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Rio ist wie Gisele Bündchen mit Mundgeruch, Paris macht auch mit verbundenen Augen Spaß, und am Yukon trinkt man Menschenschnaps – diese und viele andere höchst interessante Erkenntnisse gewann Wigald Boning auf seinen vielen Reisen nach nah und fern. Er fotografierte Telefonzellen in Tiflis, tanzte im Samba Express an die ­«karibische Ostsee» und wurde von thailändischen Fans in Bangkok ehrfürchtig bestaunt – und er kommentiert diese skurrilen und bewegenden Begegnungen auf gewohnt trockene Art. Eine unterhaltsame Reise auf (fast) alle Kontinente und ein respektvoll-augenzwinkernder Blick auf die kulturellen Unterschiede zwischen uns und dem Rest der Welt.

 

  Autor: Wigald Boning
Verlag: rororo
Erschienen: 1. März 2010
ISBN: 978-3-499-62580-0
Seitenzahl: 256 Seiten


Stil und Sprache
Boning berichtet in 12 Kapiteln von seinen Reisen durch die Welt - manchmal, indem er so tut als sei er ein Kabarettist, der, auf der Bühne stehend, frisch von der Leber weg erzählt. Einen anderen Teil tarnt er als Briefe an Daheimgebliebene. Weder spart er mit  Wortneuschöpfungen, noch mit "dezenten" Hinweisen auf seine vielen Auszeichnungen. Abgemildert wird diese Selbstbeweihräucherung aber durch eine gehörige Portion Selbstironie. Vieles ist schamlos übertrieben oder reine Erfindung (?), so dass seine Frau am Schluss des Buches gar eine "Gegendarstellung" verlangt. Um einen Witz ist er natürlich auch nie verlegen, und man fragt sich, ob der Mann das Leben überhaupt ernst nimmt. Tut er, wie sich im Kapitel "Mauern für Afghanistan" zeigt, das aber in mehr als einer Hinsicht aus dem Rahmen fällt, u.a. auch sprachlich. Boning hat viele Talente, das Schreiben gehört dazu.


Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe
In "In Rio steht ein Hofbräuhaus" erzählt der Autor von seinen Reisen in ferne und nicht so ferne Länder, von manch Skurrilem, von kleineren und größeren Peinlichkeiten, aber auch Anrührendem. Dabei bemüht er sich, möglichst alles in einen Witz zu verpacken, was ihm aber unterschiedlich gut gelingt. Die beiden ersten Kapitel fand ich banal und fürchtete schon Schlimmes für die restlichen Zehn. Danach wurstelt er sich so durch, mal lustig, mal informativ, aber zum Teil so voller Klischees oder gar abwertend, dass man sich fast wünscht, er hätte über diese Reise (z.B. die nach Gambia) geschwiegen. Als wirklich nervtötend empfand ich die viele Schleichwerbung - wir sind doch hier nicht beim Fernsehen.

Aus den unterschiedlich guten Berichten sticht ein Kapitel hervor - "Mauern für Afghanistan" hat mich sehr beeindruckt, so sehr, dass ich hier näher darauf eingehen möchte. Boning und Frau Eligmann spendeten ihren Gewinn in einer Quizshow der Hilfsorganisation „Lachen helfen“ (eine private Initiative von Bundeswehrsoldaten). Zwei Jahre später reist er dann gemeinsam mit einer kleinen Reisegruppe nach Afghanistan, um zwei Schulen einzuweihen, die von der Spende erbaut wurden. Da ein anderer Transfer nicht möglich ist, begleiten sie Soldaten der Bundeswehr, die nun für einige Monate in Afghanistan stationiert sein werden. Anfangs leistet er sich, immer um einen Witz bemüht, noch so manchen Fauxpas, über den man höflich lacht  - "Herr Oberst Schieß-mich-tot" (Seite 205) ist nicht komisch, wenn man in einen Krieg fliegt, der offiziell keiner ist, in dem man aber gleichwohl sterben kann. Schnell begreift er die Lage und berichtet einfühlsam und tiefgründig von einer Reise in ein Land, das uns so fremd ist wie das europäische Mittelalter. Manche Begegnung mit dessen Bewohnern verwirren ihn nachhaltig, so als ein Dorfältester ihn als entfernten Verwandten, weil Arier, willkommen heißt, ohne sich über die besondere Bedeutung des Wortes im Klaren zu sein. Er spricht auch mit den SoldatInnen der ISAF, lernt deren Alltag kennen. Im Gegenzug erzählen sie ihm von ihren Erfahrungen und erklärt, weshalb gut gemeinte Hilfsprojekte oft an Kleinigkeiten scheitern können und dass, wer hier helfen möchte, einen langen Atem braucht. Abschließend solidarisiert sich der ehemalige Zivildienstleistende mit den SoldatInnen und Polizisten, die in Afghanistan einen schweren und zuweilen gefährlichen Job machen, und die sich von der Politik zu oft im Stich gelassen fühlen. In Afghanistan lernt man einen anderen Wigald Boning kennen - hinter dem Klassenkaspergehabe versteckt sich eine sensible Seele. Diese Reisereportage wäre ein würdiger Abschluss seines Buches gewesen. Leider meint er, ein seichtes und ein noch seichteres Kapitel hinterherschieben zu müssen. Quasi zur Aufheiterung der LeserInnen. Abgang verpatzt! So bleibt ein etwas schaler Eindruck zurück.

Bleibt noch die Frage der Zielgruppe zu klären. Um ehrlich zu sein - ich weiß es nicht. Das Buch ist ein solcher Mischmasch von allem: Sport, Fernsehen, kuriose Reiseveranstaltung, Privates und politische Reportage, sodass es eigentlich alle und niemanden anspricht. Einen roten Faden sucht man vergeblich. Wer aber eine leichte Urlaubslektüre sucht und nicht allzuviel Tiefgang erwartet, ist mit dem Buch gut beraten.


Aufmachung des Buches
Das Cover des Taschenbuchs ist ansprechend gestaltet: Vor einer Auswahl Telefonzellen - die im Buch eine kleine Komparsenrolle innehaben -, grinst uns Herr Boning gute Laune verbreitend entgegen. Mit seiner Kamera um den Hals, dem blau-weiß gesteiften Hemd und der gruseligen Krawatte, ist er von einem Touristen kaum zu unterscheiden, macht aber gleichzeitig seinem Image alle Ehre. Einige Fotografien im Inneren vermitteln einen guten Eindruck der bereisten Länder.


Fazit
"In Rio steht ein Hofbräuhaus" ist eine leichte Lektüre für zwischendurch und als solche durchaus zu empfehlen. Aufgrund der Schleichwerbung war ich geneigt, nur 3 Sterne zu vergeben, "Mauern für Afghanistan" und Bonings Sprachwitz führten dann aber wieder zur Aufwertung. Also - viel Vergnügen allerseits!


4 Sterne


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