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Kategorie: Romane

Der Psychiater Andrew Marlow liebt seinen Beruf, seine gelegentliche Malerei und sein unabhängiges Leben. Als der berühmte Maler Robert Oliver sein Patient wird, ist es damit vorläufig vorbei. Der Künstler hatte versucht, ein Gemälde in der National Gallery of Art in Washington mit einem Messer zu attackieren.
Béatrice de Clerval ist eine begabte junge Malerin in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts in Paris. Ihr Mentor Olivier Vignot veranlasst, dass eines ihrer Gemälde unter Pseudonym in einer Salon-Ausstellung der Impressionisten gezeigt wird.
Was hat das Schicksal dieser Künstlerin, deren Briefe an ihren Malerfreund sich im Besitz des genialen Künstlers Robert Oliver befinden, mit dessen zerstörerischem Wahn zu tun? Mit großer psychologischer Einfühlung beschreibt Elizabeth Kostova in ihrem spannenden neuen Roman die Geschichte einer Obsession, einer großen Liebe - und wie die Liebe zur Kunst die Seelen der Menschen bewegt.

 

   Autor: Elizabeth Kostova
 Verlag: Bloomybury
 Erschienen: 12. März 2010
 ISBN: 978-3827009036
 Seitenzahl: 669 Seiten


Die Grundidee der Handlung
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (um 1860 – 1870), entwickelte sich in Frankreich der Malstil des „Impressionismus´“. Als Claude Monet (einer der heute wohl bekanntesten Impressionisten) in London Bilder von William Turner sah, die nicht wie traditionell realistisch, sondern in weichen, fließenden Farben gemalt waren (Turner war ein „Vorläufer“ des Impressionismus), war er so begeistert, dass er diesen Stil selbst übernahm, weiter entwickelte und perfektionierte. Von den Kritikern verpönt, spalteten sich die französischen Künstler bald in zwei Lager; auf der einen Seite die der traditionellen, realistischen Maler und auf der anderen die romantischen Maler - die des Impressionismus'.
Heute zählen Werke von Claude Monet, Edgar Degas, Auguste Renoir und noch viele mehr zu den wohl berühmtesten und wertvollsten Gemälden der Welt. Auch Elizabeth Kostova muss diesen Malstil lieben, hat sie doch mit diesem Buch eine Hommage an die großen Künstler des Lichts und der Farbe geschaffen.


Stil und Sprache
Ein Buch wie ein Gemälde. Um es gleich am Beginn zu sagen: Wenn jemand keine Liebe zu Gemälden, zu Farbe und Licht und das Einfangen und Bannen von fesselnden Augenblicken auf die Leinwand hat, der sollte die Finger von dem Buch lassen. Zu sehr geht es um die Kunst des Malens, den künstlerischen Ausdruck, den Zwang, alles Gesehene mit Farbe und Pinsel festzuhalten. Wie die Impressionisten ihre Bilder, so zeichnet Elisabeth Kostova ihren Roman in feiner, flüssiger und leichter Sprache. Was sich aber so leicht liest, ist alles andere als leicht. Es geht um das dramatische Schicksal eines Menschen, der in sich selbst verloren scheint. Wie es dazu kam, welche Beweggründe und Ereignisse dahinterstehen, dies hat die Autorin hier mit viel psychologischem Tiefgang sehr akribisch ausgearbeitet.
Mehrere Erzählstränge geben Einblick in das Leben des Protagonisten Robert. Der behandelnde Psychiater des Protagonisten Robert Oliver, lässt sich von der Ex-Frau und seiner ehemalige Lebensgefährtin das Leben mit Robert erzählen. Der Psychiater wiederum berichtet dem Leser seine Erlebnisse mit dem Umgang und der Diagnosefindung seines Patienten. Und dann gibt es noch einen Blick in die Vergangenheit, in das Leben einer jungen Malerin im späten 19. Jahrhundert. Dieser Teil wird aus Sicht eines Dritten erzählt und diese Einblicke sind ungewöhnlicher Weise im Präsens gehalten.

Elizabeth Kostova  impressioniert in diesem ausgesprochen intelligent und detailliert erzähltem Roman das Psychogramm eines besessenen Malers, der in sich selbst gefangen scheint. Mögen dem einen oder anderen Leser die sehr sublimierten Erzählungen zu lang erscheinen, so ist es aber gerade das, was aus diesem Roman ein erstklassiges Buch macht. Obwohl es im Grunde „nur“ um die psychische Instabilität eines Mannes in den besten Jahren geht, so ist der Spannungsbogen stets straff gehalten. Es kommt einem gegen Ende des Buches immer öfter der Gedanke, welchen Schluss sich die Autorin wohl für diese feinfühlige Geschichte erdacht hat. Oftmals passiert es leider, dass ein Autor mit dem Ausgang seines Buches vieles zunichte macht. Dies ist hier keineswegs der Fall. Es gibt keine bombastisch explosive Erklärung, aber einen sehr gut durchdachten, klugen und absolut zu der ganzen ungewöhnlichen Geschichte passenden Schluss.


Figuren
Die Figuren sind neben der kristallklaren und sensiblen Sprache ein wahres Highlight.
Robert Oliver, der eigentliche Protagonist, steht stets in der Mitte des Geschehens, obwohl zu 90 Prozent des Buches nicht mit ihm sondern über ihn geredet wird. Sein Psychiater, Andrew Marlow, seine Ex-Frau Kate Oliver und auch seine Ex-Lebensgefährtin Mary Bertison entwickeln sich für den Leser schrittweise zu sehr sympathischen und guten Bekannten. Neben dem Erkunden des Seelenlebens von Robert, erhält man noch Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt Andrew Marlows, der in Mary nicht nur die Ex-Freundin seines Patienten sieht. Ohne nur je einmal in eine kitschig schnulzige Szene abzugleiten, erlebt man noch die Entwicklung einer fein schwebenden Liebe mit. Man meint direkt, alle Figuren auf der Straße sofort wiederzuerkennen, wenn sie einem begegneten. Die Autorin hat alle ihre Darsteller mit immenser Empathie gezeichnet und nach Beendigung des Buches hat man das Gefühl, sich von guten Freunden für immer zu verabschieden.


Aufmachung des Buches
Auf dem beinah schwarzen Cover des gebundenen Buches prangt der Name der Autorin in goldenen Lettern und lenkt so sofort die Aufmerksamkeit auf sich. Erst auf den zweiten Blick zeigt sich das elegant und mystisch wirkende Motiv von Franois Edouard Picots Gemälde der „Leda“. Der Titel „Die Schwanendiebe“, dessen Bedeutung sich dem Leser erst am Ende des Buches erschließt, steht in eleganter weißer Schrift unterhalb des Autorennamens. Ein wunderbarer Prolog führt in das Geschehen, der nach 107 Kapiteln in einem ebenso feinen Epilog endet. Mit einer Danksagung endet der 670 Seiten umfassende Roman.


Fazit
Hat man einen Bezug zur bildenden Kunst und sind einem all die Namen der großen Impressionisten und auch anderer Maler vertraut, so wird man in diesem Buch eine wahre Perle finden, die einen nachhaltig in Erinnerung bleibt. Leser, die sich für Gemälde interessieren, aber vielleicht kein großes Wissen auf dem Gebiet haben, werden verleitet, über all die berühmten Künstler zu recherchieren und auch die geschaffenen Werke anzusehen. Es sei versichert, dass sich für so manch einzelnen ein wahres Kaleidoskop an Farbenpracht, Licht und Schatten präsentieren wird, das einen nie mehr loslässt. Ein Buch, das einen Einblick in das Innerste eines Menschen gewährt und gleichzeitig die pralle und bunte Vielfalt menschlicher Kreativität zeigt.


5 Sterne


Hinweise
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