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Das Leben ist voller Überraschungen. Besonders, wenn man mit einem Menschen aus einer fremden Kultur zusammen ist. Mit zweiundzwanzig lebte Amélie in Tokio. Dort arbeitete sie in einem japanischen Konzern. Und sie verlobte sich. Hier die verrückte Geschichte ihrer ersten Liebe.

 

 

Originaltitel: Ni d'Eve ni d'Adam
Autor: Amélie Nothomb
Übersetzer: Brigitte Große
Verlag: Diogenes, Zürich
Erschienen: Februar 2010
ISBN: 978-3-257-06746-0
Seitenzahl: 162 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Wie viele Romane Amélie Nothombs, ist auch „Der japanische Verlobte“ stark autobiographisch gefärbt und handelt von ihrem zweijährigen Aufenthalt in Japan Anfang 1989 bis Ende 1990 – eine Rückkehr ins geliebte Land ihrer Kindheit, wo sie als Diplomatentochter die ersten Lebensjahre verbrachte, und mit dem sie noch lebhafte Erinnerungen verbindet. Nothomb-Kenner wissen vielleicht, dass ihr früher erschienenes Werk „Mit Staunen und Zittern“ denselben Japanaufenthalt thematisiert, doch da die Geschichte dieses Buches zeitlich hauptsächlich vor ihrem Dienstantritt beim Yamamoto-Konzern angesiedelt ist, überschneiden sich die Handlungen der beiden Romane erst zum Schluss, so dass „Der japanische Verlobte“ eigenständig gelesen werden kann, ohne „Mit Staunen und Zittern“ kennen zu müssen.

Um die längst vergessenen Sprachkenntnisse möglichst schnell für ihr Japanisch-Studium aufzupolieren, annonciert Amélie in einem Supermarkt Einzelunterricht in Französisch. Daraufhin meldet sich der einundzwanzigjährige Student Rinri bei ihr. Er ist schweigsam und kultiviert, obgleich bei Amélie wilde Spekulationen über ihn aufkommen, da sich Rinri unablässig mit einem weißen Mercedes durch die Gegend kutschieren lässt. Ist ihr neuer Schüler etwa ein Mitglied der Yakuza (jap. Mafia)?
Beide sind etwa gleichaltrig, beide Studenten, bei all den Gemeinsamkeiten kommt man sich  schnell näher. Schon bald macht Rinri keinen Hehl aus seinen Gefühlen für Amélie. Aber was ist mit ihr, empfindet sie das gleiche? Amélie ist sich nicht sicher, doch der junge Japaner bringt sie zum Lachen, sie erleben eine unbeschwerte Zeit miteinander und das ist doch viel wert – bis sie dann eines Abends quasi aus Versehen auf die ihr hundertfach gestellte Frage mit einem „Ja“ statt wie üblich „Nein“ antwortet…


Stil und Sprache
Nothombs Sprache ist wie immer prägnant, klar, erfrischend und mit kurzen Sätzen leicht, aber niemals seicht zu lesen. Erzählt wird – wie es sich für eine Autobiographie gehört – in der Ich-Form. Dabei versteht es die Autorin auf vortrefflichste Weise uns die Unterschiede der beiden Kulturen, wie sie gegensätzlicher nicht sein könnten, vor Augen zu führen, angefangen beim Kochen und Essen, über die Einladung von Freunden, dem Besuch in Rinris Elternhaus oder einem Wander-Kurztrip zum Fuji. Aus den Alltagsszenen heraus entstehen Peinlichkeiten und Irritationen, die für Amélie weit weniger amüsant als für den Leser sind. Aber wer von Amélie Nothomb bereits etwas gelesen hat, wird auch wissen, dass sie gerne den Hang zum Übertreiben hat, des Öfteren auch mal ins Absurde abgleitet und die Grenzen zwischen real Erlebtem und dichterischer Freiheit für den Leser nur schwer erkennbar machen. Am besten man grübelt während dem Lesen nicht allzu sehr über dieser Frage und erfreut sich einfach an Nothombs herzerfrischender Erzähl- und Fabulierkunst, die allerbeste Unterhaltung verspricht, so dass die 160 Seiten in kurzen Kapiteln nahezu in einem Rutsch verschlungen sind. Und ganz nebenbei bringt uns die Autorin das fernöstliche Japan ein gutes Stück näher – ein Land, das sicherlich den meisten unter uns bis heute noch viele Rätsel aufgibt.

Als Nothomb-Fan kann ich mit Recht behaupten, dass „Der japanische Verlobte“ dem üblichen Strickmuster der Belgierin entspricht. Ihre Anhänger werden von dem neuen Werk nicht enttäuscht sein, man darf nur keine Liebesgeschichte im eigentlichen Sinne erwarten. Das Buch ist witzig, spritzig, temporeich, auf der Gefühlsebene bleibt Amélie Nothomb aber für meinen Geschmack viel distanzierter und oberflächlicher als man es sich für die „Geschichte ihrer ersten Liebe“ erhoffen dürfte.


Figuren
Auf so wenig Raum kann natürlich nicht genügend Platz für einen ausgedehnten Personenkreis sein. Amélie und Rinri stehen deshalb ganz klar im Mittelpunkt des Geschehens. Im Laufe der Handlung wird auch noch ein kurzer Blick auf Geschwister, Eltern und Großeltern und ein paar wenige Freunde des Paares geworfen. Wer schon andere Romane der Autorin kennt, wird über Amélie deutlich mehr Hintergrundwissen besitzen als Erstleser. Aber keine Sorge, auch Neulingen werden hier ausreichend Informationen vermittelt, um sich mit der Hauptfigur identifizieren zu können. Der Schreibstil ist so lebhaft und anschaulich, dass man das Gefühl vermittelt bekommt, sie schon lange und gut zu kennen. Auch Rinri ist einem sofort sympathisch. Er hat ein zurückhaltendes, ruhiges, ausgeglichenes Wesen und bildet den perfekten Gegenpart zur quirligen, vor Energie strotzenden Amélie. So wie die Autorin ihn schildert, verkörpert er in vielen Dingen den nach meiner Vorstellung typischen Japaner. Ohne viel von der Handlung vorweg nehmen zu wollen, tat er mir im Hinblick wie Amélie mit ihm gegen Ende der Geschichte umspringt sehr leid.


Aufmachung des Buches
Das Buch liegt mir in leinengebundener Form vor. Das Cover auf dem Schutzumschlag ist verlagstypisch mit weißem Hintergrund gestaltet. Die Autorin selbst ziert das Titelbild mit einem Samurai-Schwert in Händen. Es ist eine Anspielung auf die schlüsselhafte Erkenntnis der Autorin im letzten Kapitel, wo sie sich und Rinri mit zwei Samurai vergleicht. Auf der Rückseite finden sich ein weiteres Autorenfoto, eine Kurzbiographie, die Inhaltsangabe und der Auszug einer Zeitungskritik.

Ganz in Diogenes-Manier wird im Anschluss an die Geschichte das deutschsprachige Gesamtwerk der Autorin vorgestellt, weiterhin das der japanischen Autorin Banana Yoshimoto.


Fazit
Die belgische Bestsellerautorin offenbart in ihrem neuen autobiographischen Roman nach „Mit Staunen und Zittern“ erneut auf amüsante Weise die tiefgreifenden Unterschiede zwischen der europäischen und japanischen Kultur, bei dem kurzweiliges Lesevergnügen garantiert ist. Eine einfühlsam geschriebene Liebesgeschichte, wie man gemäß dem Klappentext vielleicht vermuten könnte, darf man allerdings nicht erwarten. 


4 Sterne


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