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Kategorie: Fantasy, Mystery, Vampire

Die Mädchen Zanna und Deeba gelangen durch Magie nach UnLondon: in eine Wunderstadt, wo alle verlorenen und kaputten Dinge Londons enden. Hier laufen alte Regenschirme wie bedrohliche Spinnen umher, streifen gefährliche Giraffen durch die Straßen und wuchern dichte Dschungel gleich hinter den Eingangstüren von ganz normalen Häusern. UnLondon lebt in Angst. Ein finsteres Wesen bedroht die Stadt. Die Bewohner verlangen von Zeeba, die Stadt zu retten, schließlich sei sie die Auserwählte! Plötzlich lastet alle Verantwortung auf Deeba, und der dunkle Feind rückt immer näher...

 

  Autor: China Miéville
Verlag: Bastei Lübbe
Erschienen: 02/2008
ISBN: 978-3-404-20588-2
Seitenzahl: 450 Seiten 


Die Grundidee der Handlung
Zanna und Deeba sind zwei ganz normale Schulmädchen aus London – wären da nicht die zahlreichen seltsamen Zwischenfälle, die Zanna auf Schritt und Tritt verfolgen. Mal wird sie von einem Fuchs beobachtet, dann erscheinen Wolken, die ihr Ebenbild zeigen, und schließlich tauchen auch noch seltsame Leute wie aus dem nichts auf, die verkünden, wie hocherfreut sie darüber seien, die „Schwasie“ zu treffen. Weder Zanna noch ihre Freundin Deeba, die stets an ihrer Seite weilt, können sich einen Reim darauf machen. Schon bald überschlagen sich die merkwürdigen Ereignisse und Zanna folgt, von Neugier getrieben, einem kaputten, aber scheinbar lebendigen Regenschirm durch den Eingang in eine fremde Welt – UnLondon. Gemeinsam erkundet sie mit Deeba diese neue Stadt, in der alle alten und vergessenen Dinge Londons auftauchen. Nachdem die beiden Mädchen die Bekanntschaft mit angriffslustigen Müllhaufen, einem Semigeist und einigen exzentrischen Bewohnern der Vis-a-vis-Stadt gemacht haben, erfährt Zanna endlich, warum sie dort gelandet ist. Sie ist die “Schwasie“, die Auserwählte, die den mächtigen Feind UnLondons besiegen soll: den Smog. Doch alles, was die beiden Mädchen wollen, ist nach Hause zurückzukehren. Letztendlich stellt sich Zanna der Bedrohung – aber nicht immer verlaufen die Dinge so, wie sie vorgesehen waren.

Der letzte Teilsatz gilt für das gesamte Buch – was sich anfangs liest, wie ein Jugendbuch nach „Schema F“, in dem eine Auserwählte die Welt rettet, entwickelt sich schon bald zu einer spannenden Persiflage auf solche Bücher. Miéville spielt mit Klischees und verleiht seinem Buch immer wieder eine politische, gesellschaftskritische Note – die leider ein bisschen zu tumb wirkt, da der Autor sie wohl kindgerecht und verständlich machen wollte.


Stil und Sprache
Miévilles sonst so anspruchsvolle Sprache steht nun ein bisschen zurück, damit sie auch für Kinder und Jugendliche lesbar ist. Das Spiel mit Wörtern und Phonetik beherrscht der Autor aber immer noch perfekt. Nicht alles ist übersetzbar, englische Wortspiele wie „Unbrella“ (Regenschirm heißt auf Englisch „umbrella“) werden zum schnöden „UnSchirm“, aber dennoch macht die Übersetzerin Eva Bauche-Eppers das beste aus der Vorlage und findet manchmal sogar sehr geschickte Lösungen, um ihre eigenen Wortspiele einfließen zu lassen.
Stilistisch erinnert „Un Lon Dun“ an Kinderbuchklassiker wie „Alice im Wunderland“ und ist damit sicher auch für ältere Leser ein wahres Vergnügen, die nostalgisch in Sprache und Erzählung schwelgen können.
Eindrucksvoll ist auch, wie atmosphärisch der Autor schreibt, und wie ambivalent die Atmosphäre ist, die er aufbaut: Einerseits ist UnLondon eine kunterbunte Stadt voller Verrücktheiten, über die man nur Schmunzeln kann, andererseits aber auch ein trister Ort, an dem alles Unbrauchbare und Vergessene landet, Dinge – und sogar Menschen – die niemand mehr haben will. Zudem lauern auch noch viele Gefahren dort, die Spannung in die Geschichte bringen. Unterstützt wird das „Kopfkino“, das der Autor seinen Lesern bietet, von herrlichen Illustrationen, die ebenfalls an traditionelle Kinderbücher erinnern.


Figuren
Zanna und Deeba sind spannende und interessante Charaktere, die durchaus ihre Stärken und Schwächen haben, dank derer sie plastisch wirken und einiges an Identifikationspotential für junge Leserinnen bieten. Der wahre Protagonist der Geschichte ist aber eigentlich UnLondon, eine Stadt, die so lebendig scheint, dass sie selbst eher Figur denn Kulisse ist. Aber was wäre UnLondon ohne seine skurillen Einwohner? Da wäre der UnSchirmissimo, der Herr über alle UnSchirme; Krissel, der anhängliche Milchkarton; ein sprechendes – stets nörgelndes – Buch mit Prophezeiungen; Mr. Speaker, der aus Wörtern Lebewesen schafft, sogenannte „Schwaflinge“; Ninjamülltonnen und etliche andere seltsame Gestalten. Miévilles Kreativität scheint schier grenzenlos zu sein, all diese Absonderlichkeiten UnLondons stellen Zanna und Deeba regelrecht in den Schatten, die dadurch manchmal ein bisschen langweilig wirken.


Aufmachung des Buches
Das Coverbild des Taschenbuches stimmt schon sehr gut auf den Inhalt ein. Es ist nicht zu bunt, aber voller liebevoller Details, beispielsweise die fliegenden englischen Busse mit den seltsamen Füßen. Erst nach dem Lesen wird man jedoch bemerken, wie viel von der Geschichte wirklich auf dem Cover verarbeitete wurde. Beim ersten Durchblättern des Buches bemerkt man dann auch schnell, wie herrlich es illustriert ist – die schwarzweiß gehaltenen Zeichnungen sind zwar abstrakt, aber trotzdem sehr raffiniert und sie unterstützen die Visualisierung der manchmal allzu merkwürdigen Gestalten des Buches.


Fazit
„Un Lon Dun“ ist ein schönes Kinderbuch, in dem auch Erwachsene voller Nostalgie schwelgen können. Sprachlich ist es sehr gut gelungen, wenngleich das Original durch mehr Wortspiele punkten kann. Ein bisschen Plump kommen die Anspielungen auf politische Ereignisse daher, auch Kinder sind nicht dumm und wollen ab und an gefordert werden. Der Ideenreichtum Miévilles macht dieses Manko aber fast wieder wett und für Fans von London ist dieses Buch ohnehin ein Muss.


3 5 Sterne


Hinweise
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