ist schwer greifbar.


Was hat Sie dazu bewogen, als Thema bei Ihrem ersten Buch ausgerechnet die französische Revolution zu wählen?

Mich fasziniert diese Zeit einfach unglaublich, immer noch und immer wieder. Zum einen sind da die Entwicklungen, die unser heutiges Leben möglich gemacht haben. Viele Rechte, die wir heute als selbstverständlich ansehen – wie z.B. der einfache Grundsatz, dass alle Menschen gleich und frei geboren sind -, haben wir den Entwicklungen zu verdanken, die in dieser Zeit ihren Anfang nahmen. Zum anderen ist da die menschliche Ebene, die mich tief berührt: die Hoffnung, der Enthusiasmus, die Vorstellung einer neuen Welt, die Enttäuschungen, der Verrat, zerbrochene Freundschaften. Ich bin einfach sehr dankbar dafür, was diese Menschen damals erreicht haben.


Ihr Buch „Die Farbe der Revolution“ ist 2005 als Hardcover im Bertelsmann-Club veröffentlicht worden.

2006 verlegte dieses Buch der Diana/Heyne Verlag, allerdings unter einem anderen Namen und zwar „Die Tochter des Advokaten“ als Taschenbuch.


Wie ist das für einen Autor, wenn er vom Verlag angeboten bekommt, es zu verlegen, aber nur unter einem anderen (vielleicht gar nicht so passenden) Titel?

Das ist sehr schwer zu beantworten. Titel und auch Cover sind häufig Streitpunkte, weil sie Teil des Marketing sind. Es geht in erster Linie darum, Aufmerksamkeit zu erregen, also klotzt man eher als zu kleckern – auch bei leisen Geschichten. Das Endprodukt ist jedenfalls meistens ein Kompromiss. Dass das Buch auch bei Diana/Heyne erscheinen würde, war übrigens von vornherein klar, da es sich bei der Bertelsmann Club-Ausgabe lediglich um eine Lizenzausgabe handelte. Mit dem neuen Titel war ich zugegebenermaßen nicht sehr glücklich, habe mich aber darüber gefreut, dass das Titelbild einen Ausschnitt aus einem Gemälde des 18. Jahrhunderts zeigt.


Wie finden Sie die Figuren zu Ihren Romanen?

Die meisten tauchen einfach auf, sobald ich mich eine gewisse Zeit mit dem Thema beschäftigt habe. Bei „Die Tochter des Advokaten“ war Robert Fouquet die erste, eine Nebenfigur, und die weiteren Figuren erwuchsen quasi aus seinem Umfeld. Bei „Die Kapelle der Glasmaler“ waren es Raymond und Ghislain, dicht gefolgt von Clément, dem Glasmaler. Wie die Figuren sein werden, weiß ich anfangs nur in groben Grundlinien – das Aussehen, die grundsätzliche Einstellung zum Leben – alles andere, Hoffnungen, Träume, Ängste und was die Figur ansonsten geprägt hat, entdecke ich während des Schreibens.


Wie lange schreiben Sie an einem Roman und haben Sie da bestimmte Vorlieben was Zeit und Ort betrifft?

Mein erster Roman entstand im Zeitraum zwischen 1999 und 2004, den zweiten schrieb ich 2006. Der dritte entstand zwischen 2007 und 2008. Wenn man mit Vertrag schreibt, geht man zwangsläufig zielgerichteter vor. Eigentlich kann ich überall schreiben, vielleicht nicht im größten Trubel, aber ich habe schon an den verschiedensten Orten an meinem Roman gearbeitet: im Arbeitszimmer, im Zug, im Hotelzimmer.
Vor der eigentlichen Schreibarbeit steht natürlich erste einmal die Recherche, für die ich meist die ersten zwei bis drei Monate veranschlage. Auch während des Schreibens recherchiere ich kontinuierlich weiter, meist kann ich gar nicht damit aufhören. Ich liebe es einfach, Neues zu entdecken. Oft bringt mich die Recherche noch während des Schreibens auf weitere Gedanken. Beim Schreiben selbst gehe ich unterschiedlich vor. Manchmal habe ich mir die Szene schon vorher ausgemalt, manchmal setze ich mich an den Schreibtisch und lasse es zu, dass sich die Geschichte entwickelt. Es kann also sein, dass ich mit einer Kleinigkeit beginne, beispielsweise ein morgendlicher Sonnenstrahl, der seinen Weg über das Land sucht, und dann das ganze Bild Stück um Stück aufbaue. Manchmal ist es auch ein Satz, der mich auf die Reise schickt.


Die Sainte Chapelle, um die es in Ihrem zweiten Roman geht, ist ja eine wirklich ausgesprochen schöne gotische Kirche. Trotzdem meint man vielleicht, dass andere eher der Notre Dame den Vorzug gegeben hätten.
Was hat Sie dazu bewogen, gerade diese – bei uns nicht so bekannte Kirche – als Schauplatz zu nehmen?

Das war eigentlich klar, sobald ich die Sainte-Chapelle zum ersten Mal gesehen habe. Diese Kirche hat sich in meinem Kopf eingeprägt, wie bisher keine andere – und jeder, der diese Kirche jemals besucht hat, dürfte das nachvollziehen können. Nôtre-Dame hat einfach nicht den gleichen starken, sinnlichen Reiz auf mich ausgeübt. Wenngleich ich heute mit anderen Augen auch auf Nôtre-Dame schaue, denn einen ihrer Baumeister – Pierre de Montreuil - bringt man traditionell auch mit der Sainte-Chapelle in Verbindung.


Mit der Saint Chapelle muss ich Ihnen absolut zustimmen! Wenn man sie persönlich besucht, weiß man, was Sie dazu bewog, darüber zu schreiben.
Die Geschichten Ihrer beiden Bücher spielen in ganz verschiedenen Epochen. Haben Sie eine Vorliebe für eine bestimmte Zeit oder spielt die Zeit keine Rolle, wenn das Thema passt?

Ende 2005 hätte ich diese Frage noch ganz eindeutig mit 18. Jahrhundert beantwortet. Heute würde ich sagen, dass ich keine bestimmte Epoche bevorzuge. Ich bin ebenso dankbar für die Zeit, die ich im 13. Jahrhundert und im 17. Jahrhundert verbringen durfte. Letztendlich ist es das Thema, das für mich von Bedeutung ist.


Schreiben Sie schon an einem neuen Buch und wenn ja, wird dieses auch wieder in Frankreich spielen?

Mein neues Buch „Die Kalligraphin“ wird zu Weihnachten erscheinen. Zum ersten Mal kehre ich Frankreich den Rücken, denn dieses Mal verschlägt es mich ins Sachsen des 17. und frühen 18. Jahrhunderts – genauer gesagt ins Vogtland, den Landstrich, dem ich zwei meiner Hauptfiguren verdanke: Habar und Ibrahim. Es war auch dieses Mal wieder faszinierend, eine neue Zeit kennen zu lernen, wenn auch manche Aspekte, z.B. dass man sich in hohen Kreisen eher parfümierte als sich mit Wasser zu waschen, das als hochgefährlich galt, etwas gewöhnungsbedürftig sind. Wenn man ein Vollbad genommen hatte, hielt man, wenn möglich, zur Sicherheit für den Rest des Tages Bettruhe. Das kommt einem heute etwas seltsam vor. Auf meiner Homepage www.kirsten-schuetzhofer.de berichte ich regelmäßig von Neuerungen.


Ich danke Ihnen für das Interview.