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Kategorie: Ab 8 Jahre

Die Wahrheit von heute ist nicht die Wahrheit von morgen

Als auf dem Marktplatz von Balta plötzlich das Zelt einer Wahrsagerin steht, weiß der Waisenjunge Peter sofort, welche Fragen er stellen muss: Ist seine Schwester noch am Leben? Und wenn ja, wie kann er sie finden? Die geheimnisvolle Antwort der Wahrsagerin – „Du musst dem Elefanten folgen. Er wird dich zu ihr führen.“ – setzt eine wundersame Kette von Ereignissen in Gang, die so unglaublich, so einzigartig sind, dass man sie kaum fassen kann. Alles aber davon ist wahr.

 

Der_Elefant_des_Magiers 

Autor: Kate DiCamillo
Verlag: dtv junior
Erschienen: 01.05.2010
ISBN: 978-3-423-76002-7
Seitenzahl: 176 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Peter Duchene wächst bei dem Freund seines Vaters, Vilna Lutz, auf, nachdem sein Vater im Krieg gefallen und seine Mutter bei der Geburt seiner Schwester Adele gestorben ist. Adele selbst war laut Aussage Vilna Lutz‘ eine Totgeburt. Doch als eines Tages auf dem Marktplatz das Zelt einer Wahrsagerin steht, gibt Peter das wenige Geld statt für Brot und Fisch für eine einzige Frage aus, um Gewissheit zu haben: Wenn seine Schwester noch lebt, wie kann er sie finden? Doch die Antwort der Wahrsagerin ist sehr seltsam, soll er doch dem Elefanten folgen, der ihn zu Adele führen wird. Ein Elefant in Balta? Doch als ein Zauberer statt eines Straußes Lilien einen Elefanten durch das Dach der Oper fallen lässt, der zudem eine adelige Dame verkrüppelt, nehmen die wundersamen Ereignisse ihren Lauf …

Kate DiCamillo hat mit „Der Elefant des Magiers“ eine bezaubernde Geschichte geschrieben, in der es um Wahrheit und Lüge, um Wissen und Hoffen, um Leben und Tod und letztendlich auch Zauberei geht: „Zauberei ist immer unmöglich“, sagte der Zauberer. „Es beginnt mit dem Unmöglichen und endet mit dem Unmöglichen, Und zwischendrin ist es ebenfalls unmöglich. Sonst wäre es ja keine Zauberei.“ (Seite 134).


Stil und Sprache
Der Erzähler dieser ungewöhnlichen Geschichte berichtet mal aus der Sicht dieser, dann wieder aus jener Perspektive, sodass der Leser einen umfassenden Überblick über das Geschehen hat. Selbst aus Sicht von dem Elefanten und dem blinden Meldehund Ido wird hin und wieder erzählt. Diese Wechsel sorgen jedoch auch dafür, dass der Leser eine Vielzahl an Figuren kennen lernt, sich zumindest anfangs aber auf keine von ihnen vollends einlassen kann, da die Wechsel zu häufig sind. Mit der Zeit gewöhnt man sich allerdings an diesen eigenwilligen Stil und lernt ihn sogar schätzen – ebenso wie die Figuren, die immer mehr Konturen bekommen. Besonders interessant ist hierbei, dass der Erzähler nicht lang und breit über die Gefühle der Figuren berichtet, aus deren Gedanken, ihren Worten und ihren Handlungen jedoch stets ersichtlich ist, was in ihnen vorgeht und was sie beschäftigt. So ist die hoffnungslose Verzweiflung des Elefanten, gefangen im Ballsaal der Gräfin – voller gleißender Kerzenleuchter, dem Trommeln des Orchesters und dem Zigarrenrauch – regelrecht spürbar und das Mitleid des Lesers wird unweigerlich geweckt: „Er versuchte, all das auszublenden. Er schloss die Augen und hielt sie so lange wie möglich geschlossen, aber das nutze überhaupt nichts, denn jedes Mal, wenn er sie wieder öffnete, war alles genauso wie zuvor. Nichts hatte sich geändert.“ (Seite 70). Doch bei all der Hoffnungslosigkeit – sei es die des Elefanten fernab seiner Heimat oder die Peters, der seine Schwester finden will – gibt es auch einen Funken Hoffnung, an den sich nicht nur die Figuren, sondern auch der Leser klammert.

Die einfache Sprache, der zumeist flüssige Schreibstil, in den sich allerdings hin und wieder Fremdworte wie beispielsweise „eloquent“ einschleichen, sorgen dafür, dass der Leser nicht von der Geschichte abgelenkt wird. Teilweise ist die Sprache sehr bildreich und poetisch, dann jedoch wieder kurz und knapp und man hätte sich ein wenig mehr Details gewünscht.


Figuren
Nicht nur der Text, auch die Figuren sind eigenwillig, doch der bunte Haufen weiß den Leser zu überzeugen. Auf jede Einzelne einzugehen, würde wohl den Rahmen der Rezension sprechen, doch einige Worte zu Peter Duchene und Leo Matienne möchte ich doch loswerden. Der 10-jährige Peter wird von Vilna Lutz zu einem ehrenhaften und getreuen Soldaten ausgebildet, doch Peter muss bald erkennen, dass dies nichts für ihn ist. Wozu sollen Kriege überhaupt gut sein? Er hat sein Herz auf dem rechten Fleck, ist ein treuer und liebenswerter Junge und nimmt den Leser schnell für sich ein.
Leo Matienne ist Polizist und Peters Nachbar. Er zerbricht sich mit Vorliebe den Kopf über Fragen: Was wäre, wenn? Warum nicht? Könnte es sein? Denn „wie soll die Welt sich jemals ändern, wenn wir sie nicht infrage stellen?“ (Seite 125). Dieser kleine Mann mit dem lächerlich großen Schnauzbart bereichert die Geschichte ungemein – wie die vielen anderen Figuren in dieser Geschichte auch.


Aufmachung des Buches
Das gebundene Buch ist mit der Szene der Geschichte bedruckt, die alles ins Rollen bringt: Der Zauberer steht auf der Bühne, doch statt eines Straußes Lilien bricht der Elefant durch das Dach der Oper und wird der adeligen Dame (wahrscheinlich jener, die als einzige mit ihrem roten Kleid hervorsticht) die Beine zertrümmern. Sehr schön und unbedingt eine Erwähnung wert, sind zudem die schwarz-weißen, ganzseitigen Illustrationen von Yoko Tanaka, die einzelne Szenen treffend und liebevoll dargestellt wiedergeben. Komplettiert wird diese wunderschöne Aufmachung durch das strahlend gelbe Lesebändchen. Gerade für die angesprochene Zielgruppe hat das Buch zudem eine angenehm große Schriftart.


Fazit
„Der Elefant des Magiers“ besticht durch seinen gefühlvollen, wenn auch eigensinnigen Text. Doch wer sich darauf einlässt, wird mit einer bezaubernden Geschichte belohnt, die es zu lesen lohnt!


4 5 Sterne


Hinweise
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