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„Herzlichen Glückwunsch zu deinem Geburtstag, Merete. Du bist jetzt hier seit 126 Tagen, und das ist unser Geburtstagsgeschenk: Das Licht wird von nun an ein Jahr eingeschaltet bleiben. Es sei denn, du weißt die Antwort: Warum halten wir dich fest?“

Der Albtraum einer Frau. Ein dämonischer Psychothriller. Der erste Fall für Carl Mørck.

 

 

Autor: Jussi Adler-Olsen
Verlag: dtv
Erschienen: 10/2009
ISBN: 978-3423247511
Seitenzahl: 420 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Carl Mørck hat bei einem Polizeieinsatz zwei seiner Kollegen verloren und kämpft immer noch mit seinen Dämonen. Seine Vorgesetzten wollen ihn loswerden und verfrachten ihn mit ein paar ungelösten Fällen und einer Hilfskraft in den Keller. Dort bildet er das sogenannte Dezernat „Q“ und schwankt zunächst zwischen Selbstmitleid und Bösartigkeit. Dank seines eigentlich als Putzmann angestellten Helfers Assad findet er dann doch Interesse an einem alten Fall, nämlich dem von Merete Lynggaard, die vor fünf Jahren spurlos verschwand. In mühseliger Kleinarbeit versuchen die beiden ungleichen Partner, den Fall doch noch zu lösen.
Parallel dazu wird die Geschichte von Merete erzählt, die sich in einem Verlies wiederfindet, nur mit ihrer Kleidung und in vollkommener Dunkelheit. Über Jahre hinweg wird sie von Personen gefangen gehalten, ohne den Grund dafür zu kennen oder ein Ende abzusehen.


Stil und Sprache
„Erbarmen“ lebt von seinen zwei großen Handlungssträngen, die in starkem Kontrast zueinander stehen. Da ist einmal Carl Mørck, der ausgebrannte Polizeibeamte, der sich im Jahr 2007 mit uralten, ungelösten Fällen der Kopenhagener Polizei herumschlagen muss. Zunächst ausgesprochen widerwillig macht er sich auf die Suche nach Merete Lynggaard, gewinnt dann aber nach und nach Interesse an diesem merkwürdigen Fall. Auf der anderen Seite steht das Geschehen um Merete selbst, das unvorstellbare Grauen, das sie seit 2002 erleben muss. Jussi Adler-Olsen schafft es, dieses Grauen mit wenigen Worten auf seine Leser zu übertragen, ohne schwülstig oder übertrieben detailliert zu werden. Vielmehr kann und muss sich jeder selbst ausmalen, was es heißt, jahrelang ohne erkennbaren Grund eingesperrt zu werden. Da läuft es einem immer wieder eiskalt den Rücken herunter und man wünscht Carl Mørck, dass er möglichst schnell diesen Fall aufklären mag.
Immer schneller rasen die beiden Handlungsstränge aufeinander zu und münden in ein wahrhaft furioses Finale, in dem man bis zum Schluss nicht genau weiß, worauf genau es hinausläuft. Überhaupt wird auch der Leser sehr lange im Unklaren gelassen, wer oder was nun hinter Meretes Entführung steckt. Das macht diesen Thriller zu einer Ausnahme seines Genres und sorgt für Spannung bis zur letzten Seite. Dass dabei mit der „natürlichen Spannung“ zwischen Carl und Assad auch ein Anflug von feinem Humor in diese grausame Geschichte hineinkommt, rundet das Lesevergnügen endgültig ab.


Figuren
Carl Mørck ist ausgebrannt, lebt nach der Trennung von seiner Frau in einer etwas schrägen WG und kämpft mit Schuldgefühlen, Albträumen und Panikattacken. Seine Versetzung in den Keller als alleiniges Mitglied des Dezernats „Q“ lässt ihn eher kalt, hat er doch so die Möglichkeit, außerhalb irgendwelcher Kontrollen durch Vorgesetzte den Tag halbwegs angenehm verbringen zu können. Da niemand ernsthaft von ihm erwartet, dass er die ihm übertragenen Fälle wirklich löst, stellt er sich auf Kreuzworträtsel und Kaffeetrinken ein. Doch er hat nicht mit seinem Assistenten Assad gerechnet. Der ist Asylbewerber aus Syrien und soll eigentlich nur putzen und aufräumen. Stattdessen vertieft er sich in Carls Akten und beschließt, dass sie beide sich um Merete Lynggaards Fall kümmern sollen. Assad ist viel gewitzter als es zunächst den Eindruck macht, hat einige merkwürdige Bekannte und bleibt bis zum Schluss ein bisschen undurchsichtig. Dieser Kontrast der beiden ungleichen Partner macht „Erbarmen“ zu etwas Besonderem, gelingt es doch Jussi Adler-Olsen, sein Duo infernale einerseits authentisch und glaubwürdig darzustellen, andererseits aber so viel offen zu lassen, dass noch Raum für weitere Entwicklungen bleibt.

Merete Lynggaard steht zwar im Mittelpunkt des Geschehens, dennoch hat sie nicht viel Handlungsspielraum. Trotzdem gewinnt man ein ganz gutes Bild von ihr, wenn sie in Rückblenden darüber nachdenkt, wie ihr Leben verlaufen ist und was sie in ihr Gefängnis gebracht haben könnte. Sie ist ein Karrieretyp, hat es in der Politik zu etwas gebracht, trotzdem führt sie ein Doppelleben. In ihrem Verlies ist sie zunächst völlig paralysiert, dann ersinnt sie Fluchtpläne und zwischendurch gelingt es ihr tatsächlich, ihre Bewacher zu überlisten. Auch sie ist glaubwürdig und lebensnah dargestellt, den langsamen Zerfall ihrer Persönlichkeit mit anzusehen, lässt den Leser schaudernd zurückweichen. Gerade ihre Entwicklung gegen Ende des Buches ist dabei entscheidend und macht sie noch „echter“.

Nebenfiguren gibt es nicht wirklich viele und sie bleiben auch Nebenfiguren. Jussi Adler-Olsen konzentriert sich ganz auf seine Hauptakteure und das ist auch gut so.


Aufmachung des Buches
Das großformatige Taschenbuch ist in Klappenbroschur aufgemacht und vermittelt so einen hochwertigen und stabilen Eindruck. Das Cover zeigt eine zerkratzte Wand mit Blut- und Rostspuren sowie eine diagonal verlaufende Kette, deren mittleres Glied zerbrochen ist. Die recht unterschiedlich langen Kapitel sind nummeriert sowie jeweils mit dem Jahr der aktuellen Handlung versehen.


Fazit
"Erbarmen“ ist ein überaus gelungener Serienauftakt, spannend von Anfang bis Ende und mit sehr speziellen, aber gelungenen Figuren ausgestattet. Von Carl Mørck und Assad wird man wieder hören, ich persönlich freue mich schon drauf! Allzu zart besaitet sollte man allerdings für diese Geschichte nicht sein.


4 5 Sterne


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