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Der 12-jährige Nachrichten-Nerd Max erhält eine ungewöhnliche Einladung zu einer Reality-Show: Zusammen mit zwanzig Kindern darf er den Sommer auf einer Insel im Oslofjord verbringen, wo eine Kinderregierung Antworten auf die brisanten Fragen unserer Zeit finden muss. Dabei werden sie rund um die Uhr von 1000 Kameras gefilmt. Ein spannendes Experiment, findet Max. Doch schon bald eskaliert die Situation auf der Insel, denn unter den Kindern entwickelt sich ein psychologisches Machtspiel, mit dem Max nicht gerechnet hat. Der preisgekrönte norwegische Jugendroman über Kinder im Selbstversuch.

 

Das_Inselexperiment  Autor: Aleksander Melli
Verlag: rowohlt
Erschienen: 07/2010
ISBN: 978-3499215094
Seitenzahl: 704 Seiten 


Die Grundidee der Handlung
Max Berg ist 12 und sein Hobby sind Nachrichten aus aller Welt. Als ein großer Fernsehsender eine Reality-Show mit Kindern plant, die auf einer Insel im Oslofjord den Sommer verbringen und einen eigenen kleinen Staat bilden sollen, bewirbt er sich zusammen mit seinem Freund Egil für die Show. Tatsächlich werden beide angenommen und reisen zu Beginn der Ferien zusammen mit 18 anderen Kindern nach Fernholmen. Doch noch bevor alles so richtig beginnt, fangen die Probleme an: Unterschiedliche Charaktere und Kulturen treffen aufeinander, es wird gemobbt und gehetzt, was die jugendlichen Gemüter hergeben. Max versucht zu vermitteln, kann sich aber nicht durchsetzen und schon nach wenigen Tagen eskaliert die Situation dermaßen, dass das ganze Projekt gefährdet ist …


Stil und Sprache
Aleksander Melli war mir bisher völlig unbekannt, ist aber in Norwegen ein bekannter Autor im Bereich der Kinder- und Jugendbücher. Zu recht sicherlich, was seinen Sprachstil angeht, denn der ist zum einen bildhaft und geradezu vollgestopft mit wunderbaren Ideen und Wortschöpfungen („Er hatte eben Stubenfarbe, wie Kinder in einem Winterland sie eben haben […] aber er kam doch an die Luft und bewegte sich so weit, dass er weder computergrün war noch dönergrau, wie manche andere Kinder das werden.“ S. 13), zum anderen versteht Melli es, seine Leser direkt anzusprechen und so mit in die Geschichte einzubinden. Ist man davon zunächst noch ein bisschen irritiert, so verliert sich das bald und man wird Teil von Max’ Leben und begleitet ihn auf seinem Weg zur Insel und wieder zurück. Aleksander Melli nutzt außerdem die Möglichkeit, Texte teilweise kursiv abzusetzen oder Dialoge in Kurzform drehbuchartig darzustellen. Das macht das Lesen interessant und abwechslungsreich, ebenso wie die immer wieder vorkommenden Einschübe, in denen der Leser direkt angesprochen wird. An dieser Stelle auch ein großes Lob für die Übersetzerin des Romans, Aleksander Mellis Stil ist mit Sicherheit eine große Herausforderung!

Leider ist die Bildhaftigkeit und Detailversessenheit des Autors gleichzeitig ein Minuspunkt in diesem Buch, übertreibt er es stellenweise doch gewaltig. Natürlich will er seinen jugendlichen Lesern etwas politisches Denken vermitteln, will ihre Sinne für die Geschehnisse in ihrem Land und der ganzen Welt schärfen, ich bezweifle jedoch, dass er mit dieser Form der Wissensvermittlung seine Leser letztendlich erreichen wird. Viel zu ausführlich und genau nimmt er es, ganze Kapitel verlieren sich in endlosen politischen Diskussionen über den Treibhauseffekt, Nachhaltigkeit bei der Nahrungsmittelproduktion, das Weltklima, Entwicklungshilfe und und und. In diesen Dimensionen dürfte das für die Altersgruppe der 12- bis 13-Jährigen, für die dieses Buch gedacht ist, einfach zu wenig „Action“ sein. Nichtsdestotrotz hat Aleksander Melli wirklich gute Ideen, mit ein bisschen Straffung wären diese aber erheblich besser zur Geltung gekommen.

Ein weiterer Punkt, der mich gestört hat, war das doch sehr merkwürdige Ende der Geschichte, eine Auflösung, die mir reichlich abgedreht erschien und die nicht wirklich befriedigend war. So legt man dann ein Buch, das eigentlich mit einer guten Idee begonnen hat, am Ende etwas enttäuscht zur Seite.


Figuren
Max Berg ist 12 Jahre alt und ein „Nerd“, wie seine Schwester ihn immer nennt. Besessen von Nachrichten, ist er immer informiert über das Weltgeschehen und grenzt sich dadurch von seinen Altersgenossen ab. Hochintelligent, aber zutiefst unsicher, was den Umgang mit anderen Menschen angeht, hat er nur einen einzigen richtigen Freund, Egil. Er macht sich Gedanken über alles und jeden, ist immer auf Ausgleich und Harmonie bedacht und nicht in der Lage, sich ernsthaft zur Wehr zu setzen. Das macht ihn sofort zur Zielscheibe und im Laufe der Geschichte muss er einiges aushalten. Wirkt er bis hierhin noch glaubwürdig und lebensnah, so kommt es irgendwann dazu, dass man ihm genau diese Duldsamkeit nicht mehr abnimmt und sich fragt, warum ein derart intelligenter Junge so mit sich umgehen lässt.

Die anderen Kinder auf der Insel sind ein buntes Häufchen gemischter Altersklassen und Hintergründe. Alle sind intelligent auf die eine oder andere Weise, einige sind eher wegen ihrer Bildschirmtauglichkeit auf der Insel als wegen ausgefallener politischer Ansichten. Auch sie wirken wie aus einer echten Schulklasse herausgegriffen und in diese Geschichte versetzt, spiegeln sie doch ein buntes Kaleidoskop unterschiedlicher Charaktere wider, die es so in jeder Gemeinschaft geben kann. Vom Klassenclown bis zur Heulsuse ist hier alles vertreten, was man braucht, um die Situation auf Fernholmen eskalieren zu lassen. Und das geschieht ja dann auch, genau wie im richtigen Leben …Aleksander Melli hat sich sichtbar Mühe mit seinen Figuren gegeben, nur der ursprüngliche Erfinder der Fernsehshow, ein Mann namens Bob Hoop, scheint mir doch etwas sehr abgedreht und bizarr zu sein, um in unserer Welt bestehen zu können.


Aufmachung des Buches
Das fest gebundene Buch ohne Schutzumschlag zeigt auf dem Cover ein geteiltes Motiv: In der oberen Hälfte sieht man die Silhouette eines Jungen mit einer Taschenlampe vor einer untergehenden Sonne, unten ist eine Insel abgebildet. Die rund 700 Seiten sind auf sehr dünnem Papier gedruckt, so dass das Buch trotz seines Umfangs recht gut in der Hand liegt. Die teilweise ziemlich langen Kapitel sind in sich noch in kleinere Abschnitte geteilt, die das Lesen erleichtern.


Fazit
Ein Jugendbuch mit großer Botschaft an seine Leser, leider für meinen Geschmack mit zu wenig echter Handlung. Dafür hat Aleksander Melli eine wunderbare Art zu schreiben, die für sich allein schon das Lesen lohnt. Daher trotzdem noch eine überdurchschnittliche Wertung von mir.


3 5 Sterne


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