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Kategorie: Abenteuer

Ein einsamer Seefahrer auf einer Schaluppe … Flüchtlinge in einer Wüstenlandschaft … Eine wissenschaftliche Expedition, die sich für die Sitten der Yamana Indianer interessiert … Drei Ereignisse, die nichts miteinander gemein haben sollten, verbinden sich zu einer opulenten Freske aus fesselnden und teilweise historisch belegten Abenteuern im Patagonien des 19. Jahrhunderts.

Christian Perrissin, der Autor von Serien wie El Nino oder Der Rote Korsar, führt den Leser in eine unbekannte und fremdartige Welt, die von dem Italiener Enea Riboldi in stimmungsvolle Bilder umgesetzt wird.

 

  Autor: Christian Perrissin
Illustration: Enea Riboldi
Verlag: Mosaik Steinchen für Steinchen / Zack Edition
Erschienen: April 2010
ISBN: 978-3-941815-36-0
Seitenzahl: 56 Seiten
Altersgruppe: ab 12 Jahren (Empfehlung des Rezensenten)


Die Grundidee der Handlung
Christian Perrissin schildert drei Geschichten, die in diesem Abenteuercomic am Cap Horn aufeinandertreffen und sich miteinander verweben. Drei flüchtende Goldschürfer werden von einer Miliz gnadenlos über die Inseln Feuerlands gejagt; ein Kapitän unternimmt in seinem Boot eine Weltumseglung, um gegen die zunehmende Verbreitung von Dampfschiffen zu protestieren; in Ushuaia wird bei den Yamanas-Indianern eine Mission errichtet.
Was haben diese Ereignisse miteinander zu tun? Das erfährt der Leser im ersten Band von Cap Horn nur ansatzweise, noch sehr viele Fragen bleiben offen, besonders zu den Hintergründen, z.B. was die drei Männer getan haben, dass sie so hartnäckig verfolgt werden. Aus diesem Grund erscheint besonders der erste Teil des Comics recht verwirrend und zusammenhanglos, erst nach und nach klärt sich, was die drei Handlungsstränge überhaupt verbindet. Währenddessen gilt es für den Leser, am Cap Horn so manchem Abenteuer beizuwohnen, während er auf den Folgeband wartet – der dann hoffentlich manche Rätsel zu lösen vermag.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Bereits auf der ersten Seite präsentiert der Zeichner eine Fülle unterschiedlicher Perspektiven, aus der er die Handlungen visuell umsetzt. Besonders das letzte Bild der ersten Seite, auf der einer der Reiter eine blutige Hand hat, macht den Leser neugierig auf das Folgende.
Der Begriff stimmungsvoll trifft Riboldis Zeichnungen gut, wobei nicht wenige Landschaftsaufnahmen, besonders unter Berücksichtigung einer gewissen Entfernung, zunächst eher umrissene und einfache Züge haben. Demgegenüber steht die geschaffene Atmosphäre, mal durch einen Sonnenuntergang, eine sternhelle Nacht, ein Abendessen am Lagerfeuer oder sintflutartige Regenfälle. Ähnlich wie bei den Landschaften schaut es zu Beginn des Comics bei den Personen aus. Geht Riboldi an die jeweiligen Charaktere heran und portraitiert sie, hat er überzeugend gearbeitet, so z.B. bei Kapitän Jason Low. Aber schon bei einer mittleren Distanz nehmen die Feinheiten stark ab, und sind die Figuren sogar noch ein Stück tiefer im Bild, verzichtet er ganz darauf, den runden, einfarbigen Gesichtern noch eine Zeichnung zu geben. Auffällig ist, wie viele Charaktere nicht oder erst sehr spät namentlich vorgestellt werden.
Für Tiere gilt hier das gleiche wie für die Figuren. Herausgegriffene Tiere sind gut gezeichnet, z.B. geben die Lamas auf Seite 12 oder die Seehunde auf der Folgeseite fein umrissene Bildelemente ab, die sich ins Gesamtgefüge einbringen. Auf eine gewisse Größe innerhalb des Panels gebracht, hat er den Pferden noch gut erkennbare Gesichter verliehen, während die Seevögel im Hintergrund schon nur noch aus farblich ausgefüllten Umrissen bestehen oder nur ganz selten mehr Details haben. Allen Bildern ist eine plastische Wirkung inne, die ihnen eine gewisse Tiefe verleiht, aber dafür fehlt ihnen fast immer die letzte Feinheit, teilweise sind sie auch mal recht grob.

Nachdem Riboldi sich warmgelaufen hat, ändert sich das Bild etwas. Insgesamt bleibt der Eindruck, dass er im Laufe des Comics zu sich und seinem Handwerk gefunden und seine grafische Qualität im hinteren Teil des Comics im Gegensatz zum vorderen deutlich zu steigern verstand – dies gilt sowohl für die Umgebung als auch für die Charaktere. Das Portrait von Millard auf Seite 39 ist schon gut, das von Duca eine Seite weiter handwerklich einwandfrei und das von Johannes Orth auf Seite 42 sogar ausgezeichnet. Sehr schön sind auch die Zeichnungen von Anna Lawrence, auf die der Leser zum Ende dieses Bandes trifft. Besonders auch die Umgebung, hier konzeptbedingt dann eher Räumlichkeiten wie das Innere von Kapitän Lows Boot oder das Arbeitszimmer von Reverend Bridges, hat zugelegt. Während Landschaften noch mehr oder weniger stark ausgeprägt wurden, hat sich der Illustrator viel Mühe mit der Ausstattung der Einrichtungen gemacht und sie in vielen Einzelheiten und zeitgemäß dargestellt. Auch von außen sind Häuser und Baracken detailreich gezeichnet.
Sehr gut hat mir gefallen, dass Riboldi immer auf die Bildhintergründe geachtet hat – sowohl vor als auch bei seiner zeichnerischen Steigerung – und es praktisch keine Bilder gibt, denen der Hintergrund fehlt. Sind die Landstriche zu Beginn auch teils grob angedeutet, so sind die Bildtiefen doch immer vorhanden.

Der Plot ist jederzeit ausreichend mit Bildern unterlegt, stellt sich aber – besonders zum Anfang – schon auffällig sprunghaft dar. In einem Bild ist noch der nächtliche Wachwechsel, im nächsten bereits schon der Morgen. Während in einer Grafik einer der drei Flüchtlinge noch im Regen und Wind reitet, hat er im nächsten ein erlegtes Tier auf dem Sattel liegen, ohne dass man von der Jagd etwas mitbekam. Sehr gut sind dafür die Szenenwechsel gemacht: Der Zeichner nutzt beim Wechsel von Handlungssträngen sowohl zum Ausklang der einen als auch zum Einstieg der nächsten Szene gemeinsame Elemente wie z.B. die stürmische See oder den Schnee, um die Übergänge so fließend vorzunehmen, dass der Leser sie – besonders beim ersten Szenenwechsel des Comicbandes – erst auf den zweiten Blick mitbekommt.

Die Größe der Panels passt sich den Begebenheiten an, von vier breiten Panoramabildern bis hin zu 9 Kästchen finden auf einer Seite Platz. Die Farbpalette ist so umfang- wie abwechslungsreich und insgesamt kräftig. Die See hat tiefe, aber gut abgestufte Blautöne, das Land nicht selten ein sattes, dunkles Grün. Ganz unterschiedlich gibt sich die Schrift: In den Sprechblasen mit fester, einfacher Großschrift, beim Logbuch von Kapitän Low in Groß- und Kleinschrift - wobei die Schriftart verspielter ist -, und Tagebucheinträge des zweiten Offiziers in einer eher schlecht zu entziffernden Schreibschrift.


Aufmachung des Comics
Der Verlag hat den Comic mit einem festen Buchumschlag versehen, der einwandfrei verarbeitet ist und den Band gut schützt, so dass er auch nach dem ersten Lesen noch wie neu erscheint. Das A4 große Format ist ein guter Kompromiss zwischen noch handlich genug und genug Platz für die Zeichnungen im Inneren und fügt sich gut ins Buchregal ein. Das seidenmatte Papier im Innern ist ausreichend dick und griffig, das bedruckte Vorsatzpapier erinnert an Tonpapier, während es – vorne wie hinten identisch – mit dem Schiff von Kapitän Low im Vorder- und der Karte von Cap Horn im Hintergrund schön gestaltet wurde.
Das Cover war es, das bei diesem Comicband sofort meine Aufmerksamkeit auf sich zog, auch wenn die hier dargestellten Figuren die einfachere Machart, auf die man im ersten Teil des Comics trifft, haben. Dennoch deutet der Mix aus einer Szene am Steg und der Hinterlegung mit der Landkarte sofort eine Abenteuergeschichte an und hat mich neugierig gemacht.


Fazit
Christian Perrissins Abenteuerplot im Südamerika des 19. Jahrhunderts ist zunächst verwirrend, bevor die Handlungsstränge beginnen, sich ineinander zu verweben. Im ersten Band von Cap Horn bleiben vorerst viele Fragen offen, auf die vermutlich in den Folgebänden eingegangen wird. Dennoch ist die Story durchaus unterhaltsam. Eine deutliche Steigerung im Laufe des Comics merkt man beim Zeichner, zunächst stellenweise recht einfach, zuletzt wesentlich anspruchsvoller. Man darf auf die Fortsetzung gespannt sein ...


3 5 Sterne


Hinweise

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