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Die zweite Evolution hat für Menschen keinen Platz.

Der Luxusliner „Trident“ befährt den Südpazifik, an Bord ein Filmcrew und Naturwissenschaftler. Man ist dabei, die Reality-Show „Sea Life“ zu filmen. Plötzlich erreicht ein Hilferuf das Schiff. Er kommt von einem nebelverhangenen Felseneiland.

Doch die Insel ist mitnichten harmlos. Flora und Fauna haben sich hier über Jahrtausende hinweg evolutionstechnisch optimiert.Sie wissen sich gegen Eindringlinge zu wehren. Auf schreckliche Weise. Nicht auszudenken, was geschieht, wenn eines der Lebewesen die Insel verlässt.

 

  Autor: Warren Fahy
Verlag: Rowohlt
Erschienen: Mai 2010
ISBN: 978-3-499-25242-6
Seitenzahl: 468 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Die auf dem Buchrücken abgedruckte Zusammenfassung trifft es recht gut, aber nicht perfekt: auf einer extrem abgelegenen und völlig isolierten Insel hat sich Flora und Fauna nicht „über Jahrtausende hinweg evolutionstechnisch optimiert“, sondern weicht – entwickelt seit dem Beginn des mehrzelligen Lebens – mit ihren Lebewesen völlig von dem Rest der Welt ab. Und diese Lebewesen sind gefährlicher als alles, was sonst auf diesem Planeten lebt...

Warren Fahy schafft mit seinem Thriller eine völlig eigene Welt in unserer Welt und Lebewesen, die imstande wären, alle anderen Ökosysteme der Erde für immer zu vernichten, wenn es den Bewohnern gelänge, die Insel zu verlassen. Was Michael Crichtons „Dino Park“ (verfilmt unter dem Titel „Jurassic Park“) in den 90ern war, ist „Biosphere“ heute.


Stil und Sprache
Warren Fahys Schreibstil ist überwiegend locker und so gut wie flüssig zu lesen. Dem Thema entsprechend gibt es nicht selten wissenschaftliche Fachbegriffe und Benennungen. Den fachlichen Diskussionen auf den „Polterabenden“ ist teils nur mit Konzentration zu folgen, wenn es da z.B. heißt: „Ontogenese rekapituliert die Phylogenese“ (S. 104). Das gibt dem Ganzen den passenden, wissenschaftlichen Charakter, aber man fragt sich zuweilen, ob weniger nicht manchmal mehr wäre, wenn man hier eher erahnt als weiß, worüber die Experten gerade wieder spekulieren. Erst im Laufe des Romans ergibt sich, wie wichtig die Inhalte im Laufe des Romans noch werden – und dass sie nicht überflüssig eingebracht wurden. Als der Autor endlich zur Kernaussage dieser Diskussionen kommt, sind diese umso spannender, aussagekräftiger und nachhaltiger. Von den wissenschaftlichen und mit Fachwörtern gespickten Passagen einmal abgesehen, ist die allgemeine Sprachwahl nicht zu anspruchsvoll und wird einen Großteil der Leser nicht überfordern. Sie ist klar, aber keinesfalls – und das gilt auch für die Inhalte – langweilig. Die Beschreibungen der Angriffe sowie die Ereignisse von Experimenten, z.B. als eine mit Kamera ausgestattete Maguste auf die Insel losgelassen wird, sind recht brutal und blutig, aber durchaus realistisch einzuordnen. Dafür versteht es der Autor direkt ab Beginn des Romans, eine gewaltige Spannung aufzubauen und – bis auf den einen oder anderen kleinen Einbruch – auf hohem Niveau bis zum Ende zu halten. In dem Tatendrang der Forscher und der Gier des amerikanischen Militärs unter direktem Befehl des Präsidenten übernimmt sich ein Außenteam in einem für den Mars konzipierten Mobil. Die Ereignisse nehmen so schnell an Dramatik zu, dass der Leser der Atem stockt und der Spannungsbogen zu platzen droht. Dazu kommt hinzu, dass die schnell wechselnden Abschnitte oft mit Cliffhangern (also an besonders spannenden Stellen) enden. Fahy lässt keine Chance zum Luftholen.

Der Autor lässt einen nie im Unklaren darüber, wann die jeweiligen Inhalte spielen. Sie sind nicht nur mit Jahresangaben, sondern in den Unterabschnitten auch nochmal mit dem Tagesdatum und der Uhrzeit überschrieben. Tatsächlich gibt es keine Kapitel im eigentlichen Sinne, vielmehr ist die Story nach Tagen und innerhalb dieser jeweils nach minutengenau angegebenen Zeitangaben gegliedert, in denen sich die einzelnen Handlungen abspielen. Diese Unterabschnitte sind mal nur ein paar Zeilen oder auch etliche Seiten lang, je nach Wichtigkeit und Inhalt. Besonders dann, wenn die Ereignisse wieder dramatische Ausmaße annehmen, wechselt der Autor die Handlungsstränge in kurzen Abschnitten und sorgt für zusätzliches Tempo.

An einer Stelle habe ich aber daran gezweifelt, wie realistisch sie ausfällt: in einer Welt, in der selbst Roboterfahrzeuge von den Inselbewohnern angegriffen und schon nach wenigen Minuten völlig zerstört werden, erscheint der Vormarsch des Humvee-Konvois bei der Rettungsaktion einfach zu leicht – zwar wird einmal auf Angreifer geschossen und dem Leser auch der Trick erläutert (mehr soll hier nicht verraten werden), sich die Angreifer vom Leib zu halten, aber das erscheint – nach allem, was der Leser bislang miterlebte – zu schwach zu sein. Wie realistisch die Entdeckung ist, welche die Wissenschaftlicher auf der Insel machen, sei dahingestellt und kann sicherlich für Diskussionen sorgen, jedenfalls wird sie so fundiert untermauert und umfangreich beschrieben, dass sie sich glaubhaft ins Gesamtgefüge einbindet.

Im Prolog führt der Autor dutzende, aber durchaus nicht uninteressante Beispiele für die Invasion von Spezien – Meeres- wie Landesbewohnern – in ihnen fremden Regionen auf, die dort heimische Arten verdrängt oder gar vernichtet haben und heutige Ökosysteme bedrohen. Diese Invasionen sind zwar oft vom Menschen verursacht, teils auch ohne unser Zutun zustande gekommen. Diese Aufzählung klingt zunächst eher wie ein Sachbuch denn Fiktion, erst mit den letzten beiden Sätzen beginnt der Roman. Ein ähnlicher Stil begegnet dem Leser in den ersten Abschnitten von Kapitel 1: hier führt Warren Fahy nacheinander und gut in den Ablauf der Geschichte passend die Figuren ein. Sie werden mal mehr oder weniger ausführlich beschrieben und ihr Hintergrund erläutert. Was zunächst den Eindruck erweckt, gut in den Text eingefügt zu sein und mit Details nicht zu erschlagen, nervt aber nach einer Weile, als Fahy wirklich zu jedem einzelnen Charakter springt, um ihn kurz und prägnant, aber möglichst früh vorzustellen.
Das Ende beantwortet viele, aber nicht restlos alle Fragen, die aus der Geschichte heraus auftauchen, womit es theoretisch – wenngleich auch unter anderen Aspekten – noch Raum für eine Fortsetzung geben könnte...


Figuren
Warren Fahy beweist bei seinen Figuren ein glückliches Händchen und stattet sie alle mit einem Hintergrund, einer Vergangenheit und eigenen Motiven aus, wobei er hierbei danach dosiert, ob der Charakter eine Haupt- oder nur eine Nebenrolle spielt. Damit wirken sie alle realistisch und dreidimensional, die Gefühle – insbesondere Angst und Panik, aber auch die teils lebensbedrohliche Neugier der Forscher – kommen glaubhaft herüber. Dies gilt auch für die Gegenseite (näher will ich es hier nicht benennen, um dem Roman nichts vorweg zu nehmen), auch sie hat klar begründete Motive und scharf umrissene Vorstellungen, wie sie ihre Vorhaben umsetzen möchten. Da in diesem Roman eine Vielzahl von Personen in verschiedenen Rollen ihren Auftritt haben, würde es jedoch zu sehr ausufern, hier näher auf sie einzugehen.


Aufmachung des Buches
Die mir vorliegende Fassung ist bei Rowohlt als Taschenbuch erschienen. Umfangreich ist die Ausstattung des Buches. Immer wieder verdeutlicht der Autor mit Skizzen seiner Kreationen, z.B. der Henderratte, mit was für Lebewesen es die Forscher auf der Insel zu tun bekommen. Diese Bilder finden sich immer wieder im Laufe des Textes. Im Anschluss an die Geschichte gibt es in einem Anhang zu zwei Lebewesen charakterisierende Datenblätter mit weiteren zeichnerischen Umsetzungen sowie zahlreichen Informationen, danach folgt ein Längsschnitt und eine Karte der Insel, der Roman findet seinen Abschluss in ersten Grobskizzen eines Spigers, die Nell Duckworth zu Beginn der Geschichte angefertigt hat. Als Extra-Bonbon gibt es eine 15seitige Leseprobe zum Roman „Daemon – Die Welt ist nur ein Spiel“ von Daniel Suarez.

Die Gestaltung des Covers ist ansprechend und zeigt, im Metalliclook und in Blau- und Türkistönen gehalten, eine einsame Insel, umrandet vom Meer und einem bewölkten Himmel. Der Titel und der Name des Autors prangen in silberner Großschrift, die angeknabbert wird, darüber.

Der englische Titel „Fragment“ hätte mir besser gefallen als „Biosphere“, wenngleich auch der für die  deutsche Übersetzung gewählte Titel passt – dennoch hätte „Fragment“ besser gepasst, denn die in Fahys Roman beschriebene Insel ist nicht nur ein Fragment unserer Welt, der Erde, sondern deren Lebewesen auch ein Fragment – wenn auch seit jeher isoliert – der Evolution.


Fazit
„Dino Park“ (verfilmt unter dem Titel „Jurassic Park“) war gestern, „Biosphere“ ist heute. Fahy hat einen Thriller mit gewaltiger Spannung und enormer Dynamik geschrieben, der den Leser mitreißt. Den wenigen, kleinen Schwächen steht ein Roman gegenüber, den ich Fans des Genres ans Herz legen möchte. Es lohnt sich, zu diesem Buch zu greifen.


4 Sterne


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