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Kategorie: Liebes-, Frauen- und Erotikromane

Anrührend, komisch und voller Lebensweisheit

Als die junge Israelin Timna in ihr Leben tritt, wird sie für Sima sehr bald zu der Tochter, die sie niemals haben konnte. Simas Erfolg mit ihrem kleinen Dessousgeschäft, ihre Beliebtheit unter den Frauen, die hier ihre Geheimnisse austauschen, ja selbst die Liebe ihres Mannes haben den Schmerz, den der unerfüllte Kinderwunsch hinterlassen hat, nie ganz stillen können. Jetzt jedoch kehren die Träume von Glück, Unbeschwertheit und Jugend in Simas Leben zurück …

 

 

Originaltitel: Sima's Undergarments for Women
Autor: Ilana Stanger-Ross
Übersetzer: Angelika Felenda
Verlag: Diana
Erschienen: 16.09.2010
ISBN: 978-3-453-35470-8
Seitenzahl: 368 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Die geheime Welt der Frauen ist in diesem Fall ein versteckter, im Souterrain eines Wohnhauses gelegener kleiner Dessousladen in Brooklyn, New York. Simas Geschäft ist erste Anlaufstelle für alle Frauen des jüdischen Viertels Boro Park. Mit klugem Sachverstand weiß Sima immer, welche Unterwäsche ihrer Figur schmeichelt, so dass sich jede Frau bei ihr schön und begehrenswert fühlt. Unter seinesgleichen, wohin sich nie ein Mann verirren würde, tauschen die Frauen während ihres Einkaufs Geheimnisse und Neuigkeiten aus.
Eines Tages betritt die junge, überaus attraktive Timna den Laden. Vom ersten Augenblick an übt die junge Israelin eine große Faszination auf Sima aus, die allmählich obsessive Züge annimmt, als Timna kurze Zeit später die Stelle einer Änderungsschneiderin in Simas Geschäft annimmt. Schnell ist es vorbei mit der Einsamkeit und der Verbitterung in Simas Leben, doch es ist ein trügerisches Glück auf Zeit, denn Timna verkürzt sich mit ihrem Aufenthalt in New York lediglich die 8 Monate Wartezeit, bis ihr Freund Alon aus der Armee entlassen wird …


Stil und Sprache
Die Geschichte erschließt sich dem Leser allein aus Simas Sicht; erzählt wird sie in der dritten Person. Zahlreiche Rückblenden auf Simas Leben und ihre Ehe mit Lev fließen nahtlos in die Handlung ein und sind deshalb oft nur schwer als solche zu erkennen, da sie weder an der Zeitform (beide Zeitebenen sind in der Vergangenheitsform geschrieben) noch durch Absatztrennungen auszumachen sind. Ebenso erschweren viele jüdische Begriffe das Lesen, die leider nur teilweise im Glossar aufgeführt werden.
Ruhig und bedächtig, mit einer unglaublichen Präzision und Detailgenauigkeit ist die Erzählweise der Autorin. Sie nimmt sich viel Zeit, alles haarklein zu beschreiben, so dass man sich die Figuren als auch ihr Umfeld sehr bildhaft vorstellen kann und sich mittendrin in der Handlung fühlt. Simas überaus selbstkritische und ehrliche Sichtweise ermöglicht dem Leser, sich in sie hineinzuversetzen und ihre Handlungen nachzuvollziehen. Ilana Stanger-Ross schafft es, eine sehr dichte Atmosphäre aufzubauen, die sich einem wohltuend und wärmend ums Herz legt, genauso aber auch eine aufwühlende, traurige oder schmerzhafte Wirkung haben kann. Ihre Sprache steckt einen Moment voller Wärme, Zärtlichkeit und Sinnlichkeit, nur um im nächsten Augenblick in Traurigkeit, Hilflosigkeit und Frust umzuschwenken. Dieses Buch macht es einem nicht immer leicht und ist definitiv nicht zum Verschlingen geeignet. Es will langsam, jeden Satz einzeln einverleibend, genossen werden, nur dann entfaltet es seine ganze Pracht.


Figuren
Sima und Timna stehen als Hauptpersonen im Mittelpunkt des Romans. Erschließt sich Simas Person durch die eigene analytische, selbstkritische Erzählperspektive dem Leser klar und deutlich, mit all ihren Fehlern, Unsicherheiten und Vorzügen, so bleibt Timna dem Leser ein Rätsel. Sima versucht Timna des Öfteren Einzelheiten aus ihrem Leben zu entlocken – mit bescheidenem Erfolg. Über die Beziehung zu ihrem Freund Alon wird die junge Frau hin und wieder redselig, aber was ist mit ihrem neuen Leben in New York? Wo und wie wohnt sie? Was treibt sie in ihrer Freizeit? Wer sind ihre Freunde? Fragen über Fragen, die Sima fast in den Wahnsinn treiben, weil sie weitgehend unbeantwortet bleiben. Sima ist der Gedanke unerträglich, für Timna nur die nette Arbeitgeberin zu sein, während Timna in ihrem Leben eine viel zu wichtige Position einnimmt. Neugier, Besorgnis, Liebe und Eifersucht veranlassen Sima, der jungen Frau heimlich nachzuspüren und sich in wilde Spekulationen zu ergehen.
Simas Ehemann Lev bleibt über weite Strecken des Romans eine blasse Figur, denn tagsüber verkriecht er sich zeitunglesend oder fernsehend in der Wohnung über dem Laden und abends sind es Belanglosigkeiten, um die sich die kurzen Gespräche mit Sima drehen. In den Rückblenden erfährt man, dass die anfangs harmonische, glückliche Ehe an Simas unerfülltem Kinderwusch scheiterte. Zwischen den Eheleuten hat sich eine dicke, undurchdringlich scheinende Mauer des Schweigens aufgebaut, deren Aufrechterhaltung für beide Seiten weit bequemer ist als der Versuch, sie einzureißen.
Die wichtigste Nebenperson neben Lev ist Simas Freundin Connie. Die beiden Frauen kennen sich seit ihrer Schulzeit und sind in all den Jahren zusammen durch dick und dünn gegangen. Bei ihren regelmäßigen Treffen erzählt Connie recht freizügig aus ihrem Leben, so dass man als Leser viel über sie erfährt, während Sima ihrer Freundin gegenüber verschlossen bleibt. Connies Ehe mit Art bedeutete für Sima jahrelang das glänzende Abbild einer intakten Ehe, die sie nie hatte. Jedoch ist es nicht Neid sondern Bewunderung, die Sima deren Beziehung entgegenbringt. Als sich diese eines Tages ebenfalls als Trugbild offenbart, stürzt nicht nur für Connie eine Welt ein.


Aufmachung des Buches
Auf dem Cover des Taschenbuchs sieht man den Rücken einer jungen Frau in einem dunkelgrünen Seidenkleid mit tiefem V-Ausschnitt, über den eine schwarze Perlenkette fällt. Es ist zweifellos ein wunderschönes Bild, das die Blicke auf sich zieht, doch kann ich die blonde junge Frau weder mit Timna noch mit Sima in Verbindung bringen. Als Israelin ist Timna in meiner Vorstellung schwarzhaarig und Sima steht schon allein altersmäßig außer Frage. Autorenname und Titel heben sich in weißer und orangener Schrift vorteilhaft vom Coverbild ab. Die Rückseite hat einen warmen Orangeton als Untergrund, auf dem die Inhaltsangabe in Weiß und Schwarz aufgedruckt ist.
Im Anhang befindet sich ein Glossar, in dem zahlreiche, doch leider nicht lückenlos alle, jüdische Begriffe aus der Handlung erklärt werden.


Fazit
Ein fulminantes Debüt! Feinfühlig geschriebener Frauenroman voller Anmut, Zärtlichkeit und Schmerz, der einen tief berührt und so schnell nicht mehr loslässt. Allerdings wird seine ruhige Erzählweise Leserinnen, die spannende und ereignisreiche Handlungen bevorzugen, eher weniger oder gar nicht ansprechen.


4 5 Sterne


Hinweise
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