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Am 18. August 1503 findet der Borgia Papst Alexander VI. unter mysteriösen Umständen den Tod. Schon bei Tagesanbruch beginnt das Wettrennen auf den päpstlichen Stuhl. Um an ihr Ziel zu gelangen, ist den Anwärtern jedes Mittel recht. Selbst vor Mordversuchen schrecken die exklusiven Mitglieder des dekadenten und machthungrigen Zirkels im Vatikan nicht zurück. Kardinal Giuliano della Rovere, ein Erzfeind des einflussreichen Borgia-Klans, wäre sogar bereit, seine Seele dem Teufel zu verkaufen, um an das höchste Amt zu gelangen.

 

 

Originaltitel: Le pape terrible 1 - Della Rovere
Autor: Alejandro Jodorowsky
Übersetzer: Tanja Krämling
Illustration: Theo
Verlag: Splitter
Erschienen: Juli 2010
ISBN: 978-3-86869-161-0
Seitenzahl: 56 Seiten
Altersgruppe: ab 16 Jahren (Empfehlung des Rezensenten)

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Die Grundidee der Handlung
Die Verlagsinhaltsangabe gibt schon einen sehr umfassenden Einblick, was den Leser dieses historischen Comics erwartet. Nach allem was man heute weiß, ist zwar davon auszugehen, dass wohl alle Vatikan-Kardinäle jener Epoche gleich machthungrig und skrupellos waren, doch entgegen der Inhaltsangabe konzentriert sich der Blick hier nur auf einen unter ihnen: Giuliano della Rovere. Auf seinem Weg zum höchsten Amt der Katholischen Kirche degradiert er seine Amtskollegen zu gefügigen, hirnlosen Marionetten, die nicht imstande sind, ihn zu durchschauen oder ihm entgegenzutreten.

Obwohl Comic-Altmeister Alejandro Jodorowsky den Plot wie ein effekthaschendes Trivialszenario – bestehend aus Lügen, Intrigen, Verrat, Hass, Sex, Machtgier und Mord – aufzieht, das mich an Fernsehserien wie „Dallas“ und „Denver“ erinnern lässt, steckt doch viel Wahrheit dahinter. Die hemmungslosen Ausschweifungen im Vatikan zu jener Zeit sind mittlerweile ein offenes Geheimnis, auch wenn der Klerus in Rom diese bis heute offiziell bestreitet. So mancher Papst oder Kardinal wurde im Wettstreit um den „Heiligen Stuhl“ von seinen Mitstreitern vergiftet, allabendlich fanden ausgelassene Sauf- und Fressgelage statt, die es den obersten Vertretern der Katholischen Kirche an nichts fehlen ließen, und dass diese es mit der ihr auferlegten Keuschheit nicht so genau nahmen (und nehmen), ist ebenso eine unleugbare Tatsache.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Gleich auf den ersten Seiten lässt uns Jodorowsky mit üppigen, rauschhaften Bildern – graphisch von Theo in Szene gesetzt – am hemmungslosen Treiben teilhaben, das nach dem Tod des Borgia-Papstes Alexander VI. in Rom umgeht. Eindeutige Bilder, die nicht viel verbergen, zeigen zunächst Männer auf den nächtlichen Straßen, wie sie sich mit Huren vergnügen. Blättert man zur nächten Seite um, fällt der Blick in ein prächtig ausgestattetes Schlafzimmer. Dort liegt Giuliano della Rovere zusammen mit zwei Liebhabern in einem riesigen Bett mit Baldachin. Vom Glockengeläut der Papstprozession ungnädig geweckt, präsentieren sich die zwei attraktiven jungen Männer dem Leser beim Aufstehen wie Gott sie schuf, der Anblick des deutlich älteren und ein wenig beleibten della Rovere bleibt einem zum Glück erspart, er bindet sich züchtig ein Tuch um die Hüften und verbirgt seine Mannespracht. Ähnliche Bilder begegnen einem wiederholt im weiteren Verlauf der Handlung, dabei ist Sex für Giuliano della Rovere nicht nur zum Vergnügen da, er setzt ihn mithilfe seiner Geliebten ebenso als heimtückische Waffe zur Erreichung seiner Ziele ein.

Theos Stärken liegen eindeutig in der Darstellung von historischen Gebäuden und der Protagonisten, die allesamt sehr authentisch wiedergegeben werden. Gebäudeansichten von außen begegnen einem nicht ganz so häufig wie von innen, dennoch zeigen diese stets ein realistisches römisches Stadtbild während der Renaissance. Theo lässt häufig den Blick über die roten Ziegeldächer der mehrstöckigen Stadtvillen schweifen, deren schlichte, ockerfarbenen Fassaden kaum vermuten lassen, welche Pracht sich in ihrem Inneren verbirgt. Diese zeichnet Theo in einem großen Detailreichtum. Private Villen beeindrucken mit kunstvoll geschnitzten Holztüren und Möbelstücken, gefliesten Fußböden, Marmorsäulen, Wandmalereien und Gemälden. Ebenso sind Kirchen an ihren hohen Gewölbegängen, mächtigen Säulen, lichtdurchfluteten Kuppeln und prunkvollen Altären gleich wiederzuerkennen. Seine Akteure kleidet er in kirchliche Gewänder, wobei die rot-weißen Kutten der Kardinäle sich alle bis aufs Haar gleichen, allein der Papst sticht mit reichbestickten Umhängen daraus hervor. Doch am allerbesten versteht Theo sein Handwerk, wenn er die Protagonisten in Nahaufnahme zeigt. Die Gesichter, auf denen jede Falte zu erkennen ist, sind in ihrer hohen Plastizität und Ausdruckfähigkeit für mich das Schönste und Gelungenste an diesem Comic.

Leider hält Theo nicht mit allen seiner Zeichnungen ein hohes Niveau. Landschaften werden beispielsweise mit kargen Strichen äußerst dürftig wiedergegeben. Noch weniger Mühe gab er sich mit der Ausarbeitung von Menschenmassen. Diese verkommen gleich an mehreren Stellen nur zu einem verwischten Fleck. Nimmt dieser gar ein Drittel des Bildes ein, so wirkt das doch sehr befremdlich. Tiefen- und Schattendarstellungen scheinen ebenso nicht Theos Stärke zu sein, sie bewegen sich an manchen Stellen bestenfalls auf durchschnittlichem Niveau.

Die Farbgebung stammt von Sébastien Gérard. Er muss eindeutig einen Hang zur Farbe Rot haben, denn anders kann ich mir den Purpurrausch, der sich durch diesen Comic zieht, nicht erklären. Rot, Orange, Gelb und Ocker sind die vorherrschenden Farben, selbst da wo sie nicht angebracht sind und den Bildern die Natürlichkeit nehmen, z.B. bei Landschaftsdarstellungen. Dieser knallige, meiner Meinung nach zu einseitig geratene Farbenrausch wird sicherlich nicht jedermanns Geschmack treffen. Hier empfiehlt es sich, vor Kauf unbedingt einen Blick auf die Leseprobe des Verlages zu werfen.

Die immer eindeutig zuordenbaren Sprech- und Gedankenblasen haben eine ovale, Erzähltexte eine rechteckige Form. Die Sprechblasen konfrontieren einen mit relativ viel Text, der aber mit Großbuchstaben in angenehmer Schriftgröße dennoch flüssig lesbar ist. Geräuschzeichen treten äußerst selten auf und fügen sich dann so harmonisch in die Zeichnungen ein, dass sie kaum ins Auge fallen.


Aufmachung des Comics
Im typischen Splitter-Überformat verlegt, hat der gebundene Comic eine sehr hochwertige Aufmachung, die keine Wünsche offenlässt. Hochglänzende, harte Umschlagdeckel, mit einer Zeichenskizze bedruckte braune Vorsatzblätter, ein sehr schön gestaltetes illustriertes Titelblatt sowie Jodorowskys und Theos Kurzbiografien im Anhang unterstreichen diesen Eindruck. Theos Biografie ist noch um zwei Skizzen aus dem Comic ergänzt. Die Papier- und Druckqualität ist ebenfalls ausgezeichnet.

Das Titelbild zeigt Giuliano della Rovere in roter Kardinalsrobe auf dem Papststuhl sitzend, auf seinem Schoß lümmelt sich einer seiner beiden Geliebten – nackt. Diese Tatsache unterstreicht auf den ersten Blick den hohen Erotikfaktor des Comics, ebenso veranschaulichen die reichverzierten, teilweise vergoldeten Gewölbesäulen die Hochwertigkeit und historische Authentizität von Theos Zeichnungen. Autoren-/Zeichnername und Titel heben sich in elfenbeinfarbener Schrift vorteilhaft vom bunten Untergrund ab. Auf der Rückseite mit braunem Untergrund wird der Serientitel in derselben hellen Aufschrift wiederholt. Die Mitte nimmt eine Illustration – angelehnt an das Piratensymbol – mit einem rotbemützten Totenkopf und zwei gekreuzten Kirchenportalschlüsseln ein. Darunter ist die Inhaltsangabe, ebenfalls in heller Schrift, aufgedruckt.


Fazit
Nach seinem 3-teiligen Comic „Borgia“ schlägt Altmeister Jodorowsky mit dieser auf 2 Bände ausgelegten Miniserie ein neues Kapitel über den Vatikan in der Renaissance auf. Im Mittelpunkt steht der Nachfolger des Borgia-Papstes: Giuliano della Rovere.
Trivial, prall und süffig liest sich die Geschichte, gleichzeitig vermittelt sie ein recht treffendes historisches Bild jener Zeit. Theos Zeichnungen können leider nicht in allen Bereichen als überdurchschnittlich gewertet werden und die „rotstichige“ Kolorierung wird ebenfalls nicht jedermanns Geschmack treffen, dennoch ist der Comic eine unbedingte Kaufempfehlung an Alle, die Gefallen an historischen Plots haben und sich nicht an homoerotischen Darstellungen stören.


4 Sterne


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