„Dunkelziffer“ führt direkt ins Herz der Finsternis: In den dunklen Wäldern des nordschwedischen Ǻngermanlands verschwindet die 14-jährige Emily spurlos. Zwischen ihr und der blutigen Enthauptung eines Mannes scheint es eine grausige Verbindung zu geben.
Autor: Arne Dahl Verlag: Piper Erschienen: 02/2010 ISBN: 978-3492053501 Seitenzahl: 415 Seiten |
Die Grundidee der Handlung
Auf einer Klassenfahrt verschwindet die Schülerin Emily mitten am Tag spurlos. Eine schnell eingeleitete Suche durch Lehrer und Mitschüler ergibt nichts. Als die örtliche Polizei feststellt, dass wohl einige Autos mit baltischen Kennzeichen in der Nähe gesehen wurden, wird das A-Team eingeschaltet, weil es sich um einen Fall von internationaler Bedeutung handeln könnte. Schnell stellt sich außerdem heraus, dass einige aktenkundige Pädophile in der Gegend leben, außerdem zeigt sich Emilys Mutter eigenartig unberührt vom Verschwinden ihrer Tochter. Als dann mitten in Stockholm ein geköpfter Mann, der ebenfalls der Szene zugerechnet werden kann, quasi zur Schau gestellt wird, erkennt das Team um Kerstin Holm, dass es hier um viel mehr geht als um ein verschwundenes Mädchen.
Stil und Sprache
Arne Dahl ist für mich der Poet unter den skandinavischen Krimiautoren, gelingt es ihm doch immer wieder, eine komplizierte, abgründige und auch brutale Geschichte in Worten auszudrücken, die den Leser berühren und mitnehmen in seine schwedische Zauberwelt („Sara Svenhagen ließ den hexengebräuähnlichen Himmel weiter brodeln und schob sich widerwillig vom Balkon ins Innere des alten Gebäudes […]“, S. 27). Sofort fühlt man sich heimisch im A-Team, kommt in der Einsatzzentrale an und ist bereit, gemeinsam mit den Ermittlern auf Spurensuche zu gehen. Wenn dann etwa Lena Lindberg als Stadtmensch im düsteren Wald herumirrt und wahre Panikattacken erleidet, dann ist der Leser so hautnah dabei, dass er mit ihr mitzittern muss. Der Sog, der von den Büchern von Arne Dahl ausgeht, ist kaum in Worte zu fassen, aber er ist einfach da. Seine so irgendwie „skandinavische“ Wortwahl, der ganz spezielle Satzbau und seine bildgewaltigen Beschreibungen zwingen seine Leser, jedes Wort bewusst zu lesen. Sie bringen sie aber auch dazu, innezuhalten und sich bewusst zu machen, von welcher brutalen Gewalt, von welchen unfassbaren Grausamkeiten hier in teils so poetischen Schilderungen erzählt wird. Dieser Kontrast ist schon etwas Besonderes und zumindest für mich ziemlich einzigartig. Ich bin sonst eher ein Schnellleser, aber dieses Buch hat mich dazu gebracht, so langsam zu lesen, dass ich jede Zeile genießen konnte, ja ich ertappte mich sogar dabei, noch ein bisschen langsamer zu lesen, damit es nicht so schnell vorbei ist ... Aber irgendwann ist es dann natürlich doch vorbei, man hat gemeinsam mit den Ermittlern des Teams die Fäden entwirrt, die einzelnen Handlungsstränge zusammengeführt und den Fall abgeschlossen. Dass die Geschichte genial konstruiert ist, versteht sich da fast von selbst und dass hier einfach alles stimmt, von den Dialogen bis zum furiosen Finale, muss ich kaum noch erwähnen. Und warum der Titel „Dunkelziffer“ nicht nur eine Bedeutung hat, sondern in mehrfacher Hinsicht wichtig ist, dass muss dann schon jeder selbst herausfinden.
Figuren
Das A-Team besteht aus vielen Individuen, die zwar alle ein Eigenleben haben, aber im Ernstfall wie Rädchen in einem Uhrwerk ineinandergreifen, um einen Fall zu lösen. Jeder der Ermittler hat seine speziellen Talente, aber auch Sorgen und Ängste, einige leben mit Lügen und Geheimnissen, von denen die anderen nicht einmal etwas ahnen. Wie diese Charaktere über bisher acht Bände hinweg ihre Entwicklung durchgemacht haben, das ist schon etwas Besonderes in der Krimiliteratur und wird niemals langweilig. Und obwohl der Leser naturgemäß oft mehr weiß als die Ermittler, bleiben doch immer noch letzte kleine Geheimnisse, die die Spannung hochhalten und einen zwischendurch wünschen lassen, die Teammitglieder einmal persönlich kennen zu lernen, so lebendig sind sie gezeichnet. Wie sie alle an ihre psychischen und moralischen Grenzen gehen, wie fragil und veränderbar Beziehungen untereinander und Werte eines jeden Einzelnen sein können, das wird immer wieder so auf den Punkt gebracht, dass es einem manchmal die Luft abschnürt beim Lesen.
Dieses Mal verzichtet Arne Dahl auch darauf, allzu sehr auf die Ereignisse und Entwicklungen der vorherigen Bände einzugehen, das macht es auch für Neueinsteiger leichter, mit der Vielzahl von Personen klarzukommen. Eine hervorstechende Hauptfigur im üblichen Sinne gibt es nicht, das A-Team ist eben in erster Linie ein Team, ja sogar Kerstin Holm als Leiterin bleibt dieses Mal eher im Hintergrund. Das macht aber nichts, denn der Leser findet in dieser bunten Mischung von Charakteren immer jemanden, dem er sich annähern kann.
Aufmachung des Buches
Das gebundene, mit einem Lesebändchen versehene Buch zeigt auf dem Cover vor einem Hintergrund in Blau und Grautönen zwei Hände, die wie die von patinierten Skulpturen wirken. Die kleinere Kinderhand greift dabei nach der größeren, wie um sich vertrauensvoll festzuhalten. Autor und Titel sind schlicht in Schwarz gehalten - insgesamt eine sehr passende Aufmachung.
Fazit
Hatte ich schon erwähnt, dass „Dunkelziffer“ ein grandioses Buch ist? Wenn nicht, hier noch einmal: Dieses Buch ist jetzt schon eines meiner Jahreshighlights, ausgestattet mit einer bedrückend aktuellen, hochgradig spannenden Geschichte, einer wunderbaren Sprache sowie hervorragend ausgearbeiteten Figuren. Für jeden Freund anspruchsvoller Krimiliteratur ein absolutes Muss, ein echtes Juwel zwischen vielen kriminalistischen Halbedelsteinen.
Hinweise
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Backlist:
Band 3: Tiefer Schmerz
Band 4: Rosenrot
Band 5:Ungeschoren
Band 6: Totenmesse
Band 7: Dunkelziffer